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Gedenken und Helden

Ich kon­nte eben meinen Augen ja kaum trauen: Das hr-fernse­hen hat seine neue “Tatort”-Kommissarin nach ein­er von den Nation­al­sozial­is­ten deportierten und ermorde­ten jüdis­chen Deutschen benan­nt. Der einzige Grund dafür: Die Schaus­pielerin Mar­gari­ta Broich — in Berlin lebend — hat den Namen auf einem “Stolper­stein” vor ihrer Haustür gele­sen und find­et, die Benen­nung ein­er fik­tiv­en (und wie ich den “Tatort” kenne, regelmäßig deutsche Geset­ze brechen­den) Fig­ur sei eine tolle Erin­nerung und Ehrung für diese Frau.

Selt­sam daran ist: Was hat die Frank­furter Kom­mis­sarin mit ein­er Berliner­in zu tun? Wieso soll das eine angemessene Form der Erin­nerung sein? Ganz schlimm wird es, wenn die Redak­teurin des Hes­sis­chen Rund­funks, Liane Jessen, die Idee vertei­di­gen will. Gegenüber dem “Tagesspiegel” — dem ich diesen Vor­gang ent­nahm — argu­men­tiert sie:

Ich wäre glück­lich in meinem Grab, wenn auf diese Art und Weise an mich erin­nert wer­den würde

Selb­st wenn dem so wäre — üblicher­weise ist man in einem Grab ja nicht mehr unbe­d­ingt solch­er Gefüh­le fähig -: Wieso geht sie ein­fach davon aus, dass das auch für andere Per­so­n­en und gar noch Per­so­n­en der Ver­gan­gen­heit gel­ten soll?
Aber sie kann die Absur­dität noch steigern. Sie sagte näm­lich außer­dem noch:

‚Tatort‘-Kommissare sind schließlich die mod­er­nen Helden unser­er Zeit, und wir lassen Sel­ma Jaco­bi als Heldin wieder­aufer­ste­hen.

Jet­zt wird es vol­lkom­men ver­quer: Seit wann sind “Tatort”-Kommissare (hier han­delt es sich übri­gens um eine Kom­mis­sarin, aber das macht ja nichts …) “mod­erne Helden”? Und wieso lassen sie beim Hes­sis­chen Rund­funk eine Ver­fol­gte als Heldin wieder­aufer­ste­hen? Wie darf man sich das vorstellen — hat die Kom­mis­sarin dann Erin­nerun­gen an ihr früheres Leben, in dem sie deportiert und ermordet wurde?

Auch die Behaup­tung Jessens

Das kann doch nur im Sinne des Opfers sein, das sich­er nicht vergessen wer­den will.

würde ich so nicht ste­hen lassen: Vielle­icht will sie das ja ger­ade? Wer weiß das denn? Und ist es nicht eine unge­heure Anmaßung, für eine ver­stor­bene Per­son so zu sprechen? Sie hat sich ihr Schick­sal, dessen­we­gen sie hier erin­nert wer­den soll, ja nicht aus­ge­sucht.

In der Summe also: Zwei Men­schen maßen sich an, wie sich eine Per­son der Geschichte zu fühlen hat und was sie freuen soll. Ganz zu schweigen von der Ober­fläch­lichkeit und Pietät­losigkeit, die hin­ter diesem “Gedenken” und der Verknüp­fung von Opfer und ange­blichen Helden ste­ht.

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  1. matthias mader (@matthias_mader)

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