Lesen. Hören. Und ein bisschen schreiben.

Schlagwort: literaturgeschichte

Ins Netz gegangen (15.6.)

Ins Netz gegan­gen am 15.6.:

  • Uni­ver­sität Mainz: Wirbel um Habil­i­ta­tion eines The­olo­gen — FAZ
  • Lyrik: Dichter, traut euch ins Zen­trum! | ZEIT ONLINE — so ganz ver­ste­he ich nora bossongs posi­tion hier nicht, mir ist da zu viel sic et non drin … irgend­wie geht es also darum, dass lyrik sich mit ihrer außen­seit­er­rolle nicht allzusehr zufrieden geben sollte, aber auch nicht allzusehr auf poli­tis­che, ästhetis­ch­er oder wie auch immer massen­wirkung um jeden preis abzie­len soll …

    Denn sosehr die Mar­gin­al­isierung von Lyrik zu miss­bil­li­gen ist, so genießt Lit­er­atur jen­seits von Verkaufs­druck immer auch den Vorteil größer­er ästhetis­ch­er Frei­heit.
    […] Denn wie soll sprach­lich auf “extrem poli­tis­che Zeit­en” reagiert wer­den, wenn beim Rezip­i­en­ten der Umgang mit Sprache durch Beschle­u­ni­gung, Infor­ma­tions­flut und Aufmerk­samkeit­sheis­cherei kon­tinuier­lich ver­flacht? Dass sich Lyrik, ob kon­ven­tionell oder exper­i­mentell, dieser Entsen­si­bil­isierung wider­set­zt, zeigt auch ihre poli­tis­che Dimen­sion. Nur wie weit ist es her mit dem kri­tis­chen Poten­zial von Sprachirri­ta­tion, wenn sie kaum jeman­den mehr erre­icht? Was ist eine Avant­garde, die zwar noch als ästhetis­che Vorhut neues Ter­rain erkun­det, doch keine Truppe mehr hin­ter sich hat?

  • Geschichte im Fernse­hen: His­to­ry sells — Medi­en — Süddeutsche.de — ger­hard matzig und karo­line beisel nehmen den trend zum his­to­rien-tv (“rück­wärts­fernse­hen” nen­nen sie es) zum anlass ein­er kleinen, bit­teren gesellschafts­di­ag­nose:

    Den­noch ist es bit­ter, dass genau dann, wenn die Prob­leme der Gegen­wart am größten sind, wenn die Fliehkräfte der Glob­al­isierung wirken und wir als Erben des fos­silen Wahnsinns vor einem Abgrund ste­hen, wenn Elend, Hunger, Krieg und Not auf der hal­ben Welt regieren, dass wir genau dann, wenn wir nach vorne schauen müssten, um Lösun­gen zu find­en, die lei­der nicht im Bie­der­meier­rah­men des Kupfer­stichk­abi­netts ruhen, uns so sehr mit dem ständi­gen Zurückschauen aufhal­ten. Fernbe­di­enungs­be­quem. Und über­haupt der Welt und der Gegen­wart recht fern.

    dass sie allerd­ings etwas sin­n­frei von “kon­trafak­tis­ch­er Geschicht­s­the­o­rie” sprechen, lässt mich sehr an ihrer bil­dung und befähi­gung zur gesellschafts­di­ag­nose zweifeln ;-)

