Selten war wohl eine Konzertpause so notwendig wie bei diesem Meistkonzert. Denn nicht nur waren in der Rheingoldhalle größere Umbauten auf der Bühne und das Nachstimmen des Flügels notwendig. Nein, vor allem waren das eigentlich zwei eigene Konzerte, die von der Staatsphilharmonie Rheinland-Pfalz unter Karl-Heinz Steffens hier im Doppelpack angeboten wurden.
Zunächst also zwei Ballett-Musiken: Mit dem Klassiker „Prélude de l’après-midi d’un faune” von Claude Debussy eröffnete das Ludwigshafener Orchester der Abend. Dirigent Steffens wählte einen vorsichtigen, zurückgenommen Zugang: Zart entfaltet sich schon das initiale Flötenthema, und sacht, manchmal etwas stockend, dann aber wieder deutlich treibend entwickelt er die impressionistische Klangschilderung sehr behutsam. Als Fortsetzung der Entwicklung der modernen Ballettmusik sehr logisch folgte dieser Naturidylle Bela Bartóks Musik für die Tanzpantomine „Der wunderbare Mandarin”. Die ließ Steffens deutlich offener und fordernd-drägneder musizieren – anderes wäre bei dieser Musik auch widernatürlich.
Grandios wurde es in der Rheingoldhalle aber erst nach der Pause. Entgegen den üblichen Konzertgewohnheiten kam das Solistenkonzert nämlich zum Schluss – mit gutem Grund. Zum einen ist Brahms’ B‑Dur-Klavierkonzert mit ungefähr 45 Minuten schon recht lang. Zum anderen kann man danach kaum noch sinnvoll andere Musik machen. Zumindest, wenn man es so wie Antti Siirala spielt, mit vollem Einsatz, auf Leben und Tod quasi. Da passt dann auch keine Zugabe mehr, obwohl der Saal danach gierte. Aber das war die richtige Entscheidung – alles hätte den Eindruck dieser großen Interpretation höchstens geschmälert. Denn Siirala und Steffens fanden hier wunderbare Wege, die gesamte Vielfalt des Konzertes voll auszuschöpfen. Sie weigerten sich einfach – und sehr konsequent -, sich auf einen einzigen Standort zu begeben. Ständig wechselten sie die Perspektive, zoomten von großen Gesten bis in feinste Details
Siirala kann sich diese ungeheure Vielgestaltigkeit leisten, weil er als Pianist vielseitig genug ist. Sein kerniges, deutlich akzentuiertes Spiel kann phasenweise auch ganz weich und sanft tönen. Immer bleibt er aber ausgesprochen agil – nicht ohne Grund sitzt er wie sprungbereit nur auf der vordersten Kante seiner Klavierbank. Und diese konzentrierte Aufmerksamkeit für alle Aspekte der Partitur ermöglicht zwar nicht immer völlig schlüssige Entwicklungen, aber auf jeden Fall eine Fülle faszinierender Momente, und genial spannend erscheinender Passagen – die dann selbst den Dirigenten immer wieder ganz verblüfft zu seinem Pianisten blicken lassen.
(geschrieben für die Mainzer Rhein-Zeitung.)
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