Sie spie­len wie die Teufel, jagen das Griff­brett hoch und hin­unter, lassen die Schlegel auf den Zym­bal­sait­en Salti schla­gen. Die Solis­ten der Roma-und-Sin­ti-Phil­har­moniker hal­ten mit ihrem Kön­nen nicht hin­term Berg, son­dern zeigen die Schön­heit „ihrer“ Musik, die Klänge der Sin­ti und Roma, mit Selb­st­be­wusstein und Eifer.

Dabei ist diese schöne Trauer ja immer wider­sprüch­lich: Darf etwas schreck­lich­es, gar die Opfer des Nation­al­sozial­is­mus, als Anlass für ein­fach schöne Musik dienen? Mit etwas Abstand kann man das gelassen­er sehen. Entspan­nt – zumin­d­est in dieser Hin­sicht – geben sich auch die Roma-und-Sin­ti-Phil­har­moniker beim Konz­ert zum Gedenken an die Opfer des Nation­al­sozial­imus in St. Boni­faz. Am Vor­abend des Holo­caust-Gedenk­tages konz­ertierten das ver­gle­ich­sweise junge Ensem­ble, dessen Instru­men­tal­is­ten im Haupt­beruf als Orch­ester­musik in ganz Europa arbeit­en, zum ersten Mal in Rhein­land-Pfalz. Da spie­len sie zwar auch feurige Tänze spie­len – ein solch­es Konz­ert ohne min­desten einen Csárdás ist ja kaum denkbar. Aber sie spie­len auch noch mehr. Zum Beispiel „Falling Dance“, eine ein­fühlsame, episo­den­hafte Arbeit des Budapester Kom­pon­is­ten Kálmán Csé­ki, das die Stre­ich­er der Roma-und-Sin­ti-Phil­har­moniker unter ihrem Diri­gen­ten Ric­car­do M Sahi­ti in weit­en Bögen ent­fal­tet und mit kraftvollem Klang zum ver­söhn­lichen Schluss führt. Oder auch Puc­cinins Crisan­te­mi und Cipri­an Porumbes­cu Bal­lade für Solovi­o­line und Stre­ich­er, bei­des in gewiss­er Weise orches­trale Klagelieder. Weich und wehmütig, mit Ele­ganz und emphatis­chem Schwin­gen lassen dieser Musik viel Raum, sich frei zu ent­fal­ten.

Dann aber ging es doch noch ziem­lich rund in St. Boni­faz. Dabei waren es nun nur noch drei Musik­er, die dem Pub­likum recht unver­mutet zuck­ende Beine bescherten: Der Geiger Mar­ius Ban­i­ca und der Bassist Zoly Kekenej mit Cos­tel Ursulet am Zym­bal. Und vor allem der ließ seine Schlegel fliegen, dass man ihnen kaum noch fol­gen kon­nte. Mit tra­di­tioneller Roma-Musik, viel Chro­matik, fet­zi­gen Rhyth­men und vir­tu­osem Spiel macht­en sie aus dem sprö­den Raum von St. Boni­faz fast ein Tan­zlokal: Zwar hielt es das Pub­likum nicht mehr auf den Bänken – aber nur, um das Trio mit stand­ing ova­tions zu ehren.

An Beruhi­gung war danach dann kaum mehr zu denken. Béla Bartóks „Rumänis­che Volk­stänze“, wieder vom gesamten Orch­ester darge­boten, run­de­ten das Pro­gramm aber geschickt ab: Wieder tauchn typ­is­che Momente auf, in der Rhyth­mik und in der Melodik. Aber Bartók trans­formiert sie ohne Wenn und Aber in die Kun­st­musik. Und die Roma-und-Sin­ti-Phil­har­moniker spielte sie auch genau in dieser Mis­chung aus volk­stüm­lichen Weisen und kun­stvoller Bear­beitung. Ric­card M Sahi­ti ließ die sat­ten Klänge genau so wuchtig ertö­nen, wie sie sein sollen. Und blieb trotz­dem enorm auf Zack, so dass auch wirk­lich nichts von der Effek­tiv­ität der Tänze ver­loren geht. Kein Wun­der, dass das Pub­likum danach ohne Zugaben nicht nach Hause gehen mochte.

(geschrieben für die Mainz­er Rhein-Zeitung.)