  • Auf der Suche nach vergesse­nen Lit­er­aturk­las­sik­ern — katha­ri­na teutsch berichtet über das eu-pro­jekt “schwob”, das ver­sucht (wenn ich das richtig ver­ste­he …), vergessene oder unbekan­nte wichtige werke der nation­al­lit­er­a­turen (wieder) ins bewusst­sein zu rufen. teutsch spricht dum­mer­weise von “klas­sik­ern”, ohne offen­bar zu wis­sen, was das ist — denn eigentlich sind schon “vergessene Klas­sik­er” schwierig (wenn sie vergessen sind, sind die entsprechen­den texte ja wohl ger­ade keine klas­sik­er — zumin­d­est nicht mehr, sie waren es höch­stens mal), die rede von “gän­zlich unentdeckte[n] Klassiker[n]” ist aber nicht mehr nur alber, son­dern ein­fach abso­lut unsin­nig …
  • CD-Cov­er-Kri­tik: Hel­mut Lachen­manns Gefüh­le | Auf dem Sperrsitz — wenn musikkri­tik­er sich lang­weilen oder ihnen vom dauer­hören die ohren bluten, wen­den sie sich den cov­ern zu …
  • Lit­er­arisches Quar­tett: “Die Leute kriegen jet­zt erst mal mich” | ZEIT ONLINE — iris radisch hat mit volk­er wei­der­mann gesprochen, der (aus­gerech­net der!) im herb­st das lit­er­arische quar­tett im zdf wieder­beleben soll. das gespräch macht mir wenig hoff­nung, dass das eine lit­er­aturkri­tisch rel­e­vante ver­anstal­tung wer­den kön­nte. aber mal sehen, vielle­icht über­raschen sie mich ja …
  • Frank­furter Antholo­gie: Johann Wolf­gang Goethe: „Todeslied eines Gefan­genen“ — FAZ — math­ias may­er stellt ind er frank­furter antholo­gie ein ziem­lich unbekan­ntes goethe-gedicht vor: Dieses Gedicht hat Goethe nur ein­mal druck­en lassen. Dass er sich hier mit Tod und Kan­ni­bal­is­mus beschäftigt, ist untyp­isch für ihn. So kann man den Dichter in sein­er ganzen Frei­heit bestaunen.
  • Nach Hack­eran­griff: Raus aus der dig­i­tal­en Hil­flosigkeit — FAZ — frank rieger hofft und wün­scht, was sich nun hin­sichtlich des umgangs mit dig­i­tal­en net­zen, soft­ware und sicher­heit ändern kön­nte (oder wohl eher sollte, wirk­lich opti­mistisch bin ich da nicht …)

    Wirk­lich wirk­sam wären stattdessen hohe Investi­tio­nen in langfristige, effek­tive Abwehrkonzepte. Der Kern des Prob­lems ist und bleibt die schlechte Qual­ität der Soft­ware, auf der unsere dig­i­tale Welt beruht, und der Man­gel an qual­i­fiziertem Per­son­al, um Sys­teme sich­er zu kon­fig­uri­eren, zu admin­istri­eren und zu warten. Was es deshalb jet­zt braucht, ist ein umfan­gre­ich­es Pro­gramm zur Förderung von sicheren Pro­gram­mier­sprachen, sicher­er Soft­ware, von Aus­bil­dung­spro­gram­men für Sicher­heit­spezial­is­ten und Geset­ze für Haf­tungsregeln und Haftpflichtver­sicherun­gen für Soft­ware und IT-Sys­teme.

  • Janette Sadik-Khan: Wagt mutige Exper­i­mente, die gün­stig und schnell umzuset­zen sind! » Zukun­ft Mobil­ität -

    Janette Sadik-Khan war von April 2007 bis 2013 Beauf­tragte für den Verkehr der Stadt New York City. Während ihrer Amt­szeit war sie ver­ant­wortlich für 10.000 Kilo­me­ter Straßen­netz, 800 Brück­en, 12.000 Kreuzun­gen, 1,3 Mil­lio­nen Straßen­schilder und 300.000 Straßen­lam­p­en. Und für eine neue Verkehrspoli­tik in New York City.

  • Mar­i­lyn Mon­roe Reads Joyce’s Ulysses at the Play­ground (1955) | Open Cul­ture — RT @openculture: Mar­i­lyn Mon­roe Reads Joyce’s “Ulysses” at the Play­ground (1955)
  • Die Psy­cholo­gie des Überse­hens — der adfc weist darauf hin: warn­west­en (und ähn­lich­es) brin­gen rad­fahrern nichts. so wie in großbri­tan­nien die forsch­er, die die aufmerk­samkeit­en im verkehr unter­sucht haben, argu­men­tieren, rede ich ja auch immer: wenn ich die rad­fahrer nicht sehe, weil ich nicht hin­schaue, wo die sind, brin­gen auch warn­west­en nichts. das ist ja eigentlich auch logisch: wenn die warn­west­en die sicht­barkeit wirk­lich erhöht­en, würde das im umkehrschluss doch fast bedeuten, dass die aut­o­fahrer nahezu blind sind …
  • Jacques Der­ri­da inter­views Ornette Cole­man, 1997 (pdf) — sehr inter­es­santes gespräch zwis­chen der­ri­da und cole­man, unter anderem über die entwick­lung der har­molod­ics, tech­nolo­gie und das poli­tisch-emanzi­pa­torische poten­zial der musik/des jazz
  • Ornette Cole­man: Schön­heit ist ein seltenes Gut | ZEIT ONLINE — ste­fan hentz würdigt den rev­o­lu­tionären ornette cole­man

