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maybebop (pressefoto)

Gelungene Fehlerdiagnose: „Sistemfeler“ von Maybebop

maybebop, sistemfeler (cover)Einen „Sis­tem­fe­l­er“ dia­gnos­ti­ziert May­be­bop. Und da geht es nicht um den Gesang – der ist feh­ler­frei, wie man das von May­be­bop erwar­tet. Und selbst die ohne­hin hohen Erwar­tun­gen an ein neu­es May­be­bop-Album toppt „Sis­tem­fe­l­er“ locker. Der Feh­ler liegt also nicht in der Musik, son­dern in einem ande­ren Sys­tem – vor allem dem der Gesell­schaft. Aber kei­ne Angst: Trotz kri­ti­scher Beglei­tung der Gegen­wart macht „Sis­tem­fe­l­er“ vor allem irre viel Spaß. Man muss ja den Dia­gno­sen des Han­no­ve­ra­ner Quar­tetts nicht zustim­men, um die groß­ar­ti­gen musi­ka­li­schen Qua­li­tä­ten des Albums genie­ßen zu kön­nen. Und schließ­lich wäre May­be­bop nicht May­be­bop, wenn sie ihre kri­ti­schen Dia­gno­sen nicht mit Witz und Iro­nie ver­mit­teln wür­den – ob es nun um die Glaub­wür­dig­keit der Nach­rich­ten geht oder den über­gro­ßen gesell­schaft­li­chen Anpas­sungs­druck. In „Auf der Suche“ spie­ßen die Vier die per­ma­nen­te Erreich­bar­keit und die Gier nach vir­tu­el­ler Aner­ken­nung auf und lie­fern qua­si neben­bei einen Ohr­wurm – nicht den ein­zi­gen auf „Sis­tem­fe­l­er“ übri­gens. Und die „Ode an die Hei­mat“ the­ma­ti­siert in einer wun­der­schön sanft aus­ge­setz­ten Bal­la­de nicht nur die Hei­mat­lo­sig­keit der moder­nen Viel­rei­sen­den, son­dern auch die Tat­sa­che, dass man nur dort daheim ist, wo sich das Smart­phone auto­ma­tisch mit dem Rou­ter ver­bin­det. Sanft schmei­chelt auch das Fina­le, „Ab und zu ein paar Gei­gen“, mit der Unter­stüt­zung der NDR Radio­phil­har­mo­nie. Doch natür­lich ist May­be­bop nicht immer zahm und zurück­hal­tend: Mit schwar­zem Humor geht es in „Weil du heut Geburts­tag hast“ auch musi­ka­lisch ordent­lich zur Sache. Und über­all sind Detail­ver­ses­sen­heit und Per­fek­tio­nis­mus des Quar­tetts unüber­hör­bar: Jedes Arran­ge­ment, jede Akkord­fol­ge, jeder noch so aus­ge­fal­le­ne Klang­ef­fekt sind sorg­fäl­tigst über­legt und ein­ge­passt. „Sis­tem­fe­l­er“ ist rund­um stim­mig wie nur weni­ge Alben, bis zum nerdi­gen Cover und Booklet. 

