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Maybebop im Interview

Im Feb­ru­ar hat­te ich die Gele­gen­heit, mich sehr nett mit den vier Sängern von May­be­bop zu unter­hal­ten. Das lei­der um einiges gekürzte Inter­view erschien in der März-Aus­gabe von “Chorzeit — Das Vokalmagazin”.

Sechs Konz­erte, sieben Work­shops und neun Shows auf der Musikmesse NAMM in Los Ange­les haben May­be­bop auf ihrer USA-Tournee absolviert. Nach ihrem ersten Konz­ert in Deutsch­land mit ihrem Pro­gramm „Weniger sind mehr“ in Bad Vil­bel hat sich das Quar­tett Zeit genom­men, mit der „Chorzeit“ über ihre Erfahrun­gen in Ameri­ka, die deutsche A‑Cap­pel­la-Szene und ihren Anteil an den Entwick­lun­gen der let­zten Jahre zu sprechen.

Ihr seid ger­ade von eur­er ersten Ameri­ka-Tournee zurück gekom­men. Wie waren eure Erfahrun­gen dort?
Lukas: In den USA sind die Men­schen viel offen­er a‑cappella und dem Gesang gegenüber. Die Scheu vor dem Sin­gen ist nicht so groß, der Charme von Chören ist in Deutsch­land dage­gen doch etwas ver­staubt.
Sebas­t­ian: In Ameri­ka war das viel pos­i­tiv­er: Ihr singt? — OK, dann singt doch mal.

Wie kommt denn deutsch­er A‑Cap­pel­la-Gesang beim amerikanis­chen Pub­likum an?
Oliv­er: Das war aufre­gend und eine tolle Erfahrung für uns: Wir haben englisch mod­eriert und wir haben gemerkt, das funk­tion­iert und unser Humor trans­portiert sich. Das Pro­gramm bestand aus englis­chen Cov­ers aus unserem Reper­toire, auch deutsche Stücke und Volk­slieder — so ein biss­chen deutsche Trad­tion — und auch eigene Stücke von uns, die wir uns über­set­zen haben lassen.

Habt ihr auch Kon­tak­te zur amerikanis­chen a‑cap­pel­la-Szene geknüpft?
Lukas: Natür­lich, vor allem auf per­sön­lich­er Ebene, aber auch schon im Vor­feld, weil die glob­ale A‑Cap­pel­la-Com­mu­ni­ty in den USA organ­isiert ist und sich dort alles sam­melt. Im Gegen­satz zu Deutsch­land sitzt in Ameri­ka sehr wenig Geld in der Vokalszene, dafür aber sehr viel Enthu­si­as­mus und eine große Bere­itschaft, auch ohne Geld zu arbeit­en.

Wie habt ihr die amerikanis­che Szene wahrgenom­men?
Jan: Das ist ganz anders als in Deutsch­land: In Ameri­ka ist es selb­stver­ständlich, wenn man an der High­school oder an ein­er Uni­ver­sität ist, dass man in einem a‑cap­pel­la-Ensem­ble oder in Chören singt. Diese Szene, die semi­pro­fes­sionelle und die Laien­szene, ist an den Uni­ver­sitäten und den Schulen schon seit ganz langer Zeit total ver­ankert. Dass es selb­stver­ständlich ist, dass es an Uni­ver­sitäten mehrere Chöre und Ensem­bles gibt — das fan­den wir ganz beein­druck­end. Da bilden sich ganz viele Ensem­bles, das ist total geil. Und es wird ein­fach wahnsin­nig viel gesun­gen.
Lukas: Aber da wir auf keinem Fes­ti­val waren, haben wir keine amerikanis­chen Ensem­bles ent­deckt. Wir waren selb­st die Ent­deck­ung für die Amerikan­er — hof­fentlich …

Gestern habt ihr euer erstes Konz­ert wieder in Deutsch­land gesun­gen: Wie fühlt es sich an?
Lukas: Es war tat­säch­lich ein biss­chen aufre­gend, weil wir ja auch nach zwei Monat­en das erste Mal wieder ins Tages­geschäft kamen. Ob das noch so alles funk­tion­iert, das war schon span­nend. Und ich hat­te das Gefühl, dass wir reifer gewor­den sind mit den Erfahrun­gen aus den USA.
Jan: Vor allem haben wir uns total gefreut, dass man wieder ein Pub­likum vor der Nase hat, für das man ein Gefühl, wo man weiß, wie die Witze funk­tion­ieren und nicht so tas­ten muss.

