Lesen. Hören. Und ein bisschen schreiben.

Schlagwort: literaturgeschichte

Ins Netz gegangen (15.6.)

Ins Netz gegan­gen am 15.6.:

  • Uni­ver­si­tät Mainz: Wir­bel um Habi­li­ta­ti­on eines Theo­lo­gen – FAZ
  • Lyrik: Dich­ter, traut euch ins Zen­trum! | ZEIT ONLINE – so ganz ver­ste­he ich nora bossongs posi­ti­on hier nicht, mir ist da zu viel sic et non drin … irgend­wie geht es also dar­um, dass lyrik sich mit ihrer außen­sei­ter­rol­le nicht all­zu­sehr zufrie­den geben soll­te, aber auch nicht all­zu­sehr auf poli­ti­sche, ästhe­ti­scher oder wie auch immer mas­sen­wir­kung um jeden preis abzie­len soll …

    Denn sosehr die Mar­gi­na­li­sie­rung von Lyrik zu miss­bil­li­gen ist, so genießt Lite­ra­tur jen­seits von Ver­kaufs­druck immer auch den Vor­teil grö­ße­rer ästhe­ti­scher Freiheit.
    […] Denn wie soll sprach­lich auf „extrem poli­ti­sche Zei­ten“ reagiert wer­den, wenn beim Rezi­pi­en­ten der Umgang mit Spra­che durch Beschleu­ni­gung, Infor­ma­ti­ons­flut und Auf­merk­sam­keits­hei­sche­rei kon­ti­nu­ier­lich ver­flacht? Dass sich Lyrik, ob kon­ven­tio­nell oder expe­ri­men­tell, die­ser Ent­sen­si­bi­li­sie­rung wider­setzt, zeigt auch ihre poli­ti­sche Dimen­si­on. Nur wie weit ist es her mit dem kri­ti­schen Poten­zi­al von Spra­chir­ri­ta­ti­on, wenn sie kaum jeman­den mehr erreicht? Was ist eine Avant­gar­de, die zwar noch als ästhe­ti­sche Vor­hut neu­es Ter­rain erkun­det, doch kei­ne Trup­pe mehr hin­ter sich hat? 

  • Geschich­te im Fern­se­hen: Histo­ry sells – Medi­en – Süddeutsche.de – ger­hard mat­zig und karo­li­ne bei­sel neh­men den trend zum his­to­ri­en-tv („rück­wärts­fern­se­hen“ nen­nen sie es) zum anlass einer klei­nen, bit­te­ren gesellschaftsdiagnose:

    Den­noch ist es bit­ter, dass genau dann, wenn die Pro­ble­me der Gegen­wart am größ­ten sind, wenn die Flieh­kräf­te der Glo­ba­li­sie­rung wir­ken und wir als Erben des fos­si­len Wahn­sinns vor einem Abgrund ste­hen, wenn Elend, Hun­ger, Krieg und Not auf der hal­ben Welt regie­ren, dass wir genau dann, wenn wir nach vor­ne schau­en müss­ten, um Lösun­gen zu fin­den, die lei­der nicht im Bie­der­mei­er­rah­men des Kup­fer­stich­ka­bi­netts ruhen, uns so sehr mit dem stän­di­gen Zurück­schau­en auf­hal­ten. Fern­be­die­nungs­be­quem. Und über­haupt der Welt und der Gegen­wart recht fern.

    dass sie aller­dings etwas sinn­frei von „kon­tra­fak­ti­scher Geschichts­theo­rie“ spre­chen, lässt mich sehr an ihrer bil­dung und befä­hi­gung zur gesell­schafts­dia­gno­se zweifeln ;-)