    Als ein Musik­er, der nicht aus dem Herzen der Jaz­zszene kam, der sich nicht vorher durch die jahre­lange Mitwirkung in hochgeschätzten anderen Bands über jeden Zweifel hin­weg gespielt hat­te, son­dern mit eige­nar­ti­gen, eige­nen Ideen auf der Bühne erschien, blieb Ornette Cole­man ein Außen­seit­er der Jaz­zszene. Und damit umso wichtiger und repräsen­ta­tiv­er für deren afroamerikanis­che Seite.

Aus-Lese #3

Thomas Bern­hard: Argu­mente eines Win­ter­spaziergängers. Und ein Frag­ment zu “Frost”: Leichtlebig. Her­aus­gegeben von Raimund Fellinger und Mar­tin Huber. Berlin: Suhrkamp 2013. 147 Seit­en.

Ich glaube, das ist nur etwas für aus­ge­sproch­ene Bern­hard-Fans. Auf jeden Fall ist es inter­es­sant, solche Über­reste aus der Werk­statt des Schrift­stellers zur Ken­nt­nis nehmen zu kön­nen. Als erstes aufge­fall­en ist mir allerd­ings das feine Papi­er, das sich Suhrkamp hier geleis­tet hat ;-). Und sehr schön auch, dass die fast 30 Seit­en Typoskript von “Leichtlebig” als Fak­sim­i­le hinzuge­fügt wur­den — auch wenn sie so verklein­ert sind, dass sie wirk­lich ger­ade noch so zu lesen sind. Während “Argu­mente eines Win­ter­spaziergängers” mir noch recht unfer­tig vorkommt, wie eine frühe/erste Ver­sion erscheint, ist “Leichtlebig” schon recht weit aus­gear­beit­et — und in gewiss­er Weise schon ein typ­is­ch­er Bern­hard-Text.

Willi Jasper: Zauber­berg Riva. Berlin: Matthes & Seitz 2011. 271 Seit­en.

Willi Jasper schrieb hier eine Lit­er­aturgeschichte der eige­nen Art: Die Geschichte der Lit­er­atur und der Lit­er­at­en eines Ortes — eines realen (Riva am Gar­dasee) und eines imaginären/symbolischen (das Sana­to­ri­um). Das ist stel­len­weise eine faszinierende Mis­chung aus Lit­er­atur- und all­ge­mein­er Kul­turgeschichte der ersten bei­den Jahrzehnte des zwanzig­sten Jahrhun­derts, weil es Stränge der Geschichte zusam­men­führt, die son­st eher fern voneinan­der bleiben: Zum Beispiel vere­int dieser Ort Zauber­berg Riva neben Thomas und Hein­rich Mann auch Franz Kaf­ka, Sig­mund Freud, Her­mann Sud­er­mann, Chris­t­ian Mor­gen­stern und andere. Manch­mal hängt Jasper aber auch ein­fach in ein­er Beschrei­bung (über­haupt ist das eher deskrip­tiv als analysierend) bes­timmter Lebens­ab­schnitte bes­timmter Autoren fest — z.B. Hein­rich Mann, mit dem er sich sehr gut ausken­nt.
Natür­lich spielt auch die Neuras­the­nie eine entsprechend große Rolle — dafür, für diese “Mode”-Krankheit des frühen zwanzig­sten Jahrhun­derts, der nervlichen Erschöp­fung angesichts der rasenden Zeit und der rasenden Umstände der Mod­erne, waren die Sana­to­rien unter anderem ja ger­ade “zuständig” — als eine Art Erhol­ung­sheim, eine Aufhe­bung des gewöhn­lichen Lebens mit seinen moralis­chen und gesellschafltichen Pflicht­en und Zwän­gen, eine Zeit der (tem­porären) Befreiung und Aufhe­bung. Schade nur, dass er ger­ade dies, den eigentlichen Ort, immer wieder über län­gere Streck­en etwas aus den Augen ver­liert und dann nur noch “nor­male” Lit­er­aturgeschichte ist. Ein beein­druck­endes Panora­ma, das eben über die eigentliche Lit­er­atur hin­aus­ge­ht, aber doch nicht nur bloße Kul­turgeschichte ist, ist Zauber­berg Riva den­noch — und ger­ade darin, in seinem eige­nen Blick, aus­ge­sprochen anre­gend.

