auch wenn klabund der verfasser der jetzt als nachdruck der zweiten auflage von 1921 beim textem-verlag erschienen deutschen literaturgeschichte in einer stunde. von den ältesten zeiten bis zur gegenwart ist — die autorität des schriftstellers reicht in diesem falle nicht aus, über die mängel solcher unternehmen hinwegzutäuschen. das sind natürlich zuforderst ganz prinzipielle — eine solche “literaturgeschichte” kann weder literatur noch geschichte sein, sie ist bloß eine knappe versammlung der höhenkammliteratur, eine aufzählung des kanons. auch wenn klabund sein ziel noch anders verfehlt — in einer stunde wird der text kaum zu schaffen sein, ich brauchte fast drei dafür (und habe nicht sehr getrödelt). auffallend an klabunds unternehmung sind eher die immer wieder eingestreuten unbekannten namen — z.b. johann christian günther, zu dem ihm einfällt: “wie ein sturmwind braust [er], der götterbote einer neuen zeit, in die deutsche dichtung.” (35) anlässlich eines anderen unbekannten schwingt er sich zu wahren großtaten auf: salomon “geßner war einmal eine europäische berühmtheit. es wird nicht besser werden in der welt, ehe es geßner nicht wieder ist. wir werden erst dann ewigen frieden haben, wenn arkadische dichter wie er wahrhaft populär geworden sind.” (41)
und damit sind wir ja auch schon beim eigentlichen problem: klabund ist ein bekennender und gnadenloser emphatiker, um eine kürzlich aufgebrachte unterscheidung hier anzuwenden. als autor hat er natürlich jedes recht, ein solcher zu sein — als literarhistoriker meines erachtens aber überhaupt keines. und es ist natürlich sehr passend, dass ausgerechnet volker weidermann, an dessen “lichtjahre” sich die von hubert winkels (zeit vom 30.3.) eingeführte unterscheidung der literaturkritiker zwischen emphatikern und gnostikern überhaupt entzündete, das vorwort zu diesem nachdruck beisteuert: eine rückvergewisserung des eigenen unternehmens — seht her, auch der große klabund war (wie ich) ein emphatiker! und die “lichtjahre” sind dann auf einmal so etwas wie eine fortsetzung von klabunds werk, der ja zu beginn des 20. jahrhunderts aufhört zu lesen und sich zu begeistern (und schon ab der zweiten hälfte des 19. jahrhunderts gehörig ins schwimmen gerät und kaum noch sortiert bzw. zwischen gut und schlecht unterscheidet und deshalb notgedrungen auch nichts mehr wirklich beschreibt, sondern alles nur noch gehetzt anreißen kann).
als solcher präsentiert klabund naturgemäß einen vollkommen subjektiven blick auf die geschichte der deutschen literatur und tut doch gleichzeitig so, als sei dies eine richtige literaturgeschichte. dazu passend ist sein ansatz viel zu sehr personal geprägt, um wirklich zu relevanten einschätzungen zu kommen — personal insofern, als er bedeutung zunächst an seiner eigenen leseerfahrung misst und personal auch insofern, als er literaturgeschichte als geschichte von autorenpersonen schreibt (die fast durchweg männlich sind, natürlich). das ergibt ein ziemliches misch-masch, geprägt von einer fast ausschließlich identifikatorischen lektüre. epochen, geistige verbindungslinien, traditionen etc. kommen bei ihm allenfalls am rande vor. und solch ein ansatz führt naturgemäß zu einigen gerechten, aber auch zu einigen ungerechten urteilen und fehlern (z.b. das hier: “friedrich schiller ist der dichter der jugend” (53) — dazu muss man schon einiges aus dem werk schillers ausblenden) — immerhin unternimmt klabund nicht noch den versuch, das zu verbergen: die (selbst-)sicherheit des urteilens hat schon fast etwas großartiges. als zeitdokument und in seiner ausgrabung gerade zu diesem zeitpunkt heute, wo sich immer mehr literaturkritiker als emphatiker genügen und darauf auch noch stolz sind (was natürlich in der tradition des großen grauenhaften anti-kritikers reich-ranicki steht), ist das immerhin eine ergötzliche lektüre — für historische wahrheit und gerechtigkeit ist klabund hier halt nicht zuständig.
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