  • Auf der Suche nach ver­ges­se­nen Lite­ra­tur­klas­si­kern – katha­ri­na teutsch berich­tet über das eu-pro­jekt „schwob“, das ver­sucht (wenn ich das rich­tig ver­ste­he …), ver­ges­se­ne oder unbe­kann­te wich­ti­ge wer­ke der natio­nal­li­te­ra­tu­ren (wie­der) ins bewusst­sein zu rufen. teutsch spricht dum­mer­wei­se von „klas­si­kern“, ohne offen­bar zu wis­sen, was das ist – denn eigent­lich sind schon „ver­ges­se­ne Klas­si­ker“ schwie­rig (wenn sie ver­ges­sen sind, sind die ent­spre­chen­den tex­te ja wohl gera­de kei­ne klas­si­ker – zumin­dest nicht mehr, sie waren es höchs­tens mal), die rede von „gänz­lich unentdeckte[n] Klassiker[n]“ ist aber nicht mehr nur alber, son­dern ein­fach abso­lut unsinnig …
  • CD-Cover-Kri­tik: Hel­mut Lachen­manns Gefüh­le | Auf dem Sperr­sitz – wenn musik­kri­ti­ker sich lang­wei­len oder ihnen vom dau­er­hö­ren die ohren blu­ten, wen­den sie sich den covern zu …
  • Lite­ra­ri­sches Quar­tett: „Die Leu­te krie­gen jetzt erst mal mich“ | ZEIT ONLINE – iris radisch hat mit vol­ker wei­der­mann gespro­chen, der (aus­ge­rech­net der!) im herbst das lite­ra­ri­sche quar­tett im zdf wie­der­be­le­ben soll. das gespräch macht mir wenig hoff­nung, dass das eine lite­ra­tur­kri­tisch rele­van­te ver­an­stal­tung wer­den könn­te. aber mal sehen, viel­leicht über­ra­schen sie mich ja …
  • Frank­fur­ter Antho­lo­gie: Johann Wolf­gang Goe­the: „Todes­lied eines Gefan­ge­nen“ – FAZ – mathi­as may­er stellt ind er frank­fur­ter antho­lo­gie ein ziem­lich unbe­kann­tes goe­the-gedicht vor: Die­ses Gedicht hat Goe­the nur ein­mal dru­cken las­sen. Dass er sich hier mit Tod und Kan­ni­ba­lis­mus beschäf­tigt, ist unty­pisch für ihn. So kann man den Dich­ter in sei­ner gan­zen Frei­heit bestaunen.
  • Nach Hacker­an­griff: Raus aus der digi­ta­len Hilf­lo­sig­keit – FAZ – frank rie­ger hofft und wünscht, was sich nun hin­sicht­lich des umgangs mit digi­ta­len net­zen, soft­ware und sicher­heit ändern könn­te (oder wohl eher soll­te, wirk­lich opti­mis­tisch bin ich da nicht …)

    Wirk­lich wirk­sam wären statt­des­sen hohe Inves­ti­tio­nen in lang­fris­ti­ge, effek­ti­ve Abwehr­kon­zep­te. Der Kern des Pro­blems ist und bleibt die schlech­te Qua­li­tät der Soft­ware, auf der unse­re digi­ta­le Welt beruht, und der Man­gel an qua­li­fi­zier­tem Per­so­nal, um Sys­te­me sicher zu kon­fi­gu­rie­ren, zu admi­nis­trie­ren und zu war­ten. Was es des­halb jetzt braucht, ist ein umfang­rei­ches Pro­gramm zur För­de­rung von siche­ren Pro­gram­mier­spra­chen, siche­rer Soft­ware, von Aus­bil­dungs­pro­gram­men für Sicher­heits­pe­zia­lis­ten und Geset­ze für Haf­tungs­re­geln und Haft­pflicht­ver­si­che­run­gen für Soft­ware und IT-Systeme.

  • Janet­te Sadik-Khan: Wagt muti­ge Expe­ri­men­te, die güns­tig und schnell umzu­set­zen sind! » Zukunft Mobi­li­tät -

    Janet­te Sadik-Khan war von April 2007 bis 2013 Beauf­trag­te für den Ver­kehr der Stadt New York City. Wäh­rend ihrer Amts­zeit war sie ver­ant­wort­lich für 10.000 Kilo­me­ter Stra­ßen­netz, 800 Brü­cken, 12.000 Kreu­zun­gen, 1,3 Mil­lio­nen Stra­ßen­schil­der und 300.000 Stra­ßen­lam­pen. Und für eine neue Ver­kehrs­po­li­tik in New York City.