Paul Bogaert: Der Soft-Slalom. Her­aus­gegeben und über­set­zt von Chris­t­ian Fil­ips. Leu­ven u.a., rough­books 2013 (=rough­book 027). 65 Seit­en.

Crazy, was der Bel­gi­er Bogaert da geschaf­fen hat — das liegt ja nahe, wenn man den Über­set­zer als Lyrik­er schon ken­nt …
Der Soft-Slalom ist eine Art erzäh­len­der Gedichtzyk­lus in num­merierten Kapiteln und Einzelgedicht­en, die sehr nahe an der Prosa sind/bleiben (zumin­d­est in der deutschen Ver­sion, die flämis­che kann ich nun lei­der nicht beurteilen, auch wenn das rough­book bei­de Sprachen bietet), in sprach­lich­er Hin­sicht spielerisch und ver­spielt. Inhaltlich bleibt mir das meiste kryp­tisch — was vielle­icht nur teil­weise an den Tex­ten selb­st liegt:

Heute müssen Namen erdacht wer­den,
damit wir später einen übrig haben.
[…] Später erst, viel später, als all das neu­tral­isiert ist,
der Soft-Slalom, na, ist das was,
da umfasst mich, tauber inzwis­chen
und blind­er, super­sacht
eine Umar­mung von hin­ten

“Hast du diesen Satz ver­standen?”, heißt es ein­mal, und: “Kommt das gut? Ergreift es dich?” Das ist tat­säch­lich die Frage, die sich mir bei der Lek­türe dieser Gedichte beson­ders deut­lich stellt: Habe ich das ver­standen? Bedeutet (mir) das etwas? Doch mit­ten­drin ver­steck­en sich auch ein­fach schöne Momente hier drin (zumin­d­est ver­steck­en sie sich für mich oder vor mir .…):

Es herrscht Trubel
und mit­ten­drin bemerkst du
eine Man­i­fes­ta­tion. Fühlst du, wie
die Sit­u­a­tion
sich zu bewe­gen begin­nt?

Rain­er Stoll­mann: Die Entste­hung des Schön­heitssinns aus dem Eis. Gespräche über Geschicht­en mit Alexan­der Kluge. Berlin: Kad­mos Kul­turver­lag 2005. 154 Seit­en.

Alexan­der Kluge erk­lärt im Gespräch mit Rain­er Stoll­mann die Geschicht­en aus seinem Band “Die Lücke, die der Teufel läßt” (2003) — und zugle­ich sich selb­st und vor allem die ganze Welt. Wie immer bei Kluge-Gespräche ist das klug und meist ein­leuch­t­end, nicht sel­ten über­raschend, weil Kluge Fak­ten aus allen Wis­sens­ge­bi­eten auf unge­wohnte Verbindun­gen abklopft und auch noch Verbindun­gen sieht oder zieht, wo ich beim besten Willen keine (mehr) sehen kann. Manch­mal ist das in dem etwas besser­wis­serischen Ges­tus des Alles-Durch­schauers aber dur­chaus auch etwas ner­vend. Doch das Gefühl habe ich bei Kluge öfters …

Ins Netz gegangen (18.5.)

Ins Netz gegan­gen (18.5.):

  • Ein Gespräch mit dem Diri­gen­ten Thomas Hen­gel­brock: Anders gespielt, neu gehört — Richard Wag­n­er Nachricht­en — NZZ.ch -

    Let­ztlich ist Harnon­court der Diri­gent, der im 20. Jahrhun­dert die grössten Impulse geset­zt hat.

