Lesen. Hören. Und ein bisschen schreiben.

Jahr: 2012 Seite 4 von 35

Prozesse, kürzeste

Thomas Lehr, Größenwahn passt in die kleinste Hütte

Thomas Lehr, Größen­wahn passt in die kle­in­ste Hütte

Viel ste­ht ja nicht drin. Aber das wenige macht Freude. Denn auf den 107 Seit­en (mit viel Weißraum …) von Thomas Lehr ste­ht unter dem Titel Größen­wahn passt in die kle­in­ste Hütte. Kurze Prozesse viel Zus­tim­mungs­fähiges, viel Kopfnick­er­fordern­des (man bekommt fast Genickschmerzen). Und viele, ganz ganz viele Punch­lines. Manch­er Witz, manch­er Hieb ist (natür­lich) arg bil­lig, manch­es sind bloße Bin­sen­weisheit­en, aber vieles trifft der spitz bis spitzfind­ig for­mulierende Thomas Lehr genau. Die Sprache dieser Minia­turen, dieser Sätze — viel mehr ist es of nicht — ist immer pointiert. Viele von Lehrs Sätzen sind frech und unge­niert sprach­spielerisch. Gnaden- und rück­sicht­los arbeit­et er sich durch Welt und Kun­st, Lit­er­atur und Leben, Moral und Men­sch, Geld und Geist und viele andere Gebi­ete.

Hin und wieder ist das auch her­rlich alt­modisch — wenn er sich über Com­put­er lustig macht, über dig­i­tale Fotografie spöt­telt und das Inter­net als Müll­halde, die es manch­mal ja auch ist (und sein will bzw. soll), bloßstellt: “Lebt länger, lest Büch­er.” (26) ste­ht dann ein­fach nur noch da. Und stimmt für sich erst ein­mal. Und bleibt auch ein­fach so ste­hen.

Immer wieder schim­mert und blitzt die Bril­lanz durch, für die man Thomas Lehr sowieso lieben muss. Nur dass sie hier extrem konzen­tri­ert ist — man wird geblendet, fast blind …:

Das Licht des Apho­ris­mus funkelt in einem Tautropfen und blitzt im Mün­dungs­feuer des Standgerichts. So weit ist manch­mal der Weg von Licht­en­berg zu Kraus.” (49)

Das ist eine schnelle Lek­türe für zwis­chen­durch, die aber die Kraft und Indi­vid­u­al­ität hat, nachzuhallen. Vor allem gefällt mir daran (noch mehr als z.B. an Hen­ning Rit­ters Notizheften) die Klarheit der Gedanken und ihre direk­te Wider­spiegelung im sprach­lichen Aus­druck. Sich­er, das sind keine großen Sys­tem, die hier gedacht wer­den, keine weit entwick­el­ten The­o­reme. Aber in ihrer Knap­pheit und Präg­nanz sind sie immer wieder (auch schmerzhaft) tre­f­fend. Und das ist sicher­lich nicht das schlecht­este. Dafür kann ich dieses kleine Büch­lein auf jeden Fall vol­lkom­men empfehlen.

Nicht die Wahrheit siegt, son­dern die Klarheit, mag diese auch noch so falsch sein. Die Lehre gilt von Pla­ton zu Niet­zsche, und um zu wis­sen, wir es heute um sie ste­ht, fragt man sich nur, es einem völ­lig ein­leuch­t­end und gewiss erscheint. (86)

Übri­gens auch gut (und natür­lich vol­lkom­men richtig):

Jedes Auto­mo­bil ist auch entwen­de­ter öffentlich­er Raum. Schi­er weggestoh­lene Straßen und Plätze, ganze Innen­städte, die zeitweilig ver­schwinden. (26)

Noch mehr zu empfehlen sind aber übri­gens alle anderen Texte/Romane von Thomas Lehr ;-)

Thomas Lehr: Größen­wahn passt in die kle­in­ste Hütte. Kurze Prozesse. München: Hanser 2012. 107 Seit­en. ISBN 978–3‑446–23983‑8. 12,90 Euro.