  • Mari­lyn Mon­roe Reads Joyce’s Ulys­ses at the Play­ground (1955) | Open Cul­tu­re – RT @openculture: Mari­lyn Mon­roe Reads Joyce’s “Ulys­ses“ at the Play­ground (1955)
  • Die Psy­cho­lo­gie des Über­se­hens – der adfc weist dar­auf hin: warn­wes­ten (und ähn­li­ches) brin­gen rad­fah­rern nichts. so wie in groß­bri­tan­ni­en die for­scher, die die auf­merk­sam­kei­ten im ver­kehr unter­sucht haben, argu­men­tie­ren, rede ich ja auch immer: wenn ich die rad­fah­rer nicht sehe, weil ich nicht hin­schaue, wo die sind, brin­gen auch warn­wes­ten nichts. das ist ja eigent­lich auch logisch: wenn die warn­wes­ten die sicht­bar­keit wirk­lich erhöh­ten, wür­de das im umkehr­schluss doch fast bedeu­ten, dass die auto­fah­rer nahe­zu blind sind …
  • Jac­ques Der­ri­da inter­views Ornet­te Cole­man, 1997 (pdf) – sehr inter­es­san­tes gespräch zwi­schen der­ri­da und cole­man, unter ande­rem über die ent­wick­lung der har­mo­lo­dics, tech­no­lo­gie und das poli­tisch-eman­zi­pa­to­ri­sche poten­zi­al der musik/​des jazz
  • Ornet­te Cole­man: Schön­heit ist ein sel­te­nes Gut | ZEIT ONLINE – ste­fan hentz wür­digt den revo­lu­tio­nä­ren ornet­te coleman

    Als ein Musi­ker, der nicht aus dem Her­zen der Jazz­sze­ne kam, der sich nicht vor­her durch die jah­re­lan­ge Mit­wir­kung in hoch­ge­schätz­ten ande­ren Bands über jeden Zwei­fel hin­weg gespielt hat­te, son­dern mit eigen­ar­ti­gen, eige­nen Ideen auf der Büh­ne erschien, blieb Ornet­te Cole­man ein Außen­sei­ter der Jazz­sze­ne. Und damit umso wich­ti­ger und reprä­sen­ta­ti­ver für deren afro­ame­ri­ka­ni­sche Seite.

Aus-Lese #3

Tho­mas Bern­hard: Argu­men­te eines Win­ter­spa­zier­gän­gers. Und ein Frag­ment zu „Frost“: Leicht­le­big. Her­aus­ge­ge­ben von Rai­mund Fellin­ger und Mar­tin Huber. Ber­lin: Suhr­kamp 2013. 147 Seiten.

Ich glau­be, das ist nur etwas für aus­ge­spro­che­ne Bern­hard-Fans. Auf jeden Fall ist es inter­es­sant, sol­che Über­res­te aus der Werk­statt des Schrift­stel­lers zur Kennt­nis neh­men zu kön­nen. Als ers­tes auf­ge­fal­len ist mir aller­dings das fei­ne Papier, das sich Suhr­kamp hier geleis­tet hat ;-). Und sehr schön auch, dass die fast 30 Sei­ten Typo­skript von „Leicht­le­big“ als Fak­si­mi­le hin­zu­ge­fügt wur­den – auch wenn sie so ver­klei­nert sind, dass sie wirk­lich gera­de noch so zu lesen sind. Wäh­rend „Argu­men­te eines Win­ter­spa­zier­gän­gers“ mir noch recht unfer­tig vor­kommt, wie eine frühe/​erste Ver­si­on erscheint, ist „Leicht­le­big“ schon recht weit aus­ge­ar­bei­tet – und in gewis­ser Wei­se schon ein typi­scher Bernhard-Text.

Wil­li Jas­per: Zau­ber­berg Riva. Ber­lin: Matthes & Seitz 2011. 271 Seiten.