    Schön­er Schlusssatz im Inter­view mit Thomas Hen­gel­brock, in dem es eigentlich um etwas ganz anderes geht: um Instru­men­ta­tiona, Tem­po und Klang bei Wag­n­er, v.a. im “Par­si­fal”:

    Ich habe Wag­n­ers Anweisun­gen befol­gt. Wenn Sie lesen, was er zur Auf­führung sein­er Werke geschrieben hat, kön­nen Sie gar nicht anders als zur Erken­nt­nis kom­men, dass der Text deut­lich und klar zu hören sein muss, son­st ver­fehlt man ein­fach den Sinn. […] Ich finde die Klanggestalt beim «Par­si­fal» ganz entschei­dend. Sie macht das Werk ger­adezu aus, sie hat sym­bol­is­chen, ja meta­ph­ysis­chen Charak­ter. Wenn zum Beispiel die alten Holzflöten mit ihrem azur­blauen Klang ver­wen­det wer­den, dann ergibt sich für mich diese meta­ph­ysis­che Verbindung zum Him­mel; mit der mod­er­nen Met­all­flöte geht das nicht. Auch diese dun­kle, warme, san­fte Farbe der Blech­bläs­er – das war auch für mich eine Über­raschung.

  • Prof. Dr. Dunkel­munkel: Ist die Zeit reif für Grufti-Profs? — cspan­nagel, dunkel­munkel & friends (via Pub­lished arti­cles)
  • Lyrik als Form für die Gegen­wart — Digital/Pausen — Hans Ulrich Gum­brecht erk­lärt die Fasz­i­na­tion der Gegen­wart an der Lyrik bzw. lyrischen For­men — und fängt dafür, wie immer weit aus­holend, in der Antike an. Aber entschei­dend ist dann doch nur der let­zte Absatz:

    Wer die Zeit auf­bringt, sich auf einen — sprach­lich ja meist kom­plex­en – lyrischen Text zu konzen­tri­eren, der unter­bricht die heute eben­so end­los wie ziel­los ver­laufende Zeitlichkeit des All­t­ags. Und ein solch­er Ansatz zur Aufmerk­samkeit wird beim Lesen oder Rez­i­tieren eines Gedichts zu jen­er anderen, sozusagen archais­chen Aufmerk­samkeit, welche zum Aus­set­zen der fließen­den Zeit führt und zum Her­auf­beschwören von vorher abwe­senden Din­gen und Stim­mungen. Lyrik als Form ist eine Sig­natur unser­er Gegen­wart, weii sie für Momente das erhält und an das erin­nert, was dieser Gegen­wart am meis­ten fehlt, näm­lich Form, Ruhe, Konzen­tra­tion und wohl auch Gelassen­heit

  • Schnäp­pchen­reise in die Türkei: Lan­destyp­is­che Getränke sind im Preis inbe­grif­f­en — FAZ — Thomas Stein­mark war für die FAZ eine Woche in der Türkei für den Preis von 199 Euro — und kommt mit einem schö­nen Faz­it zurück:

    … wer sich die ökonomis­chen Bed­ingth­eit­en dieser Art von Reisen bewusst macht und diese zu akzep­tieren bere­it ist, wer sich stark genug fühlt, den oft­mals mas­siv vor­ge­tra­ge­nen Verkauf­sange­boten erfol­gre­ich Wider­stand zu leis­ten, der wird am Ende nicht ent­täuscht sein.

  • Das Rät­sel Merkel — Da hat Michael Spreng lei­der recht:

    Merkel ist eine Macht­tech­nikerin mit schwachem ide­al­is­tis­chen Hin­ter­grund. Sie ist keine Gestal­terin, außer der Gestal­tung ihrer poli­tis­chen Kar­riere und ihrer Macht. Sie macht sich – zumin­d­est öffentlich – keine Gedanken über Deutsch­land in zehn Jahren.

    Ihm selb­st scheint wie mir auch eher unbe­grei­flich, warum sie deshalb/trotzdem so beliebt ist und immer wieder gewählt wird …

  • Flur­na­me­nat­las-Blog — Der Flur­na­me­nat­las Baden-Würt­tem­bergs (?) blog­gt auf tum­blr

