die alljährliche sommerloch-reportage erwischt heute die orgelanlage im mainzer dom. in der rhein-zeitung noch mit schönen fotos garniert.
die königin ist überall zugleich und tritt in vielerlei verkleidung hervor. sie wispert einmal zart aus dem westchor, braust unmittelbar darauft mit der ganzen kraft ihrer mechanischen lungen über das chorgestühl. und vom ostchor kommt verhalten das sanft tönende echo zurück: das ist die orgel im mainzer dom.
sie kann selbst im sonnigsten hochsommer den advent herauf beschwören und weihnachen in unmittelbare nähe rücken. denn mit ihrem unerschöpflichen reichtum an klangfarben und fein abgestuften lautstärken lässt sie dem organisten freie hand: sie lässt ihn melancholische trauer andeuten, in überschäumender freude jubeln oder mit sanfter eindringlichkeit zur einkehr mahnen. denn seit dem letzten großen umbau von 1965 ist die mainzer domorgel ein instrument, das es so nur einmal in deutschland gibt. eigentlich besteht sie aus gleich vier orgeln: da ist die hinter dem chorgestühl versteckte orgel im westchor und eine komplette orgel auf der anderen seite des doms, im ostchor. dazu kommt das instrument an der nordwand des querhauses und natürlich das zentrum, die pfeifen auf der südempore. dort steht auch der spieltisch, von dem der domorganist albert schönberger die fast 8000 pfeifen der 114 register beherrst. denn wenn die orgel die königin der instrumente ist, dann müsste schönberger der könig der musik im mainzer dom sein. aber dafür ist er freilich viel zu bescheiden und zurückhaltend: ihn interessieren nur die möglichkeiten, die das zusammenspiel von raum und klang für die musik bergen. auf die einmalige anlage der mainzer domorgeln ist er aber schon ein wenig stolz. schließlich steht hier der größte spieltisch deutschlands: eine komplizierte steuerzentrale, die so manchem flugzeug zur ehre gereichen würde. nicht nur sechs tastaturen und die pedale, die unzähligen schalter und steuerungen für die einzelnen register, zur farbwahl, auch telefon, lautsprecher, mikrofon und videokamera samt bildschirm hat der organist an seinem arbeitsplatz oben auf der südlichen chorempore.
die im ganzen raum verteilten einzelteile der großen orgeln machen dem organisten das leben und vor allem das spielen allerdingst nicht gerade leicht. die mainzer orgel gehört selbst für den domorganisten albert schönberger zu den am schwersten zu bespielenden orgeln überhaupt. aber sie hat für ihn auch einen unschätzbaren vorteil: sie bringt den raum zum schwingen kaum eine kirche ist so von klang erfüllt wie der mainzer dom, schwärmt er. dafür nimmt er dann nicht nur den steilen aufstieg über die enge wendeltreppe auf die südempore gerne in kauf, sondern auch den umstand, dass er immer wieder auf den heiligen geist warten muss, mit strom und luft. bis der ton, den sein fingerdruck auf die taste erzeugt, ihm überhaupt zu ohren kommt, dauert es nämlich stets einige sekunden der teil der orgel im ostchor ist weit entfernt. aber schönberger würde diese besonderen spirituellen möglichkeiten nie aufgeben wollen: der raum veredelt die musik nach seiner art. die impulse muss man als organist natürlich aufnehmen und dafür ist schönberger ja auch genau der richtige, nämlich ein raffinierter und gewandter improvisator. freilich, bei der darstellung von orgelwerken mit besonders kunstvoll verschlungenen stimmen bekommt allerdings auch er probleme: der lange nachhall lässt hier vieles einfach verschwinden. doch für solche musik hat schönberger inzwischen noch eine extra-orgel, die in der gotthard-kapelle steht. ein neubau, in klassischer tradition gefertigt, bestens geeignet für polyphone orgelwerke vom barock bis in die romantik.
das allerneueste element in diesem tönenden organismus sind aber die kardinalstrompeten, die zum zwanzigjähren jubliäum von bischof lehmann 2003 in die wächterstube eingebaut wurden. und sie sind mit sicherheit der spektakulärste teil: ferngesteuert schaltet sich das licht in der wächterstube ein, die fenster zum dom öffnen sich automatisch und die auf einen schlitten montieren trompetenpfeifen fahren in den dom hinein und schmettern dann so richtig los.
so eine gewaltige anlage braucht auch eine menge pflege. vor allem, wenn sie in die jahre gekommen ist. die hauptteile der orgel sind mittlerweile über 40 jahre in betrieb und deshalb sehr störanfällig: die elektrischen kontakte, die leitungen das ist damals alles sehr billig und einfach gebaut worden. und heute haben wir unheimliche probleme damit, erzählt schönberger. der orgelbauer ernst-michael breitmann ist immer wieder im einsatz, um defekte teile auszutauschen und überhaupt die spielbarkeit der domorgeln zu sichern. doch abgesehen davon zeigt sich schönberger immer noch sehr zufrieden mit seinem instrument. auch bei der sanierung des dominnenraumes in den nächsten jahren wird es wohl keine grundlegenden änderungen geben. hier und da lässt sich noch etwas optimieren, damit die gemeinde von der orgel besser angesprochen werden kann. die orgel spielt nämlich überall hin, nur nicht dort, wo die gemeinde versammelt ist, gesteht er ein. aber an der besonderen verteilung der orgeln über den domraum möchte er aber unbedingt festhalten.
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