Wil­li Jas­per schrieb hier eine Lite­ra­tur­ge­schich­te der eige­nen Art: Die Geschich­te der Lite­ra­tur und der Lite­ra­ten eines Ortes – eines rea­len (Riva am Gar­da­see) und eines imaginären/​symbolischen (das Sana­to­ri­um). Das ist stel­len­wei­se eine fas­zi­nie­ren­de Mischung aus Lite­ra­tur- und all­ge­mei­ner Kul­tur­ge­schich­te der ers­ten bei­den Jahr­zehn­te des zwan­zigs­ten Jahr­hun­derts, weil es Strän­ge der Geschich­te zusam­men­führt, die sonst eher fern von­ein­an­der blei­ben: Zum Bei­spiel ver­eint die­ser Ort Zau­ber­berg Riva neben Tho­mas und Hein­rich Mann auch Franz Kaf­ka, Sig­mund Freud, Her­mann Suder­mann, Chris­ti­an Mor­gen­stern und ande­re. Manch­mal hängt Jas­per aber auch ein­fach in einer Beschrei­bung (über­haupt ist das eher deskrip­tiv als ana­ly­sie­rend) bestimm­ter Lebens­ab­schnit­te bestimm­ter Autoren fest – z.B. Hein­rich Mann, mit dem er sich sehr gut auskennt.
Natür­lich spielt auch die Neur­asthe­nie eine ent­spre­chend gro­ße Rol­le – dafür, für die­se „Mode“-Krankheit des frü­hen zwan­zigs­ten Jahr­hun­derts, der nerv­li­chen Erschöp­fung ange­sichts der rasen­den Zeit und der rasen­den Umstän­de der Moder­ne, waren die Sana­to­ri­en unter ande­rem ja gera­de „zustän­dig“ – als eine Art Erho­lungs­heim, eine Auf­he­bung des gewöhn­li­chen Lebens mit sei­nen mora­li­schen und gesell­schafl­ti­chen Pflich­ten und Zwän­gen, eine Zeit der (tem­po­rä­ren) Befrei­ung und Auf­he­bung. Scha­de nur, dass er gera­de dies, den eigent­li­chen Ort, immer wie­der über län­ge­re Stre­cken etwas aus den Augen ver­liert und dann nur noch „nor­ma­le“ Lite­ra­tur­ge­schich­te ist. Ein beein­dru­cken­des Pan­ora­ma, das eben über die eigent­li­che Lite­ra­tur hin­aus­geht, aber doch nicht nur blo­ße Kul­tur­ge­schich­te ist, ist Zau­ber­berg Riva den­noch – und gera­de dar­in, in sei­nem eige­nen Blick, aus­ge­spro­chen anregend.

Paul Bogaert: Der Soft-Sla­lom. Her­aus­ge­ge­ben und über­setzt von Chris­ti­an Filips. Leu­ven u.a., rough­books 2013 (=rough­book 027). 65 Seiten.

Cra­zy, was der Bel­gi­er Bogaert da geschaf­fen hat – das liegt ja nahe, wenn man den Über­set­zer als Lyri­ker schon kennt …
Der Soft-Sla­lom ist eine Art erzäh­len­der Gedicht­zy­klus in num­me­rier­ten Kapi­teln und Ein­zel­ge­dich­ten, die sehr nahe an der Pro­sa sind/​bleiben (zumin­dest in der deut­schen Ver­si­on, die flä­mi­sche kann ich nun lei­der nicht beur­tei­len, auch wenn das rough­book bei­de Spra­chen bie­tet), in sprach­li­cher Hin­sicht spie­le­risch und ver­spielt. Inhalt­lich bleibt mir das meis­te kryp­tisch – was viel­leicht nur teil­wei­se an den Tex­ten selbst liegt:

Heu­te müs­sen Namen erdacht werden,
damit wir spä­ter einen übrig haben.
[…] Spä­ter erst, viel spä­ter, als all das neu­tra­li­siert ist,
der Soft-Sla­lom, na, ist das was,
da umfasst mich, tau­ber inzwischen
und blin­der, supersacht
eine Umar­mung von hinten

„Hast du die­sen Satz ver­stan­den?“, heißt es ein­mal, und: „Kommt das gut? Ergreift es dich?“ Das ist tat­säch­lich die Fra­ge, die sich mir bei der Lek­tü­re die­ser Gedich­te beson­ders deut­lich stellt: Habe ich das ver­stan­den? Bedeu­tet (mir) das etwas? Doch mit­ten­drin ver­ste­cken sich auch ein­fach schö­ne Momen­te hier drin (zumin­dest ver­ste­cken sie sich für mich oder vor mir .…):

Es herrscht Trubel
und mit­ten­drin bemerkst du
eine Mani­fes­ta­ti­on. Fühlst du, wie
die Situation
sich zu bewe­gen beginnt?