Und wie seht ihr den Boom der deutschen a‑cap­pel­la-Szene?
Lukas: Wir ver­fol­gen das natür­lich. Es gab schon mal einen Boom neuer Grup­pen, der war vor ein paar Jahren wieder weg, und jet­zt ist er wieder da. Wir sind da — ganz unei­t­el gesagt — vielle­icht auch nicht ganz unbeteiligt daran.
Jan: Vor allem sehen wir natür­lich, dass junge Leute auf den Konz­erten sind und sich in den let­zten Jahren so einige junge Ensem­bles bemerk­bar gemacht haben, die dann auf ein­mal da waren, wie etwa High­five, anders oder Delta Q: Da kom­men einige, die jet­zt so in den semi­pro­fes­sionellen Bere­ich vor­drin­gen. Das ist auf jeden Fall ein Trend. Vor ein paar Jahren, da haben wir gesagt: Mann, es kommt gar nix nach, es passiert nichts in der Szene. Und dann fing es auf ein­mal wieder an. Dann kamen Grup­pen, die im Foy­er nach unserem Konz­ert was gesun­gen haben, wo wir ein­fach baff waren.
Lukas: Was wir nicht so mitkriegen, ist die gesamte Bre­ite. Wir bekom­men vor allem die Spitze von den jun­gen Ensem­bles mit, die sich trauen, was zu veröf­fentlichen, uns was zu schick­en.

Seht ihr da neue Trends bei den jun­gen Ensem­bles?
Oliv­er: Ganz auf­fäl­lig ist ger­ade, dass die Grup­pen, die jet­zt entste­hen, sich dadurch ausze­ich­nen, dass sie eigene Stücke sin­gen. A‑Cappella war bis vor fünf Jahren noch fest­gelegt auf entwed­er lustig oder Stücke nachsin­gen. Und die neuen Grup­pen, die jet­zt entste­hen, die machen Musik und drück­en sich mit eige­nen Tex­ten aus. Das finde ich total bemerkenswert: A‑Cappella wird jet­zt so langsam erwach­sen. Man spielt jet­zt nicht mehr in ein­er Band, son­dern ich kann auch a‑cappella sin­gen und mein Zeug machen.
Bei der BERvokal hat­ten wir einen Abend Open-Stage, wo jed­er auf die Bühne kon­nte, der wollte — und da sind wir beina­he hin­tenüber gekippt: Eine Gruppe nach der anderen kommt da auf die Bühne und singt ein eigenes Lied. Fan­den wir total abge­fahren und neu. Oder auch Grup­pen, die jet­zt erfol­gre­ich sind, wie Juice­Box. oder OnAir, die ein­fach nur Musik machen. Das gab’s vorher so noch nicht.
Lukas: Und wenn deutsche Grup­pen es jet­zt schaf­fen, das zu verbinden, das Unter­halt­same mit der Musik, dann ist das was wirk­lich tolles und ein riesen Ding. Musik gibt es im a‑cap­pel­la-Bere­ich über­all auf der Welt auch, Witzigkeit in a‑cappella gibt es nur in Deutsch­land.

