Zum Schluss steht das sin­gen­de Publi­kum. Und das ist kein gewöhn­li­cher Anblick für ein Sin­fo­nie­kon­zert. Aber auf der Büh­ne sieht es auch nicht ganz nor­mal aus: Die Brat­schen zum Bei­spiel kom­men direkt aus dem Kran­ken­haus. Man­che hän­gen noch am Tropf, ande­re sit­zen im Roll­stuhl, haben Ban­da­gen nicht nur um die Köp­fe, son­dern auch um die Instru­men­te, ver­brau­chen Bin­den und Papier­ta­schen­tü­cher im Minu­ten­takt. Auch sonst ist das Phil­har­mo­ni­sche Staats­or­ches­ter ein wil­der Hau­fen – zumin­dest dem Aus­se­hen nach.

Denn klang­lich hat Chef­di­ri­gent Her­mann Bäu­mer sein Orches­ter fest im Griff. Sogar als stil­echt über die Büh­ne trip­peln­de Gei­sha, die ihren Diri­gen­ten­stab aus dem kunst­voll Haar­kno­ten zau­bert. Und bei jedem Auf­tritt bei­na­he an der Stu­fe auf das Diri­gen­ten­po­dest schei­tert.
Dabei hat­te alles so gesit­tet ange­fan­gen, fast wie ein ganz nor­ma­les Sin­fo­nie­kon­zert des Staats­thea­ter. Frei­lich, die bun­te Gar­de­ro­be der Zuhö­rer war ein ers­ter Hin­weis. Und das Publi­kum war von Beginn an nicht in Abend­gar­de­ro­be, son­dern in Fei­er­lau­ne. Auch das Pro­gramm ver­band mit Jac­ques Offen­bach, Hec­tor Ber­li­oz, Leo­nard Bern­stein und Hen­ry Wood Kom­po­nis­ten, die sonst nicht unbe­dingt zusam­men erklin­gen. Aber wenn man zei­gen will, dass Mainz wirk­lich am Meer liegt, wie der Titel vor­schlägt, muss man sich eben ein biss­chen anstren­gen. Und das tat das Orches­ter auch. Mit groß­zü­gi­gen Ges­ten, viel Effekt – aber durch­aus mit Sub­stanz und Fein­ge­fühl.

Kein Wun­der, das ist ja auch kein nor­ma­les Kon­zert, son­dern die Sym­pho­nie Fast­nach­tique. Sonst wäre Lars Reichow als Con­fe­ren­cier auch ziem­lich fehl am Platz. Erzählt und erhei­tert wie gewohnt, lässt die Musi­ker durch­at­men und das Publi­kum mit sei­nen Wit­zen und klei­nen Geschich­ten durch­la­chen. Und manch­mal gelingt ihm sogar eine pass­ge­naue Über­lei­tung zur nächs­ten Musik. Aber rich­tig locker wur­de das erst nach der Pau­se: Mit der tra­di­tio­nel­len Kon­zert­klei­dung haben die Musi­ker offen­bar auch die Zurück­hal­tung abge­legt. Die Num­mern aus Paul Abra­hams Ope­ret­te „Die Blu­me von Hawaii“ zeig­ten, dass das Main­zer Orches­ter auch erst­klas­si­ge Unter­hal­tungs­mu­sik bie­ten kann: Swin­gend, mar­schie­rend und tän­ze­risch, unter­stützt vom fröh­li­chen Thea­ter­chor und einem sou­ve­rä­nen Solis­ten­quin­tett – die ein­zi­gen übri­gens, die dem Frack treu blie­ben. Aber auch sie konn­te die Füße nicht immer still­hal­ten. Und Tanz­mu­sik ist das ja auch, irgend­wie: Schon Bern­steins Tän­ze aus „On the Town“ oder die aus der „Last Night of the Proms“ bekann­te Fan­ta­sia on Bri­tish Sea Songs von Hen­ry Wood. Der dazu­ge­hö­ri­ge Uni­on Jack wur­de dann aller­dings dann auf der Büh­ne geschwun­gen – und sofort mit Fast­nachts­far­ben und 05er-Flag­gen neu­tra­li­siert. Vor allem aber eben die Songs aus der Blu­me von Hawaii brin­gen Hän­de und Füße zum Zucken.

Groß­ar­tig wird es dann noch ein­mal bei der Zuga­be. Und so rich­tig fast­nacht­lich, mit Klat­schen, Schun­keln und dazu­ge­hö­ri­gem Mit­sin­gen. Da ver­zeiht man den Solis­ten auch, dass sie dafür noch Spick­zet­tel brau­chen – schließ­lich kom­men ja eini­ge aus Wies­ba­den.

(geschrie­ben für die Main­zer Rhein-Zei­tung.)