Kann man einen Roman als Palindrom schreiben? Oder ein Palindrom als Roman schreiben und lesen? Titus Meyer versucht es zumindest. Andere DNA heißt das Ergebnis (natürlich selbst eines der vielen Palindrome in diesem Palindrom), das – wie schon sein Band mit Palindrom-Gedichten – bei Reinecke & Voß erschienen ist. Ich habe jetzt nicht kontrolliert, ob das wirklich ein Palindrom ist. 56 Seiten sind zwar für einen Roman erst einmal nicht viel Text, aber sehr, sehr, sehr viel, um ein Palindrom zu überblicken. Ich vertraue da also mal Autor und Verlag …
Gegliedert ist Andere DNA als lose Folge von kurzen Abschnitten (meist 1–2 Seiten, manchmal auch mehr) mit so schönen Titeln wie „Sinnetennis“, „Banale Magd“ oder „Einsiedelei“, aber auch eher generisch („Tod“, „Zeit“, „Moral“ zum Beispiel). Hier gibt es tatsächlich so etwas wie thematische Zusammenhänge der wilden syntaktischen Konstruktionen Meyers. Als ganzes konnte ich dem Buch aber weder einen kohärenten Inhalt noch ein wirkliches Thema entnehmen. Darum geht es wohl auch gar nicht. Denn mit Erzählen hat das hier natürlich nichts zu tun. Es ist ja schon die Frage, ob man so etwas überhaupt Schreiben nennen kann. Und wer schreibt dann hier? Der Autor oder die Regel?
Aber wahrnehmen lässt sich trotzdem etwas. Die Sprache selbst, aber auch die bereits erwähnten Sinnzusammenhänge oder Sinnkonstrukte, die lassen sich also beobachten. Aber meist nur granular: Ein paar Sätze, viel mehr sind das selten („Einsiedelei“ ist so ein Fall, wo das auch mal über längere Strecke gelingt) – dann stolpert der Text wieder, der Sinn löst sich in alle Richtungen auf. Ich konnte das nur in kleineren Dosen lesen, nach ein paar wenigen Sätzen schon fängt der Kopf an zu schwirren.
Es gibt dabei durchaus schöne Stellen, wo auf einmal neue, gewagte, schöne Formulierungen aufblitzen. Auf irgendwelche Zusammenhänge darf man aber wirklich nicht zu sehr hoffen. Vor allem aber stellte sich mir immer wieder die Frage: Kann man das lesen? Und: Wie liest man so etwas eigentlich? Klassisches hermeneutisches Lesen funktioniert jedenfalls überhaupt nicht, das wird ganz schnell klar. Ich habe mich dann oft beim Lesen quasi selbst beobachtet und gemerkt, wie man aus kleinsten Hinweisen Zusammenhänge, ja sogar „Geschichten“ konstruieren will. Bis man – oder eben der Text – sich wieder bremst und sich irgendwann einfach der Sprache ausliefert, auch wenn das trocken und wüst scheint.
Und natürlich hat Andere DNA auch Momente einer Leistungsschau nach dem Motto: Seht her, auch das kann „Sprache“, das kann Literatur (und so etwas vertracktes bekomme ich als Autor hin …): Die Technologizität der Sprache pur sozusagen als literarischen Text verkörpern und aufzeigen. Ob das aber mehr ist? Ich bin mir nicht so sicher. Etwas anderes ist es auf jeden Fall. Und dann schwingt natürlich auch noch ein gewisses kompetitives Moment – ein so langes Palindrom gab es noch nie! – immer etwas mit. Insgesamt aber habe ich das dann doch eher als proof of concept denn als mögliche (Weiter)Entwicklung einer zeitgemäßen, zeitgenössischen Literatur gelesen. Aber vielleicht habe ich dabei auch zu sehr von der Oberfläche ablenken lassen, wer weiß …
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