Rai­ner Stoll­mann: Die Ent­ste­hung des Schön­heits­sinns aus dem Eis. Gesprä­che über Geschich­ten mit Alex­an­der Klu­ge. Ber­lin: Kad­mos Kul­tur­ver­lag 2005. 154 Seiten.

Alex­an­der Klu­ge erklärt im Gespräch mit Rai­ner Stoll­mann die Geschich­ten aus sei­nem Band „Die Lücke, die der Teu­fel läßt“ (2003) – und zugleich sich selbst und vor allem die gan­ze Welt. Wie immer bei Klu­ge-Gesprä­che ist das klug und meist ein­leuch­tend, nicht sel­ten über­ra­schend, weil Klu­ge Fak­ten aus allen Wis­sens­ge­bie­ten auf unge­wohn­te Ver­bin­dun­gen abklopft und auch noch Ver­bin­dun­gen sieht oder zieht, wo ich beim bes­ten Wil­len kei­ne (mehr) sehen kann. Manch­mal ist das in dem etwas bes­ser­wis­se­ri­schen Ges­tus des Alles-Durch­schau­ers aber durch­aus auch etwas ner­vend. Doch das Gefühl habe ich bei Klu­ge öfters …

Ins Netz gegangen (18.5.)

Ins Netz gegan­gen (18.5.):

  • Ein Gespräch mit dem Diri­gen­ten Tho­mas Hen­gel­b­rock: Anders gespielt, neu gehört – Richard Wag­ner Nach­rich­ten – NZZ​.ch -

    Letzt­lich ist Har­non­court der Diri­gent, der im 20. Jahr­hun­dert die gröss­ten Impul­se gesetzt hat.

    Schö­ner Schluss­satz im Inter­view mit Tho­mas Hen­gel­b­rock, in dem es eigent­lich um etwas ganz ande­res geht: um Instru­men­ta­tio­na, Tem­po und Klang bei Wag­ner, v.a. im „Par­si­fal“:

    Ich habe Wag­ners Anwei­sun­gen befolgt. Wenn Sie lesen, was er zur Auf­füh­rung sei­ner Wer­ke geschrie­ben hat, kön­nen Sie gar nicht anders als zur Erkennt­nis kom­men, dass der Text deut­lich und klar zu hören sein muss, sonst ver­fehlt man ein­fach den Sinn. […] Ich fin­de die Klang­ge­stalt beim «Par­si­fal» ganz ent­schei­dend. Sie macht das Werk gera­de­zu aus, sie hat sym­bo­li­schen, ja meta­phy­si­schen Cha­rak­ter. Wenn zum Bei­spiel die alten Holz­flö­ten mit ihrem azur­blau­en Klang ver­wen­det wer­den, dann ergibt sich für mich die­se meta­phy­si­sche Ver­bin­dung zum Him­mel; mit der moder­nen Metall­flö­te geht das nicht. Auch die­se dunk­le, war­me, sanf­te Far­be der Blech­blä­ser – das war auch für mich eine Überraschung.

  • Prof. Dr. Dun­kel­mun­kel: Ist die Zeit reif für Gruf­ti-Profs? – cspan­nagel, dun­kel­mun­kel & fri­ends (via Published articles)
  • Lyrik als Form für die Gegen­wart – Digital/​Pausen – Hans Ulrich Gum­brecht erklärt die Fas­zi­na­ti­on der Gegen­wart an der Lyrik bzw. lyri­schen For­men – und fängt dafür, wie immer weit aus­ho­lend, in der Anti­ke an. Aber ent­schei­dend ist dann doch nur der letz­te Absatz:

    Wer die Zeit auf­bringt, sich auf einen—sprachlich ja meist kom­ple­xen – lyri­schen Text zu kon­zen­trie­ren, der unter­bricht die heu­te eben­so end­los wie ziel­los ver­lau­fen­de Zeit­lich­keit des All­tags. Und ein sol­cher Ansatz zur Auf­merk­sam­keit wird beim Lesen oder Rezi­tie­ren eines Gedichts zu jener ande­ren, sozu­sa­gen archai­schen Auf­merk­sam­keit, wel­che zum Aus­set­zen der flie­ßen­den Zeit führt und zum Her­auf­be­schwö­ren von vor­her abwe­sen­den Din­gen und Stim­mun­gen. Lyrik als Form ist eine Signa­tur unse­rer Gegen­wart, weii sie für Momen­te das erhält und an das erin­nert, was die­ser Gegen­wart am meis­ten fehlt, näm­lich Form, Ruhe, Kon­zen­tra­ti­on und wohl auch Gelassenheit

  • Schnäpp­chen­rei­se in die Tür­kei: Lan­des­ty­pi­sche Geträn­ke sind im Preis inbe­grif­fen – FAZ – Tho­mas Stein­mark war für die FAZ eine Woche in der Tür­kei für den Preis von 199 Euro – und kommt mit einem schö­nen Fazit zurück:

    … wer sich die öko­no­mi­schen Bedingt­hei­ten die­ser Art von Rei­sen bewusst macht und die­se zu akzep­tie­ren bereit ist, wer sich stark genug fühlt, den oft­mals mas­siv vor­ge­tra­ge­nen Ver­kaufs­an­ge­bo­ten erfolg­reich Wider­stand zu leis­ten, der wird am Ende nicht ent­täuscht sein.

  • Das Rät­sel Mer­kel – Da hat Micha­el Spreng lei­der recht:

    Mer­kel ist eine Macht­tech­ni­ke­rin mit schwa­chem idea­lis­ti­schen Hin­ter­grund. Sie ist kei­ne Gestal­te­rin, außer der Gestal­tung ihrer poli­ti­schen Kar­rie­re und ihrer Macht. Sie macht sich – zumin­dest öffent­lich – kei­ne Gedan­ken über Deutsch­land in zehn Jahren. 

    Ihm selbst scheint wie mir auch eher unbe­greif­lich, war­um sie deshalb/​trotzdem so beliebt ist und immer wie­der gewählt wird …

  • Flur­na­men­at­las-Blog – Der Flur­na­men­at­las Baden-Würt­tem­bergs (?) bloggt auf tumblr

deutsche literaturgeschichte in einer stunde

auch wenn kla­bund der ver­fas­ser der jetzt als nach­druck der zwei­ten auf­la­ge von 1921 beim tex­tem-ver­lag erschie­nen deut­schen lite­ra­tur­ge­schich­te in einer stun­de. von den ältes­ten zei­ten bis zur gegen­wart istdie auto­ri­tät des schrift­stel­lers reicht in die­sem fal­le nicht aus, über die män­gel sol­cher unter­neh­men hin­weg­zu­täu­schen. das sind natür­lich zufor­derst ganz prin­zi­pi­el­le – eine sol­che „lite­ra­tur­ge­schich­te“ kann weder lite­ra­tur noch geschich­te sein, sie ist bloß eine knap­pe ver­samm­lung der höhen­kamm­li­te­ra­tur, eine auf­zäh­lung des kanons. auch wenn kla­bund sein ziel noch anders ver­fehlt – in einer stun­de wird der text kaum zu schaf­fen sein, ich brauch­te fast drei dafür (und habe nicht sehr getrö­delt). auf­fal­lend an kla­bunds unter­neh­mung sind eher die immer wie­der ein­ge­streu­ten unbe­kann­ten namen – z.b. johann chris­ti­an gün­ther, zu dem ihm ein­fällt: „wie ein sturm­wind braust [er], der göt­ter­bo­te einer neu­en zeit, in die deut­sche dich­tung.“ (35) anläss­lich eines ande­ren unbe­kann­ten schwingt er sich zu wah­ren groß­ta­ten auf: salo­mon „geß­ner war ein­mal eine euro­päi­sche berühmt­heit. es wird nicht bes­ser wer­den in der welt, ehe es geß­ner nicht wie­der ist. wir wer­den erst dann ewi­gen frie­den haben, wenn arka­di­sche dich­ter wie er wahr­haft popu­lär gewor­den sind.“ (41)