deutsche literaturgeschichte in einer stunde

auch wenn klabund der ver­fass­er der jet­zt als nach­druck der zweit­en auflage von 1921 beim tex­tem-ver­lag erschienen deutschen lit­er­aturgeschichte in ein­er stunde. von den ältesten zeit­en bis zur gegen­wart istdie autorität des schrift­stellers reicht in diesem falle nicht aus, über die män­gel solch­er unternehmen hin­wegzutäuschen. das sind natür­lich zuforder­st ganz prinzip­ielle — eine solche “lit­er­aturgeschichte” kann wed­er lit­er­atur noch geschichte sein, sie ist bloß eine knappe ver­samm­lung der höhenkamm­lit­er­atur, eine aufzäh­lung des kanons. auch wenn klabund sein ziel noch anders ver­fehlt — in ein­er stunde wird der text kaum zu schaf­fen sein, ich brauchte fast drei dafür (und habe nicht sehr getrödelt). auf­fal­l­end an klabunds unternehmung sind eher die immer wieder eingestreuten unbekan­nten namen — z.b. johann chris­t­ian gün­ther, zu dem ihm ein­fällt: “wie ein sturmwind braust [er], der göt­ter­bote ein­er neuen zeit, in die deutsche dich­tung.” (35) anlässlich eines anderen unbekan­nten schwingt er sich zu wahren groß­tat­en auf: salomon “geßn­er war ein­mal eine europäis­che berühmtheit. es wird nicht bess­er wer­den in der welt, ehe es geßn­er nicht wieder ist. wir wer­den erst dann ewigen frieden haben, wenn arkadis­che dichter wie er wahrhaft pop­ulär gewor­den sind.” (41)

und damit sind wir ja auch schon beim eigentlichen prob­lem: klabund ist ein beken­nen­der und gnaden­los­er emphatik­er, um eine kür­zlich aufge­brachte unter­schei­dung hier anzuwen­den. als autor hat er natür­lich jedes recht, ein solch­er zu sein — als lit­er­arhis­torik­er meines eracht­ens aber über­haupt keines. und es ist natür­lich sehr passend, dass aus­gerech­net volk­er wei­der­mann, an dessen “licht­jahre” sich die von hubert winkels (zeit vom 30.3.) einge­führte unter­schei­dung der lit­er­aturkri­tik­er zwis­chen emphatik­ern und gnos­tik­ern über­haupt entzün­dete, das vor­wort zu diesem nach­druck beis­teuert: eine rück­vergewis­serung des eige­nen unternehmens — seht her, auch der große klabund war (wie ich) ein emphatik­er! und die “licht­jahre” sind dann auf ein­mal so etwas wie eine fort­set­zung von klabunds werk, der ja zu beginn des 20. jahrhun­derts aufhört zu lesen und sich zu begeis­tern (und schon ab der zweit­en hälfte des 19. jahrhun­derts gehörig ins schwim­men gerät und kaum noch sortiert bzw. zwis­chen gut und schlecht unter­schei­det und deshalb notge­drun­gen auch nichts mehr wirk­lich beschreibt, son­dern alles nur noch gehet­zt anreißen kann).

als solch­er präsen­tiert klabund naturgemäß einen vol­lkom­men sub­jek­tiv­en blick auf die geschichte der deutschen lit­er­atur und tut doch gle­ichzeit­ig so, als sei dies eine richtige lit­er­aturgeschichte. dazu passend ist sein ansatz viel zu sehr per­son­al geprägt, um wirk­lich zu rel­e­van­ten ein­schätzun­gen zu kom­men — per­son­al insofern, als er bedeu­tung zunächst an sein­er eige­nen leseer­fahrung misst und per­son­al auch insofern, als er lit­er­aturgeschichte als geschichte von autoren­per­so­n­en schreibt (die fast durch­weg männlich sind, natür­lich). das ergibt ein ziem­lich­es misch-masch, geprägt von ein­er fast auss­chließlich iden­ti­fika­torischen lek­türe. epochen, geistige verbindungslin­ien, tra­di­tio­nen etc. kom­men bei ihm allen­falls am rande vor. und solch ein ansatz führt naturgemäß zu eini­gen gerecht­en, aber auch zu eini­gen ungerecht­en urteilen und fehlern (z.b. das hier: “friedrich schiller ist der dichter der jugend” (53) — dazu muss man schon einiges aus dem werk schillers aus­blenden) — immer­hin untern­immt klabund nicht noch den ver­such, das zu ver­ber­gen: die (selbst-)sicherheit des urteilens hat schon fast etwas großar­tiges. als zeit­doku­ment und in sein­er aus­grabung ger­ade zu diesem zeit­punkt heute, wo sich immer mehr lit­er­aturkri­tik­er als emphatik­er genü­gen und darauf auch noch stolz sind (was natür­lich in der tra­di­tion des großen grauen­haften anti-kri­tik­ers reich-ran­ic­ki ste­ht), ist das immer­hin eine ergöt­zliche lek­türe — für his­torische wahrheit und gerechtigkeit ist klabund hier halt nicht zuständig.

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