bachs “chromatische fantasie und fuge” in verschiedenen versionen beim studiokonzert in st. johannis
freiheit und strenge, chromatik und polyphonie, intimität und konzertstück — das sind so ungefähr die polaritäten der chromatischen fantasie und fuge von johann sebastian bach. daürber hinaus ist aber kaum etwas bekannt nicht einmal, wann das stück komponiert wurde. und auch über den anlass kann man nur spekulieren, möglicherweise war es eine reaktion auf den tod seiner ersten frau.
aber genau das wollen volker ellenberger und diez eichler bei ihrem ersten studiokonzert in der johanniskirche gerade nicht. sie verlassen sich vielmehr auf die klangrede der musik und ihre unerschöpfliche vielfalt. dazu stellen sie die chromatische fantasie gleich drei mal vor in ganz und gar unterschiedlichen darbietungen auf drei völlig verschiedenen instrumenten, dem clavichord, dem cembalo und der orgel. drei total verschiedene stücke sind das jetzt auf einmal:. zu beginn spielte eichler eine frühe fassung der fantasie auf dem clavichord. das ist ein ganz kleines und zartes instrument, das bach für das häusliche musizieren sehr schätze. und so klingt die fantasie dann auch: als innige träumerei, weich schwebende klänge lösen immer wieder verspielte figurationen ab so stellt man sich gerne eine einsame stunde des meisters, eine musikalische privatunterhaltung im arbeitszimmer, vor. und die kann man mit fug und recht schon als vorläufer des sturm und drang sehen, vor allem wenn man sie so feinsinnig und gefühlvoll nuanciert spielt wie diez eichler.
dagegen knallt das cembalo, das eichler für die allgemein als endgültige fassung der fantasie und der fuge nutze, richtig kräftig in den raum. jede intimität geht hier verloren, statt dessen entwickeln sich forsche, fast offensive spielweisen mit starkem hang zur prononcierten dramatik. so richtig verzwickt wurde es aber erst zum schluss: der hausherr volker ellenberger hat sich noch max regers bearbeitung für orgel angenommen. aber das muss er selbst noch ein zweites mal adaptieren eigentlich ist die orgel der johanniskirche für so etwas nämlich nicht geeignet, da fehlen die typisch romantische differenzierungsmöglichkeiten einfach. ellenberger hat das aber dennoch ganz gut im griff, mit einigen tricks entwickelt er eine imposante, deutlich als große kunst markierte fantasie, deren fuge dann nichts mehr von persönlichen gedanken oder eigenen gefühlen enthält: das ist reine satzkunst, die reger hier aus der bachschen vorlage herauskitzelt.
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