Taglied 12.11.2012

Bar­bara Mor­gen­stern — Sweet Silence (Offi­cial Music Video)

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Taglied 11.11.2012

[wpau­dio url=“http://dropbox.com/u/7455136/music/Limited%20Approximations.mp3” text=“Georg Friedrich Haas, Lim­it­ed Approx­i­ma­tions” dl=“0”] via atonality.net

ûf der worte heide #9

»pes­simiert«

(Google find­et einige wenige Tre­f­fer aus dem IT-Bere­ich — ich habe es hier zum ersten Mal gele­sen …)

Taglied 10.11.2012

aus Grün­den — näm­lich dem Besuch der unge­mein span­nen­den, anre­gen­den, begeis­tern­den “Win­ter­reise” von Jelinek hier im Mainz­er The­ater heute:

Schu­bert / Zen­der: Der Leier­mann — Pregardien/Cambreling*

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Taglied 8.11.2012

John Zorn’s Ennio Mor­ri­cone Trib­ute Band, plays main title from “Taxi Dri­ver”


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Taglied 7.11.2012


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Taglied 6.11.2012

Aus trau­rigem Anlass heute etwas Elliott Carter:
eines mein­er Lieblingsstücke:


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oder: 2 con­tro­ver­sies and a con­ver­sa­tion (2011) (allein der Titel ist ja schon großar­tig …)


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Klamauk ohne Bedeutung: Suppés “Fatinitza” in Mainz

“Raus hier.” schließt die FAS ihre Kri­tik der Mainz­er Insze­nierung der Fatinitza von Franz von Sup­pé. Ganz so harsch würde ich die Regiear­beit von Lydia Steier nicht beurteilen, aber in der Ten­denz komme ich zum gle­ichen Ergeb­nis: Das war dann doch etwas unbe­friedi­gend und ein biss­chen ent­täuschend, was das Team aus der sel­ten gespiel­ten komis­chen Oper/Operette, die im Kaiser­re­ich ein bom­bastis­ch­er Erfolg war, gemacht hat. Geblieben ist näm­lich rein­er Kla­mauk … Natür­lich darf (und muss!) Operette auch unter­hal­ten, da hat Steier schon recht. Aber sie kann es auch mit Niveau tun. Vor allem mit solch einem Libret­to und so ein­er Par­ti­tur wie bei der Fatinitza.

Olga bleibt stumm: Das Huhn nickt nur hin und wieder oder schüt­telt den Kopf. Aber eigentlich geht es um etwas ganz anderes in Franz von Sup­pés komis­ch­er Oper Fatinitza, die im Staat­sthe­ater Mainz Pre­miere hat­te: Da ist Wladimir, der sich mit seinem Liebeskum­mer im trost­losen Kriegslager lang­weilt. Herun­tergekom­men ist der junge Offizier, auch das ver­wahrloste Con­tain­er­lager im rus­sis­chen Nir­gend­wo hat schon bessere Zeit­en gese­hen (Büh­nen­bild: Katha­ri­na Schlipf). Und noch ver­wahrloster sind die Kadet­ten — Sol­dat­en kann man sie in ihren schmud­deli­gen pinken Schlafanzü­gen kaum nen­nen (Kostüme: Ursu­la Kudr­na). Vor dem Auge der Kam­era des Fernsehre­porters Julian von Golz reißen sie sich aber zusam­men – und begin­nen ein kleines The­ater­spiel mit Wladimir in der weib­lichen Haup­trol­le. So nimmt das Vex­ier­spiel seinen Lauf: Natür­lich kommt ger­ade in dem Moment, als Wladimir als Frau verklei­det ist, der Gen­er­al zur Inspek­tion. Und natür­lich hat er “Fatinitza” schon ein­mal gese­hen — und sich heftig in sie ver­liebt. Die bzw. Wladimir liebt aber aus­gerech­net Lydia, die Nichte des Gen­er­als, die auch ganz zufäl­lig ger­ade jet­zt ihren Onkel besuchen kommt. Und dann wer­den die bei­den „Frauen“ auch noch von einem türkischen Pascha, der im rhein­hes­sis­chen Dialekt großschwätzt (her­rlich unernst: Alexan­der Spe­mann), ent­führt … Das alles zum Hap­py-End zu brin­gen, dafür benötigt der Reporter, den Thorsten Büt­tner wun­der­bar selb­st­gerecht und eit­el verkör­pert und der sich die Wirk­lichkeit gerne mal so macht, wie er sie haben will, dann noch die zweite Hälfte der Operette.