Immer wie­der spie­len May­be­bop mit Genuss und Kön­nen mit musi­ka­li­schen und natio­na­len Kli­schees. Die aus­ge­zeich­ne­te Bol­ly­wood-Hym­ne „Ver­steh das“ ist so eine Pla­ti­tü­de, das pen­ta­tö­ni­ge „Chi­ne­si­sche Medizin“nimmt nicht nur alter­na­ti­ve Heil­küns­te, son­dern auch das Essen aufs Korn. Alles in allem ist die Viel­falt der Musik ein­fach ver­zü­ckend: Der wasch­ech­te Marsch (bei dem das voka­le Blech dröhnt und die Füße zucken) ist genau­so ein Teil des „Sis­tem­fel­ers“ wie Aus­flü­ge in den Bal­kan-Pop, das platt­deut­sche „Dat du min Leevs­ten büst“ oder eine gesun­ge­ne Ver­si­on des Ravel-Bole­ros. Gut, musi­ka­lisch ist der bei den Swing­le Sin­gers noch bes­ser gewe­sen – aber die haben nicht den herr­lich augen­zwin­kern­den Text von Oli­ver Gies. Der erzählt ganz aus­ge­feilt einen klas­si­schen Kon­zer­be­suchs eines bla­sier­ten Ange­bers. Und kurz dar­auf – nach einem kur­zen Abste­cher zur Logik des Beat­bo­xens – fin­det man sich schon im Hip­hop wie­der. Über­haupt Oli­ver Gies: Der Bari­ton zeich­net nicht nur für die Arran­ge­ments ver­ant­wort­lich, son­dern hat auch fast alle Tex­te geschrie­ben und Melo­dien kom­po­niert. Und da fin­den sich ech­te Klein­ode – wer auf „Sis­tem­fe­l­er“ kein Lieb­lings­lied fin­det, ist für a‑cap­pel­la-Pop wohl ver­lo­ren. Oder hoff­nungs­lo­ser Purist, der mit die­sem fro­hen Eklek­ti­zis­mus nichts anfan­gen kann.

May­be­bop: Sis­tem­fe­l­er. Ellen­ber­ger 2017. Spiel­zeit: 55:44

(Zuerst erschie­nen in „Chor­zeit – Das Vokal­ma­ga­zin“, #39, Mai 2017)

Taglied 17.5.2016

May­be­bop hat noch ein­mal nach­ge­legt und ein net­tes Video zu „Es war gut so“ gedreht:

Es war gut so – MAYBEBOP (2016)

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Taglied 23.3.2016

End­lich gibt es auch zum wun­der­bar pathe­ti­schen „Fes­tung“ von May­be­bop ein Video:

Fes­tung – MAYBEBOP (2016)

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Taglied 16.12.2015

May­be­bop & OnAir, Be Still My Heart (auch auf der neu­en, sehr schö­nen Weih­nachts-CD von May­be­bo­py, Für euch)

Be Still My Heart – a cap­pel­la Cover – MAYBEBOP & ONAIR

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Taglied 3.11.2015

So las­se ich mir James Bond (für des­sen Erschei­nun­gen ich sonst nicht so zu begeis­tern bin …) gefallen: 

Bond Song Evo­lu­ti­on – MAYBEBOP (2015)

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Taglied 8.9.2015

May­be­bop, Deutschlied

Deutsch­lied – MAYBEBOP (2015)

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Darf man das das? Maybebop darf

maybebop, das darf man nichtEin bun­tes Cover ver­heißt far­bi­ge Musik. Bei May­be­bop geht die Glei­chung unbe­dingt auf. Denn das Foto mit den vier Her­ren in sehr far­bi­gen Anzü­gen ist kein Zufall: So bunt wie das Äuße­re klingt auch das neu­es­te Album von May­be­bop mit dem schö­nen Titel „Das darf man nicht“. Über die modi­schen Ent­schei­dun­gen des Quar­tetts mag man geteil­ter Mei­nung sein – die Musik bie­tet dafür kei­nen Anlass.

Denn May­be­bop bleibt sich und ihrem Erfolgs­re­zept ziem­lich treu. „Das darf man nicht“ ist – je nach Zäh­lung – immer­hin schon das zwan­zigs­te Album der Han­no­ve­ra­ner A‑Cap­pel­la-Pop-Spe­zia­lis­ten. Und das hört man. Nicht, weil es lang­wei­lig wäre. Son­dern weil die Vier – und vor allem ihr Tex­ter, Kom­po­nist und Arran­geur Oli­ver Gies, der auch die­se CD fast im Allein­gang zu ver­ant­wor­ten hat – genü­gend Erfah­rung mit­brin­gen, ihre Stär­ken voll aus­zu­spie­len: „Das darf man nicht“ ist wie­der eine gelun­ge­ne Mischung aus Par­ty­hits, gefühl­vol­len Bal­la­den, komi­schen Ein­la­gen und kna­cki­gen Beats.