Ihr habt ja im let­zten Jahr mit BERvokal sog­ar ein Fes­ti­val gegrün­det …
Lukas: Ja, das habe ich mit Felix (unter anderem unser Chore­o­graph) ange­fan­gen. Das ist ja auch auf junge gute Grup­pen gemünzt. Und Berlin brauchte das. Da ist bish­er jedes a‑cap­pel­la-Fes­ti­val gescheit­ert, das ist ganz schw­eres Pflaster. Aber das hat mich ange­s­pornt. Ich wollte ein­fach einen deut­lichen vokalen Schw­er­punkt nach Berlin bekom­men und vor allem auch die jun­gen Grup­pen fördern, dass die ein Forum haben. Nach dem Vor­bild der voc.cologne, aber offen für alle junge tal­en­tierten Grup­pen, die Luft nach oben haben und denen man viel beib­rin­gen kann.

Wie schätzt ihr den euren Ein­fluss auf diese Entwick­lung ein?
Jan: Uns gibt es jet­zt seit zwölf Jahren — sich­er hat man da seinen Ein­fluss. Oliv­er hat als Arrangeur auch ganz bes­timmt seinen Ein­fluss in der deutschen Chor- und a‑cap­pel­la-Szene genom­men. Und wir als Gruppe haben bes­timmt auch eine Art Vor­re­it­er­rolle, was die eigene Musik ange­ht.

Und eure Musik kann ja jed­er sin­gen, ihr verkauft eure Arrange­ments inzwis­chen auch als Song­books?
Jan: Das haben wir gemacht, weil ein­fach viele Leute danach fra­gen. Unsere Sätze sind ja nicht leicht und speziell auf uns zugeschnit­ten, insofern freuen wir uns über jeden, der das schafft.
Oliv­er: Aber wir haben auch vere­in­fachte Sätze für Chöre dabei, die für SATB natür­lich angepasst sind. Und wir freuen uns ein­fach immer, wenn unsere Musik gesun­gen wird — egal von wem.

Ihr seid auch als pro­fes­sionelles Ensem­ble noch Mit­glied im Chorver­band. Warum?
Sebas­t­ian: Wir wollen die Leute ja zum Sin­gen brin­gen. Nicht umson­st haben wir viele Jahre Schul­work­shops gegeben und geben immer noch Chor­work­shops. Wir wollen den Leuten zeigen, dass Sänger ein Beruf ist, der Spaß macht und von dem man leben kann. Und wir wollen die Chorsänger ein­fach noch so ein biss­chen kitzeln. Wir haben im Chor­bere­ich ja auch eine gewisse Promi­nenz, da muss man ein­fach Zeichen set­zen: Leute, kommt in den Chor, der Chorver­band ist nicht nur eine ver­staubte Insti­tu­tion.
Jan: Und das ist ein­fach unsere Szene, in der wir uns bewe­gen, wir sind ja alle auch richtige Chorgewächse.

Und ihr seid jet­zt mit mehreren Sätzen in der Lit­er­at­u­rauswahl des Chor­wet­tbe­w­ers vertreten.
Oliv­er: Das ist natür­lich toll und freut uns sehr, wenn unsere Musik diese Schätzung erfährt. Das passiert inzwis­chen auch woan­ders: “Engel” war sog­ar mal Bestandteil des bay­erischen Abiturs, und “Gum­mibaum” wurde in ein Schul­buch aufgenom­men. Wir schreiben uns ja auf die Fahne, immer auch Volk­slieder zu sin­gen und sozusagen der deutschen Kul­tur Raum zu geben. Da passt es ganz gut, dass Arrange­ments wie “O Täler weit” und “Die Gedanken sind frei” in die Liste aufgenom­men wur­den.
Jan: Wir schauen ja immer, was kann man noch machen, was haben andere noch nicht gemacht? Denn es ist immer schön, was Neues zu machen, weil es auch frisch hält. Und wir haben das Ziel, uns alle zwei Jahre neu zu erfind­en.

— Zuerst erschienen in Chorzeit — Das Vokalmagazin, Aus­gabe März 2014.

So klingt übri­gens May­be­bop — zum Beispiel bei Oliv­er Gies’ Arrange­ment von “O Täler weit”:

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  1. matthias mader (@matthias_mader)

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