„der dreißigjährige krieg ist das bis ins 20. jahrhun­dert nach­wirk­ende trau­ma des deutschen volkes.“ (83) heißt es in georg schmidts klein­er abhand­lung der dreißigjährige krieg (münchen: beck 6/2003). als solch­er hat er natür­lich entsprechend viele (um-)deutungen und vere­in­nah­mungen erfahren. georg schmidt, ein aus­gewiesen­er ken­ner der deutschen geschichte und spezial­ist für das alte reich hat sich davon nur insofern beein­druck­en lassen, als er sich um ein möglichst sach­liche und zunächst wert­neu­trale darstel­lung der abläufe und geschehnisse bemüht. beson­deren stel­len­wert erfahren in sein­er darstel­lung immer wieder die vielfälti­gen kreuz- und quer liegen­den verbindun­gen, die eine wirk­liche kausal­ität der geschehnisse ger­ade dieser zeit so schw­er erken­nen lassen und leicht für ver­wirrung sor­gen. schmidt hat das prob­lem ziem­lich gut und überzeu­gend gemeis­tert, sein klein­er text ist trotz der enor­men konzen­tra­tion noch erstaunlich gut les­bar und leicht ver­ständlich – auch ohne allzu großes vor­wis­sen.

tre­f­fend schon die sich verbinden­den ursachen, die ver­kno­ten­den lin­ien der auflö­sung der reichs­ge­walt oder der kohä­sion des reich­es durch die von der kon­fes­sion­al­isierung und ihrer immer wieder auf­flam­menden rival­itäten sowie der ver­härteten lager­bil­dung in katholis­che liga und protes­tantis­che union erre­icht­en block­ade der entschei­den­den insti­tu­tio­nen (reich­skam­merg­ericht, reichsver­samm­lung, reich­stag etc.). was insofern beson­ders prob­lema­tisch ist, als das reich in sein­er kom­pliziert aus­tari­erten ver­fass­theit ganz beson­ders auf den kon­sens aller beteiligten angewiesen war. in dem zusam­men­hang spielt natür­lich vor allem das recht­sys­tem des reich­es eine beson­dere rolle: mit dem eher protes­tantisch aus­gerichteten reich­skam­merg­ericht und dem eher kaiser­na­hen reichshofrat standen zwei große juris­tis­che reg­u­lar­ien zur ver­fü­gung, die auch rege genutzt wur­den. der dreißigjährige krieg führt also zu ein­er (erneuten) ver­rechtlichung des deutschen staatenge­bildes, die jet­zt mit den para­graphen der west­fälis­chen friede vor allem die macht des kaisers und damit eines ein­heitlichen, zen­tralen monar­chis­chen sys­tems in deutsch­land erhe­blich ein­schränkt, ander­er­seits auch – wieder – die grund­la­gen für die abso­lutis­tis­che territorialherrschaft(en) sichert – zwar unter ein­bezug der stände, aber eben im großen und ganzen mit der später offen­bar wer­den­den ten­denz zur zer­split­terung des reichs-gebi­etes. schmidt zeigt dabei ins­beson­dere die kon­ti­nu­itäten zur zeit vor dem dreißigjähri­gen krieg auf: „all dies hat­te sich bere­its vor dem dreißigjähri­gen krieg eingepen­delt, und all dies ließ der west­fälis­che frieden unange­tastet.“ (82) – schmidt spricht deshalb auch von einem „beina­he per­fek­ten poli­tis­chen sys­tem, das allen beteiligten grup­pen rechte, freiräume und teil­habe­möglichkeit­en garantierte, ohne deswe­gen seine hand­lungs­fähigkeit einzbüßen.“ (98) und er weist darauf hin, dass ins­beson­der die zer­störung der „alten über­re­gionalen wirtschafts­beziehun­gen“ durch die kriegsereignisse wesentlich zum auf­stieg des abso­lutismus beitru­gen: jed­er lan­des­fürst musste nun selb­st „reg­ulierend in das sozial- und wirtschaftssys­tem ein­greifen“ (92), um das land aus der ökonomis­chen starre der kriegszeit wieder zu erweck­en. dabei ist allerd­ings auch wieder zu beacht­en: „in deutsch­land fand allerd­ings wed­er während noch nach dem krieg eine großflächige wirtschaftliche mod­ernisierung statt.“ (93) dementsprechend kam es ende der 1640er auch nicht zum ökonomis­chen boom (angesichts der zer­störun­gen ein­er­seits und des bevölkerungsrück­gangs ander­er­seits dur­chaus denkbar), son­dern nur zu ein­er müh­samen wieder­bele­bung. analoges kann schmdit für das soziale sys­tem kon­sta­tieren: „der dreißigjährige krieg erscheint mit blick auf das gesellschaftssys­tem als stör­fall ohne große nach­wirkun­gen: aus der aus­nahme­si­t­u­a­tion wech­sel­ten die men­schen zurück in ihren all­t­ag“ (95).

