- Nun ist es also wieder so weit: Der Mainzer Musiksommer ist eröffnet. Wie immer geschah das im Dom mit einem ganzen Bündel festlicher Musik. Dieses Jahr hatte sich der Domorganist Albert Schönberger dafür die Unterstützung des jungen Trompeters Thomas Hammes gesichert. Auch sonst war das ein Musiksommer-Beginn wie immer: Am Anfang des von SWR und der Stadt ausgerichteten Mainzer Sommfestivals der klassischen Musik stand wieder ein klassisches Albert-Schönberger-Konzert. Und das verheißt eine minutiös geplante Dramaturgie, ein weites Spektrum vielfältiger Musik und nicht zuletzt musikalische Könnerschaft.
- Das bedeutet unter anderem, dass er von der ersten bis zur letzten Minute voll dabei ist und in jedem Moment mit höchster Konzentration und Präzision die große Domorgel bedient. Schon die eröffnenden Ausschnitte aus der „Suite Gothique“ von Léon Boëllmann machen das klar. Denn Schönberger versagt sich hier – und nicht nur hier, sondern den ganzen Abend über – jede spektakuläre Geste. So kann er sogar solche Schmachtfetzen par excellence wie das pseudo-barocke „Celebre Adagio“, das immer noch gerne Tomaso Albinoni untergejubelt wird, doch noch und wieder zu echter Musik machen. Thomas Hammes hilft ihm mit seinem zarten, anschmiegsamen Ton und der vollkommenen Anpassungsbereitschaft an die Orgel und ihren Meister aber auch auf wunderbare, überzeugende Weise.
- Und so nimmt der Mainzer Musiksommer immer mehr an Fahrt auf und streift nach ausgiebigen Streifzügen im Barock mit dem Largo aus Dvoraks Neunter Sinfonie in einer Orgelbearbeitung auch die Neue Welt. Sicher, manchmal erscheint das fast zu vorsichtig und rücksichtsvoll, manchmal verlieren sich die beiden mit zuviel Lust am Detail scheinbar im kleinteiligen Programm. Aber das macht nichts. Denn zusammen ergibt das doch unbedingt einen atmosphärisch sehr dichten Abend. Und die wahren Höhepunkte hatten sie sich natürlich für den Schluss aufgehoben. Zwar spielten sie von Petr Ebens „Die Fenster“ leider nur den zweiten Satz, das „Grüne Fenster“. Und doch reichte das, um zu faszinieren. Hier war die Spannung am höchsten, hier erklang Musik, die nicht so leicht zu durchschauen ist. Schönberger konnte zusammen mit Hammes aber auch ganz ausgezeichnet die feinen Fäden und die geheimnisvolle Aura dieser tönenden Farbigkeit ziehen, ohne sich darin zu verheddern. Doch es wäre kein Schönberger-Konzert gewesen, wenn nicht mindest eine Improvisation dabei wäre: Die war dieses Mal recht knapp gehalten, vereinte in der finalen „Versöhnung“ mit reichhaltigen Anklängen an das ganze Programm Thomas Hammes und Albert Schönberger in ausgeglichener Übereinstimmung — ein unbedingt harmonischer Ausklang des Auftaktes.
so habe ich es für die mainzer rhein-zeitung geschrieben. aber eigentlich stimmt das nicht ganz. denn mein wesentliches problem mit der musizierweise schönbergers ist mir in diesem konzert wieder (es war ja nicht das erste mal, das mir klar wurde, das hier irgend etwas schief läuft) sehr klar geworden: er vergewaltigt jede musik. und zwar vornehmlich derart, dass er sie nicht ernst nimmt. so, wie er sie auswählt, programmiert und auch spielt, negiert er fast mit jeder note die autonomie, die eigengesetzlichkeit dieser kunstwerke. und das ist — in meinen augen — ein ziemlich heftiges verbrechen gegenüber den werken, der musik und der kunst überhaupt. schönberger tut dies natürlich nicht aus lauter mutwillen, sondern aufgrund seiner auffassung der musik — als irgendwie spirituelle hilfe zum verstehen des wesens gottes (oder so ähnlich, ich bin mir nie sicher, ob ich das typisch katholisch-spiritualistische gerede um das geheimnisvolle wesen gottes, das sich im den domkonzerten irgendwie (womit eigentlich?) erspüren lassen soll, richtig verstehe. aber das ist auch nciht so wichtig: entscheidend ist (für mich), dass ich den sehr starken eindruck habe, dass schönberger die autonomie der von ihm gespielten kompositionen negiert (aus eben diesem grund negieren muss!) — und das ist wohl der grund, warum ich mich bei dieser musik, trotz all ihrer kunstfertigkeit, nie wohlfühle: weil das meinen ästhetischen überzeugungen eben fundamental widerspricht.
Albert Schönberger
Hallo, Herr Mader. Eben stoße ich auf Ihre Seite. Zwar ein Zufallstreffer, aber ein Volltreffer.
Ich glaube Ihnen gerne, daß Sie ein Problem haben. Ich habe den ehrlichen Eindruck (ohne irgendwelche “anderen Töne” und ohne “negierte Töne”), daß Sie ein ganz großes Problem haben. Kommen Sie doch einmal an einem gewöhnlichen Tag zu mir in den Dom, an die Orgel und spielen Sie meinetwegen auch mal… Vielleicht hilft Ihnen “meine alte Dame”, die Domorgel, aus dem Dilemma. Ich wills gerne auch tun.
Ich übe in der kommenden Zeit täglich vormittags und nachmittags. Haben Sie keine Scheu. Und im übrigen grolle ich nicht oder so. Habe Ihre Zeilen mit Interesse gelesen. Will auch keine große Disussion führen, aber wenigstens mal Ihnen die Begegnung mit der Domorgel direkt ermöglichen. Sie dürfen gerne auch mal alleine musizieren. Es ist mir eine echte Sorge für Sie.
Machen Sie’s gut und seien Sie vielmals gegrüßt, Albert Schönberger