und damit sind wir ja auch schon beim eigent­li­chen pro­blem: kla­bund ist ein beken­nen­der und gna­den­lo­ser empha­ti­ker, um eine kürz­lich auf­ge­brach­te unter­schei­dung hier anzu­wen­den. als autor hat er natür­lich jedes recht, ein sol­cher zu sein – als lite­r­ar­his­to­ri­ker mei­nes erach­tens aber über­haupt kei­nes. und es ist natür­lich sehr pas­send, dass aus­ge­rech­net vol­ker wei­der­mann, an des­sen „licht­jah­re“ sich die von hubert win­kels (zeit vom 30.3.) ein­ge­führ­te unter­schei­dung der lite­ra­tur­kri­ti­ker zwi­schen empha­ti­kern und gnos­ti­kern über­haupt ent­zün­de­te, das vor­wort zu die­sem nach­druck bei­steu­ert: eine rück­ver­ge­wis­se­rung des eige­nen unter­neh­mens – seht her, auch der gro­ße kla­bund war (wie ich) ein empha­ti­ker! und die „licht­jah­re“ sind dann auf ein­mal so etwas wie eine fort­set­zung von kla­bunds werk, der ja zu beginn des 20. jahr­hun­derts auf­hört zu lesen und sich zu begeis­tern (und schon ab der zwei­ten hälf­te des 19. jahr­hun­derts gehö­rig ins schwim­men gerät und kaum noch sor­tiert bzw. zwi­schen gut und schlecht unter­schei­det und des­halb not­ge­drun­gen auch nichts mehr wirk­lich beschreibt, son­dern alles nur noch gehetzt anrei­ßen kann).

als sol­cher prä­sen­tiert kla­bund natur­ge­mäß einen voll­kom­men sub­jek­ti­ven blick auf die geschich­te der deut­schen lite­ra­tur und tut doch gleich­zei­tig so, als sei dies eine rich­ti­ge lite­ra­tur­ge­schich­te. dazu pas­send ist sein ansatz viel zu sehr per­so­nal geprägt, um wirk­lich zu rele­van­ten ein­schät­zun­gen zu kom­men – per­so­nal inso­fern, als er bedeu­tung zunächst an sei­ner eige­nen lese­er­fah­rung misst und per­so­nal auch inso­fern, als er lite­ra­tur­ge­schich­te als geschich­te von autoren­per­so­nen schreibt (die fast durch­weg männ­lich sind, natür­lich). das ergibt ein ziem­li­ches misch-masch, geprägt von einer fast aus­schließ­lich iden­ti­fi­ka­to­ri­schen lek­tü­re. epo­chen, geis­ti­ge ver­bin­dungs­li­ni­en, tra­di­tio­nen etc. kom­men bei ihm allen­falls am ran­de vor. und solch ein ansatz führt natur­ge­mäß zu eini­gen gerech­ten, aber auch zu eini­gen unge­rech­ten urtei­len und feh­lern (z.b. das hier: „fried­rich schil­ler ist der dich­ter der jugend“ (53) – dazu muss man schon eini­ges aus dem werk schil­lers aus­blen­den) – immer­hin unter­nimmt kla­bund nicht noch den ver­such, das zu ver­ber­gen: die (selbst-)sicherheit des urtei­lens hat schon fast etwas groß­ar­ti­ges. als zeit­do­ku­ment und in sei­ner aus­gra­bung gera­de zu die­sem zeit­punkt heu­te, wo sich immer mehr lite­ra­tur­kri­ti­ker als empha­ti­ker genü­gen und dar­auf auch noch stolz sind (was natür­lich in der tra­di­ti­on des gro­ßen grau­en­haf­ten anti-kri­ti­kers reich-rani­cki steht), ist das immer­hin eine ergötz­li­che lek­tü­re – für his­to­ri­sche wahr­heit und gerech­tig­keit ist kla­bund hier halt nicht zuständig.

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