weit­er­hin legt er beson­deren wert auf die verknüp­fung der (eigentlich) deutschen prob­leme mit let­ztlich ganz europa, unter beson­der­er beach­tung der auswirkun­gen auf deutsche staatlichkeit. deshalb untern­immt schmidt auch die abwehr des 1998 aufgekomme­nen schlag­wortes vom „europäis­chen frieden“ – ihm geht es v.a. darum, „krieg und frieden als inte­gri­erende fak­toren der deutschen nation­algeschichte zu begreifen“ (103) das schlägt sich entschei­dend in der darstel­lung nieder. ins­beson­dere die motive erfahren eine entsprechende würdi­gung: es geht nicht darum, richtig oder falsch zu kon­sta­tieren, son­dern (mögliche) grün­des dieses und jenes han­dlens aufzuzeigen – darin ist schmidt sehr kon­se­quent. was man evtl. bemän­geln kön­nte, ist sein hang, alle oder doch zumin­d­est die meis­ten geschehen und ver­wick­lun­gen nicht nur in ihrer (ver­muteten) kausal­ität zu beschreiben, son­dern dies so zu tun, dass sie gerne als zwangsläu­fige, einzig mögliche entwick­lun­gen daste­hen. am schlecht­esten komm dabei fer­di­nand II. weg, der immer wieder vorge­hal­ten bekommt, dass er mit seinem stur katholizis­tis­chem behar­ren auf dem rekon­sti­tu­tionsedikt viele chan­cen zum früheren frieden ver­spielt habe. so schreibt schmidt den krieg dann vor allem als geschichte von macht­drän­gen, nicht einge­hal­te­nen absprachen und gegen­seit­i­gen ver­suchen der übertrump­fung bzw. auss­chal­tung zwis­chen den fürsten, in denen die kon­fes­sion bald und oft genug kaum mehr als ein anlass war – allerd­ings auf bei­den seit­en…

ein beson­deres augen­merk erfährt natür­lich wal­len­stein, der hier als (let­zer) krieg­sun­ternehmer mit maßge­blichem ein­fluss auf das geschehen in deutsch­land porträtiert wird – nicht nur mil­itärisch, son­dern auch poli­tisch (durch sein eigenes macht­streben und vor allem als angstkulisse für kaiser, hab­s­burg­er und den rest der liga). das ist angenehm sach­lich und ohne unnötige über­höhung oder dämon­isierung, ander­er­seits auch ohne allzu denkmal­stürz­erischen ges­tus. ähn­lich­es gilt für den nüchtern-skep­tis­chen blick auf gus­tav adolf (genau, den „löwen aus mit­ter­nacht“).

zusam­men genom­men „…wird deut­lich, wie wichtig das lock­er gefügte poli­tis­che sys­tem des heili­gen römis­chen reich­es deutsch­er nation für die europäis­che ord­nung war. das nicht expan­sive reich stellte keine gebi­et­sansprüche an seine nach­barn und paßte sich jed­er ver­schiebung im mächt­esys­tem an. es wirk­te als überdi­men­sion­aler puffer zwis­chen den staat­en und mächt­en: jed­er suchte und fand hier ver­bün­dete. das reich und die vor­mod­erne europäis­che frieden­sor­d­nung bed­ingten einan­der.“ (64)
der sehr zu empfehlende band wird dann noch durch eine aus­führliche, gut kom­men­tierte bib­li­ogra­phie, die lei­der etwas unüber­sichtlich gewor­den ist, abgerun­det.