Vor allem aber ist es sehr fein­sin­nig und sorg­fäl­tig gear­bei­tet. Denn das fällt immer wie­der auf: Die 13 Songs klin­gen nicht nur beim ers­ten Hören gut, son­dern offen­ba­ren auch beim fünf­ten oder sieb­ten Durch­lauf noch viel­schich­ti­ge und neue Details. Dabei ist das kei­nes­wegs aka­de­misch aus­ge­tüf­tel­te Musik. Im Gegen­teil: May­be­bop steigt gleicht mit den ers­ten Tönen in die Par­ty ein, läs­sig und kon­zen­triert star­ten sie mit „Es war gut so“ – so bleibt auch der Rest der CD.
Etwa der Titel­song, „Das darf man nicht“. Da hört man gut eine ech­te Spe­zia­li­tät von May­be­bop: Exzel­len­ter Vocal­pop mit ein­gän­gi­gen Melo­dien zu gewitz­ten Tex­ten, unter­stützt von sorg­fäl­tig aus­ge­ar­bei­te­ten, ideen­rei­chen Arran­ge­ments, die sich nie in den Vor­der­grund drän­gen. Und dazu fei­ne Hook­li­nes, die sich schnell und tief ins Gedächt­nis gra­ben. Davon lebt etwa auch die „Fes­tung“, bei dem sich der dunk­le Bass im har­mo­nisch aus­ba­lan­cier­ten Quar­tett, das (mit leich­ter elek­tro­ni­scher Nach­hil­fe) eine durch­aus erstaun­li­che Klang­fül­le pro­du­ziert, in einem groß ange­leg­tem Phan­tas­ma aus­le­ben darf. 

Wun­der­bar ist auch das ambi­va­lent betex­te­te Deutsch­lied, in dem Haydns Kai­ser­quar­tett ganz anders, näm­lich gefühl­voll, nach­denk­lich und modern klingt. Das beginnt als Anti-Hym­ne mit den Wor­ten „Wäre ich ein Ita­lie­ner“, schafft die Kur­ve zu einem posi­ti­ven Deutsch­land­bild aber dann doch noch: „Deutsch­land ist schon echt okay“. Oder die leicht schmal­zi­ge Pop-Bal­la­de „Ich seh Dich“, die geschmack­voll ver­träumt erzäh­lend dahin­fließt. Zum Aus­gleich gibt es aber auch genug kna­ckig Kra­cher, die alle Extre­mi­tät zum Zucken brin­gen. Denn ob man’s darf oder nicht: May­be­bop macht leich­te, ein­gän­gi­ge Musik mit Niveau bei den abwechs­lungs­rei­chen Tex­ten, der sti­lis­tisch viel­fäl­ti­gen Musik und der prä­zi­sen Aus­füh­rung, die ein­fach Spaß macht.

— Zuerst erschie­nen in Chor­zeit—Das Vokal­ma­ga­zin, Aus­gabe #16, Mai 2015.

Taglied 13.4.2015

may­be­bop, ich seh dich (im pop-mix, von der neu­en cd „das darf man nicht“ – die übri­gens auch sehr schön gewor­den ist):

Ich seh Dich – MAYBEBOP (2015)

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Maybebop im Interview

Im Febru­ar hat­te ich die Gele­gen­heit, mich sehr nett mit den vier Sän­gern von May­be­bop zu unter­hal­ten. Das lei­der um eini­ges gekürz­te Inter­view erschien in der März-Aus­ga­be von „Chor­zeit – Das Vokal­ma­ga­zin“.