Im Akt II

Akt II (Thorsten Büt­tner, Vida Miknevi­ciute, Patri­cia Roach) — Foto: Mar­ti­na Pip­prich

Aber auf der Bühne ergibt sich das in der Insze­nierung von Lydia Steier dank des spiel­freudi­gen Ensem­bles erstaunlich natür­lich. Patri­cia Roach in der Titel­rolle gibt eine wun­der­bare männliche Darstel­lung ein­er Frau — und singt durch­set­zungs­fähig und kraftvoll, wie es sich gehört. Auch Vida Miknevi­ciute als Lydia gefällt mit entspan­nter Kraft und Leichtigkeit , etwa im zen­tralen Duett im zweit­en Akt, in dem sich Wladimir/Fatinitza ihr zu erken­nen gibt .

Schade ist nur, dass die Musik of fast ver­schwindet. Denn in der Par­ti­tur ver­heiratet Sup­pé Wiener Operette mit ital­ienis­ch­er Leichtigkeit – beim Phil­har­monis­chen Orch­ester unter Flo­ri­an Csiz­ma­dia hört man das wun­der­bar lebendig-ein­füh­lend und klangschön. Aber der Kla­mauk auf der Bühne drängt das immer wieder in den Hin­ter­grund. Das Huhn Olga ist typ­isch für die Insze­nierung: Alles ist der Regis­seurin recht, solange sich nur ein Witz draus machen lässt. Das hat großar­tige, wun­der­bar unter­halt­same Momente — im neu getex­teten Reporter-Lied Julians etwa, der lange erzählt, welche Skan­dale er ange­blich aufgedeckt und wie er Wulff aus dem Schloss Belle­vue geschrieben hat. Aber das sind nur Momente, Ver­satzstücke — das bleibt eine Art ver­frühte Fast­nacht­sposse inklu­sive Kon­fet­tire­gen im Hap­py-End-Finale, die es vorzüglich schafft, sich von Kla­mauk zu Kla­mauk zu hangeln. Am deut­lich­sten wird das im drit­ten Akt (der dra­matur­gisch aber auch bei Sup­pé eher schwach ist): Da ist das auf der Mainz­er Bühne nur noch eine Rei­he von losen, vor sich hin plätsch­ern­den Gags. Der Fatinitza von Sup­pé und seinen Libret­tis­ten wird es jedoch nur halb gerecht: Alles, was über den unter­halt­samen Spaß hin­aus­ge­ht, fehlt — zum Beispiel die hier the­ma­tisierte Rolle der Medi­en und ihr Bezug zur Wahrheit und Wirk­lichkeit, aber auch die Rolle der Geschlechter(-verwirrungen) und natür­lich die des Krieges – das deutet Steier höch­stens hin und wieder an. Und dann ist am Schluss auch noch Olga ver­schwun­den, so dass der arme Steipann (sehr pointiert: Jür­gen Rust) doch ganz alleine im all­ge­meinen Frohsinn unglück­lich suchend heru­mir­ren muss.

(so ähn­lich, etwas kürz­er vor allem, habe ich das für die Rhein-Zeitung geschrieben.)

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