Die dun­klen Wolken über Mainz ver­hießen nichts Gutes. Die düstere Schauergeschichte von Ben­jamin Brit­tens „Lachry­mae“ passte per­fekt zum dro­hen­den Wet­ter. Im Gegen­satz zu den Gewit­ter­vor­boten ver­heißt ein Antrittskonz­ert an der Musikhochschule allerd­ings hochkarätige Musik. Die Bratschistin Clau­dia Buss­ian war keine Ent­täuschung und zeigte sich der Pro­fes­sorenehre würdig. Schon der Auf­takt zeigten sie als ver­sierte und konzen­tri­erte Inter­pretin, die nichts über­stürzt und eine sehr schnörkel­lose Schön­heit bevorzugt.

Die Bratsch­er haben freilich ein Prob­lem: Eigentlich begin­nen erst die Kom­pon­is­ten des 19. und 20. Jahrhun­derts, ihr Instru­ment über­haupt für ein Solo wert zu eracht­en. Ander­er­seits muss das gar kein Prob­lem sein: Sie nehmen sich ein­fach Cel­lo-Lit­er­atur vor. Zum Beispiel Bachs Cel­lo-Suit­en. Buss­ian machte sich die C‑Dur-Suite ganz zu eigen. Auch wenn sie dabei sehr unbeteiligt schien — die Musik sprach eine andere Sprache. Man musste allerd­ings genau und aufmerk­sam hin­hören. Denn sie trug nicht dick auf, ihre Kun­st liegt im Detail, in der sorgsam aus­gear­beit­en Dynamik, den geschmack­vollen Tem­pi, dem effek­t­sicheren Tim­ing und dem sicheren Gespür für dra­matur­gis­che Effek­te. Und nicht zu vergessen, die Noblesse ihres geschmei­di­gen Tones. Das Poten­zial der Musik wird damit voll aus­geschöpft, aber nie über­reizt. Das ist ein schmaler Grat, den bei Bach viele ver­fehlen. Buss­ian wan­delt fest und unbeir­rbar, auch vom ein­drin­gen­den Lärm der Fußball­fans unbeein­druckt, mit fes­tem Schritt und das Ziel immer im Auge auf dem engen Pfad. Wer so bewusst und klar artikuliert spielt, mei­det natür­lich jedes Extrem: Wed­er über­mäßige Emphase oder Pathos noch leicht­fer­tiges Geplänkel haben hier eine Chance. Kun­st wird als Kun­st unendlich ernst genom­men – nur ein klitzek­leines Lächeln meint man in der finalen Gigue doch zu hören.

Nach soviel Ernst wirk­te Rebec­ca Clarkes Sonate für Vio­la und Klavier fast heit­er. Bus­sians Kol­lege Burkhard Scha­ef­fer am Klavier hält sich – wieder ein­mal – vornehm zurück in diesem Strudel von Gefühlen und Far­ben, bietet aber stil­sichere Begleitung, die der Bratschistin die weit aus­holende Ent­fal­tung ihrer klan­glichen Überzeu­gungskraft über­haupt erst ermöglicht.

(geschrieben für die mainz­er rhein-zeitung.)