Sechs Kon­zer­te, sie­ben Work­shops und neun Shows auf der Musik­mes­se NAMM in Los Ange­les haben May­be­bop auf ihrer USA-Tour­nee absol­viert. Nach ihrem ers­ten Kon­zert in Deutsch­land mit ihrem Pro­gramm „Weni­ger sind mehr“ in Bad Vil­bel hat sich das Quar­tett Zeit genom­men, mit der „Chor­zeit“ über ihre Erfah­run­gen in Ame­ri­ka, die deut­sche A‑Cap­pel­la-Sze­ne und ihren Anteil an den Ent­wick­lun­gen der letz­ten Jah­re zu sprechen.

Ihr seid gera­de von eurer ers­ten Ame­ri­ka-Tour­nee zurück gekom­men. Wie waren eure Erfah­run­gen dort?
Lukas: In den USA sind die Men­schen viel offe­ner a‑cappella und dem Gesang gegen­über. Die Scheu vor dem Sin­gen ist nicht so groß, der Charme von Chö­ren ist in Deutsch­land dage­gen doch etwas verstaubt.
Sebas­ti­an: In Ame­ri­ka war das viel posi­ti­ver: Ihr singt? – OK, dann singt doch mal. 

Wie kommt denn deut­scher A‑Cap­pel­la-Gesang beim ame­ri­ka­ni­schen Publi­kum an?
Oli­ver: Das war auf­re­gend und eine tol­le Erfah­rung für uns: Wir haben eng­lisch mode­riert und wir haben gemerkt, das funk­tio­niert und unser Humor trans­por­tiert sich. Das Pro­gramm bestand aus eng­li­schen Covers aus unse­rem Reper­toire, auch deut­sche Stü­cke und Volks­lie­der – so ein biss­chen deut­sche Trad­ti­on – und auch eige­ne Stü­cke von uns, die wir uns über­set­zen haben lassen.

Habt ihr auch Kon­tak­te zur ame­ri­ka­ni­schen a‑cap­pel­la-Sze­ne geknüpft?
Lukas: Natür­lich, vor allem auf per­sön­li­cher Ebe­ne, aber auch schon im Vor­feld, weil die glo­ba­le A‑Cap­pel­la-Com­mu­ni­ty in den USA orga­ni­siert ist und sich dort alles sam­melt. Im Gegen­satz zu Deutsch­land sitzt in Ame­ri­ka sehr wenig Geld in der Vokal­sze­ne, dafür aber sehr viel Enthu­si­as­mus und eine gro­ße Bereit­schaft, auch ohne Geld zu arbeiten.

Wie habt ihr die ame­ri­ka­ni­sche Sze­ne wahrgenommen?
Jan: Das ist ganz anders als in Deutsch­land: In Ame­ri­ka ist es selbst­ver­ständ­lich, wenn man an der High­school oder an einer Uni­ver­si­tät ist, dass man in einem a‑cap­pel­la-Ensem­ble oder in Chö­ren singt. Die­se Sze­ne, die semi­pro­fes­sio­nel­le und die Lai­en­sze­ne, ist an den Uni­ver­si­tä­ten und den Schu­len schon seit ganz lan­ger Zeit total ver­an­kert. Dass es selbst­ver­ständ­lich ist, dass es an Uni­ver­si­tä­ten meh­re­re Chö­re und Ensem­bles gibt – das fan­den wir ganz beein­dru­ckend. Da bil­den sich ganz vie­le Ensem­bles, das ist total geil. Und es wird ein­fach wahn­sin­nig viel gesungen.
Lukas: Aber da wir auf kei­nem Fes­ti­val waren, haben wir kei­ne ame­ri­ka­ni­schen Ensem­bles ent­deckt. Wir waren selbst die Ent­de­ckung für die Ame­ri­ka­ner – hoffentlich …

Ges­tern habt ihr euer ers­tes Kon­zert wie­der in Deutsch­land gesun­gen: Wie fühlt es sich an?
Lukas: Es war tat­säch­lich ein biss­chen auf­re­gend, weil wir ja auch nach zwei Mona­ten das ers­te Mal wie­der ins Tages­ge­schäft kamen. Ob das noch so alles funk­tio­niert, das war schon span­nend. Und ich hat­te das Gefühl, dass wir rei­fer gewor­den sind mit den Erfah­run­gen aus den USA.
Jan: Vor allem haben wir uns total gefreut, dass man wie­der ein Publi­kum vor der Nase hat, für das man ein Gefühl, wo man weiß, wie die Wit­ze funk­tio­nie­ren und nicht so tas­ten muss.

