Lesen. Hören. Und ein bisschen schreiben.

Schlagwort: reportage

spinnennetz mit tau (unsplash.com)

Ins Netz gegangen (25.9.)

Ins Netz gegan­gen am 25.9.:

Die Wahrheit liegt auf der Bühne

es ist ja eine schande, dass ich das noch gar nicht kan­nte: schon 2006 hat Jochen Hub­mach­er Die Schick­salss­in­fonie — Entschei­dung unter Flut­licht geschrieben — eine reportage über beethovens 5. sin­fonie im stil ein­er radio-fußball-live-berichter­stat­tung, gesprochen vom fußball­re­porter gün­ther koch.

… da spritzt der Schweiß, da saust der Tak­t­stock über die Köpfe der Musik­er, da flat­tert der Frack von Gie­len: Adren­a­lin pur — so schön kann Musik sein! …

Beethovens 5. aus Sicht eines Sportre­porters — Die Schick­salss­in­fonie — Entschei­dung unter Flut­licht

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Ins Netz gegangen (26.1.)

Ins Netz gegan­gen am 26.1.:

  • Pegi­da: Wie spricht das “Volk”? | ZEIT ONLINE — there­sia enzens­berg­er wirft einen blick auf sprache und argu­men­ta­tion­s­muster der pegi­da-anhänger:

    Diskur­s­analyse? Damit Pegi­da zu begeg­nen, wäre verge­bliche Mühe. Man kann einen Pud­ding nicht an die Wand nageln. Die Sprache der Wer­bung nimmt keine Rück­sicht auf die Herkun­ft ihrer Phrasen. Ob ein Slo­gan aus der recht­en oder linken Ecke kommt, ob man sich bei Orwell oder bei Goebbels bedi­ent, spielt keine Rolle. Haupt­sache, man stiftet so viel Ver­wirrung wie möglich, steigert die poten…

  • Philosoph Gebauer über Sport-Spek­takel: „Weit weg von der Erde“ — taz.de — gunter gebauer im taz-inter­view mit eini­gen richti­gen und guten antworten:

    Ich glaube, die großen Ver­bände tun gut daran, sich Län­der zu suchen, die sportliche Großver­anstal­tun­gen so organ­isieren wollen, dass sie nicht mehr gigan­tisch sind, son­dern dass sie für die Bürg­er eine Bere­icherung darstellen und für die Entwick­lung eines Lan­des pos­i­tiv sind. Geerdet wird der Sport hinge­gen nicht mehr — der Sport ist seit einiger Zeit weit weg von der Erde. Bes­timmte Dinge wird man nicht mehr zurück­bauen kön­nen, zum Beispiel die unglaubliche Medi­en­präsenz. Damit lebt der Sport auch sehr gut, das macht seine gewaltige Sym­bo­l­ik aus, und das muss man gar nicht nur bekla­gen. Sport ist bess­er als Krieg und als Span­nun­gen zwis­chen den Län­dern, es gibt eine Art Welt­ge­spräch des Sports. Der Sport sel­ber ist in den Bere­ich von Show und Glam­our gerutscht, viele scheinen sich dort wohl zu fühlen. Der sportliche Wert selb­st wird dadurch zurückge­drängt, aber nicht entwertet.

  • Jörg Sun­der­meier: „Die Lit­er­aturkri­tik dro­ht uns allein zurück zu lassen“ — Das Son­ntags­ge­spräch — News — BuchMarkt.de — jörg sun­der­meier, chef des famosen ver­brech­er-ver­lags, ist mit dem zus­tand der lit­er­aturkri­tik in deutsch­land über­haupt nicht zufrieden:

    Alle meinen den ganzen Tag irgend­was, Mei­n­un­gen sind ja ger­ade hoch im Kurs, in den Redak­tio­nen ist immer wieder von der Mei­n­ungsstärke von Tex­ten die Rede. Aber Hal­tung zeigen wenige, denn das hieße ja die Ansicht­en von gestern auch jet­zt noch zu vertreten. Oder aber sich selb­st zu kri­tisieren, also sich infrage zu stellen, sich angreif­bar zu machen…

  • Fre­quent­ly wrong @HistoryInPics com­pa­ny gets $2 mil­lion from investors — RT @keithcalder: Here’s some more info on that shit­pile called @HistoryInPics
  • Net­zneu­tral­ität: Freie Fahrt für ein Phan­tom | ZEIT ONLINE — Fried­helm Greis ver­sucht, die deutsch-europäis­che Debat­te um Net­zneu­tral­ität und “spezial­dien­ste” nachzuze­ich­nen. So lange man dabei auf Prob­leme wie deep pack­et inspec­tion verzichtet, scheint mir das müßig
  • Archivalia: Das Mainz­er Evan­geliar der Hof­bib­lio­thek Aschaf­fen­burg (Ms. 13)
  • Pegi­da und das Abend­land — Per­ver­sion mit Sys­tem — hein­rich august win­kler ord­net den abend­land-bezug der “pegida”-truppe his­torisch ein — und spart mit nicht mit ver­weisen auf die ver­wand­schaft mit nation­al­sozioal­is­tis­chen ideen und überzeu­gun­gen und sprachge­brauch
  • Frau Meike sagt: Krautre­porter und die Suche nach der Rel­e­vanz — noch jemand, der von den krautre­portern bish­er eher mäßig begeis­ter ist: “Von The­men­vielfalt war weit und bre­it keine Spur”
  • Ver­bi­etet Handys an den Schulen!- taz.de — die taz hält es für sin­nvoll, ein totalver­bot von handys an schulen zu fordern. ich finde ja, das reicht nicht. wenn die böse jugend in den pausen immer nur in büch­er, zeitun­gen und — hor­ri­bile dic­tu — comics (d.i. graph­ic nov­els) schaut, kom­mu­niziert sie nicht mehr miteinan­der. und der stress, wenn man nicht fer­tig wird und bis zur näch­sten pause voller span­nung warten muss, wie es weit­erge­ht im text! also weg mit dem ganzen gedruck­ten unsinn!
  • James Rhodes on Twit­ter: “A black Bond? Total­ly unre­al­is­tic.
    God bless Pri­vate Eye… http://t.co/PWl2EnsaoG”
    — RT @bomani_jones: well played, i must say.