Und wie seht ihr den Boom der deut­schen a‑cap­pel­la-Sze­ne?
Lukas: Wir ver­fol­gen das natür­lich. Es gab schon mal einen Boom neu­er Grup­pen, der war vor ein paar Jah­ren wie­der weg, und jetzt ist er wie­der da. Wir sind da – ganz unei­tel gesagt – viel­leicht auch nicht ganz unbe­tei­ligt daran.
Jan: Vor allem sehen wir natür­lich, dass jun­ge Leu­te auf den Kon­zer­ten sind und sich in den letz­ten Jah­ren so eini­ge jun­ge Ensem­bles bemerk­bar gemacht haben, die dann auf ein­mal da waren, wie etwa High­fi­ve, anders oder Del­ta Q: Da kom­men eini­ge, die jetzt so in den semi­pro­fes­sio­nel­len Bereich vor­drin­gen. Das ist auf jeden Fall ein Trend. Vor ein paar Jah­ren, da haben wir gesagt: Mann, es kommt gar nix nach, es pas­siert nichts in der Sze­ne. Und dann fing es auf ein­mal wie­der an. Dann kamen Grup­pen, die im Foy­er nach unse­rem Kon­zert was gesun­gen haben, wo wir ein­fach baff waren.
Lukas: Was wir nicht so mit­krie­gen, ist die gesam­te Brei­te. Wir bekom­men vor allem die Spit­ze von den jun­gen Ensem­bles mit, die sich trau­en, was zu ver­öf­fent­li­chen, uns was zu schicken.

Seht ihr da neue Trends bei den jun­gen Ensembles?
Oli­ver: Ganz auf­fäl­lig ist gera­de, dass die Grup­pen, die jetzt ent­ste­hen, sich dadurch aus­zeich­nen, dass sie eige­ne Stü­cke sin­gen. A‑Cappella war bis vor fünf Jah­ren noch fest­ge­legt auf ent­we­der lus­tig oder Stü­cke nach­sin­gen. Und die neu­en Grup­pen, die jetzt ent­ste­hen, die machen Musik und drü­cken sich mit eige­nen Tex­ten aus. Das fin­de ich total bemer­kens­wert: A‑Cappella wird jetzt so lang­sam erwach­sen. Man spielt jetzt nicht mehr in einer Band, son­dern ich kann auch a‑cappella sin­gen und mein Zeug machen.
Bei der BER­vo­kal hat­ten wir einen Abend Open-Stage, wo jeder auf die Büh­ne konn­te, der woll­te – und da sind wir bei­na­he hin­ten­über gekippt: Eine Grup­pe nach der ande­ren kommt da auf die Büh­ne und singt ein eige­nes Lied. Fan­den wir total abge­fah­ren und neu. Oder auch Grup­pen, die jetzt erfolg­reich sind, wie Juice­Box. oder OnAir, die ein­fach nur Musik machen. Das gab’s vor­her so noch nicht.
Lukas: Und wenn deut­sche Grup­pen es jetzt schaf­fen, das zu ver­bin­den, das Unter­halt­sa­me mit der Musik, dann ist das was wirk­lich tol­les und ein rie­sen Ding. Musik gibt es im a‑cap­pel­la-Bereich über­all auf der Welt auch, Wit­zig­keit in a‑cappella gibt es nur in Deutschland.

Ihr habt ja im letz­ten Jahr mit BER­vo­kal sogar ein Fes­ti­val gegründet …
Lukas: Ja, das habe ich mit Felix (unter ande­rem unser Cho­reo­graph) ange­fan­gen. Das ist ja auch auf jun­ge gute Grup­pen gemünzt. Und Ber­lin brauch­te das. Da ist bis­her jedes a‑cap­pel­la-Fes­ti­val geschei­tert, das ist ganz schwe­res Pflas­ter. Aber das hat mich ange­spornt. Ich woll­te ein­fach einen deut­li­chen voka­len Schwer­punkt nach Ber­lin bekom­men und vor allem auch die jun­gen Grup­pen för­dern, dass die ein Forum haben. Nach dem Vor­bild der voc​.colo​gne, aber offen für alle jun­ge talen­tier­ten Grup­pen, die Luft nach oben haben und denen man viel bei­brin­gen kann. 

Wie schätzt ihr den euren Ein­fluss auf die­se Ent­wick­lung ein?
Jan: Uns gibt es jetzt seit zwölf Jah­ren – sicher hat man da sei­nen Ein­fluss. Oli­ver hat als Arran­geur auch ganz bestimmt sei­nen Ein­fluss in der deut­schen Chor- und a‑cap­pel­la-Sze­ne genom­men. Und wir als Grup­pe haben bestimmt auch eine Art Vor­rei­ter­rol­le, was die eige­ne Musik angeht. 

Und eure Musik kann ja jeder sin­gen, ihr ver­kauft eure Arran­ge­ments inzwi­schen auch als Songbooks?
Jan: Das haben wir gemacht, weil ein­fach vie­le Leu­te danach fra­gen. Unse­re Sät­ze sind ja nicht leicht und spe­zi­ell auf uns zuge­schnit­ten, inso­fern freu­en wir uns über jeden, der das schafft.
Oli­ver: Aber wir haben auch ver­ein­fach­te Sät­ze für Chö­re dabei, die für SATB natür­lich ange­passt sind. Und wir freu­en uns ein­fach immer, wenn unse­re Musik gesun­gen wird – egal von wem.

Ihr seid auch als pro­fes­sio­nel­les Ensem­ble noch Mit­glied im Chor­ver­band. Warum?
Sebas­ti­an: Wir wol­len die Leu­te ja zum Sin­gen brin­gen. Nicht umsonst haben wir vie­le Jah­re Schul­work­shops gege­ben und geben immer noch Chor­work­shops. Wir wol­len den Leu­ten zei­gen, dass Sän­ger ein Beruf ist, der Spaß macht und von dem man leben kann. Und wir wol­len die Chor­sän­ger ein­fach noch so ein biss­chen kit­zeln. Wir haben im Chor­be­reich ja auch eine gewis­se Pro­mi­nenz, da muss man ein­fach Zei­chen set­zen: Leu­te, kommt in den Chor, der Chor­ver­band ist nicht nur eine ver­staub­te Institution.
Jan: Und das ist ein­fach unse­re Sze­ne, in der wir uns bewe­gen, wir sind ja alle auch rich­ti­ge Chorgewächse.

Und ihr seid jetzt mit meh­re­ren Sät­zen in der Lite­ra­tur­aus­wahl des Chor­wett­be­wers vertreten.
Oli­ver: Das ist natür­lich toll und freut uns sehr, wenn unse­re Musik die­se Schät­zung erfährt. Das pas­siert inzwi­schen auch woan­ders: „Engel“ war sogar mal Bestand­teil des baye­ri­schen Abiturs, und „Gum­mi­baum“ wur­de in ein Schul­buch auf­ge­nom­men. Wir schrei­ben uns ja auf die Fah­ne, immer auch Volks­lie­der zu sin­gen und sozu­sa­gen der deut­schen Kul­tur Raum zu geben. Da passt es ganz gut, dass Arran­ge­ments wie „O Täler weit“ und „Die Gedan­ken sind frei“ in die Lis­te auf­ge­nom­men wurden.
Jan: Wir schau­en ja immer, was kann man noch machen, was haben ande­re noch nicht gemacht? Denn es ist immer schön, was Neu­es zu machen, weil es auch frisch hält. Und wir haben das Ziel, uns alle zwei Jah­re neu zu erfinden.

— Zuerst erschie­nen in Chor­zeit – Das Vokal­ma­ga­zin, Aus­ga­be März 2014.

So klingt übri­gens May­be­bop – zum Bei­spiel bei Oli­ver Gies’ Arran­ge­ment von „O Täler weit“:

Mehr oder Weniger: Neue Musik von Maybebop

Für den Som­mer­hit sind sie dann doch zu spät. Scha­de, denn „Im Moment ist alles rich­tig“ hät­te dafür Poten­zi­al gehabt. Auch sonst bleibt May­be­bop strikt auf Hit­kurs. „Weni­ger sind mehr“ haben die Nie­der­sach­sen ihr neu­es­tes Album beti­telt. Und das bezieht sich zum Glück nicht auf die Beset­zung: May­be­bop ist immer noch ein Quar­tett, wie schon seit gut 20 Jah­ren. Mit ihrer ers­ten CD bei War­ner sind sie jetzt noch ein biss­chen Main­stream-taug­li­cher gewor­den. Und auch etwas glat­ter: Das ist her­vor­ra­gend gemach­ter, Radio-taug­li­cher Pop, der sich mehr als frü­her an den Wise Guys orientiert.

Schon beim ers­ten Hören fällt auf: Das Essen treibt sie irgend­wie beson­ders um, beson­ders der Kon­sum von Fleisch – den sie nur halb im Spaß ger­ne durch Insek­ten erset­zen möch­ten. Aber gera­de die bemüht poli­ti­schen Tex­te sind eher die schwä­che­ren der CD – auch musi­ka­lisch glän­zen die­se Lie­der nicht beson­ders. Dafür gibt es woan­ders auf „Weni­ger sind mehr“ aber wie­der Ent­schä­di­gung: Neben dem mit­rei­ßen­den „Im Moment ist alles rich­tig“ ist der titel­ge­ben­de Song am Ende der CD noch ein­mal (zumin­dest musi­ka­lisch) ein ech­tes High­light. Am kunst­volls­ten ist aber das Arran­ge­ment von Schu­berts Erl­kö­nig – den erkennt man kaum wie­der. Was aber über­haupt nicht gegen die Bear­bei­tung von Oli­ver Gies spricht, im Gegen­teil: Auch wenn das kaum zum Main­stream-Pop des Rests passt, ist das doch gewitzt und inten­siv in sei­ner Emotionalität.

Ande­res ist weni­ger über­zeu­gend. „Nimm mich mit“ etwa kann vor Kraft nicht mehr lau­fen: Weil kei­ner der vier weiß, wohin mit der (aller­dings auch tech­nisch kräf­tig auf­ge­päp­pel­ten) Stimm­kraft, hängt das alles im Gum­mi­klang. Lei­der sind die vier Sän­ger sowie­so alles ande­re als zurück­hal­tend mit der Stu­dio­klang­elek­tro­nik – dadurch ver­liert der May­be­bop-Klang eini­ges von sei­nem Charme. Ande­rer­seits bekom­men Songs wie „Was ist mit der Lie­be“ so ordent­lich Druck, den das Quar­tett geschickt und aus­ge­spro­chen klang­spie­le­risch nutzt. Gekonnt auf­ge­grif­fe­ne Kli­schees und spie­le­risch-sub­ver­si­ve Refe­ren­zen an die Roman­ze machen auch den „Lie­bes­brief“ zu einem ech­ten Klein­od: Ein herr­li­ches Bass-Solo mit Hin­ter­grund-Gesäu­sel aus den drei Samt­keh­len der rest­li­chen May­be­b­op­per. Viel­falt bleibt also May­be­bop-Pro­gramm, auch auf „Weni­ger sind mehr“. 

(geschrie­ben für die Neue Chorzeit.)

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