Ins Netz gegangen (22.7.)

Ins Netz gegan­gen (22.7.):

  • 18 Tage in ein­er Welt ohne Men­schlichkeit — Gesellschaft/Leben — Im Reich des Todes Die ganze Welt schaut nach Kairo — zugle­ich foltern Beduinen auf der ägyp­tis­chen Sinai-Hal­binsel Tausende afrikanis­che Migranten, um Lösegeld zu erpressen. Und gle­ich nebe­nan machen ahnungslose deutsche Touris­ten Urlaub. Unter­wegs durch eine Region, in der krim­inelle Gewalt, Touris­mus und Welt­poli­tik nahe beieinan­der­liegen.
  • Fest­spiel-Infla­tion : Kommt der Som­mer, blüht die Fes­ti­vali­tis — DIE WELT — Manuel Brug bringt es in der WELT auf den Punkt:

    Ohne den reg­ulären, hoch sub­ven­tion­ierten Betrieb, der die Kün­stler her­anzüchtet, die Kollek­tive unter­hält, gäbe es keine Fes­ti­val­sai­son. Eine Insti­tu­tion wie das Fest­spiel­haus Baden-Baden wird zwar direkt kaum sub­ven­tion­iert, aber seine Starvi­o­lin­istin­nen und Sopran­pri­madon­nen sind ander­swo groß gewor­den. Hier schöpfen sie nur in meist risikolosen Pro­gram­men den Rahm ihrer Exis­tenz ab.

  • Fefes Blog — “Die sind ja selb­st zum Lügen zu däm­lich! Das ist doch die einzige Kernkom­pe­tenz, die Poli­tik­er haben!” >

Weltmüller und andere Fast-Reportagen

Das ist ein wun­der­bares nettes kleines Buch, dieser Welt­müller von Frank Fis­ch­er.1 Der hat sich ja — zumb Beispiel in der eben­falls amüsan­ten “Zer­störung der Leipziger Stadt­bib­lio­thek im Jahr 2003” — schon öfters an kon­trafak­tis­chen Reporta­gen ver­sucht. Das ist nicht unbe­d­ingt wahnsin­nig gehaltvoll und tief­schür­fend, aber hochtra­bend unter­halt­sam. Dass wahrschein­lich kein Pub­likum der Welt den “Ham­let” so genau ken­nt, dass es genau fol­gen kann, wenn statt Men­schen Hunde auf der Bühne ste­hen und entsprechend kein einziges Wort gesprochen wird — geschenkt. Dass Godot in ein­er bahn­brechen­den Insze­nierung zwar mit “dem besten deutschsprachi­gen” Schaus­piel­er beset­zt wird, aber naturgemäß nicht auf­taucht, nicht ein­mal zum Schlus­sap­plaus, ist natür­lich an sich eine blasse Pointe. Aber darum alleine geht es Fis­ch­er ja nicht. Son­dern um die Mit­tel und Möglichkeit­en, solche (Nicht-)Ereignisse des Kul­turlebens zu beschreiben. Und das kann er richtig gut — ein­fach präzise unter­hal­tend näm­lich, in ein­er genau durchge­führten Stil­par­o­die. Mehr ist das ganze Büch­lein auch kaum. Aber das ist ja schon nicht wenig.

Der Witz bei den Erzäh­lun­gen hier ist natür­lich, dass sie zwar ein­er­seits absurd erscheinen, ander­er­seits als (fast?) real­is­tisch gel­ten müssen: Ohne Prob­leme kann man sich eine Godot-Insze­nierung vorstellen, bei der ein Godot beset­zt wird. Selb­stver­ständlich liegt es nicht außer­halb des Möglichen, das ein Kunst­werk qua­si im Moment des Entste­hens ver­waist, weil sein vorge­blich­er Schöpfer jede Beteili­gung leugnet und so eine “seman­tis­che Zeit­bombe” im öffentlichen Raum hin­ter­lässt — denn wenn nicht bekan­nt ist, wer das Kunst­werk (das spricht dem Pro­jekt übri­gens bei Fis­ch­er fast nie­mand ab) geschaf­fen hat, ist es auch nicht deut­bar.2 Schließlich muss der imag­inäre Jour­nal­ist Fis­ch­ers resümieren: “Man lässt das Werk nun doch ein­fach gewähren.” (81)

Das Chang­ieren zwis­chen unser­er “Real­ität” und kon­trafak­tis­chen Sit­u­a­tio­nen, denkbaren Ereignis­sen in möglichen Wel­ten zieht seinen Witz genau daraus, dass nicht immer auf den ersten Blick erkennbar ist, was Real­ität ist oder sein kann und was nur eine mögliche Vorstel­lung darstellt. Wer außer­dem noch Freude an Metaspielchen (aber ganz unaufgeregt, ohne großes The­o­retisieren) und Schlüs­sel­erzäh­lun­gen aus dem Kul­turbe­trieb hat und sich an den vorge­führten Hohlheit­en von man­nig­falti­gen Worthülsen aus diesem Sek­tor delek­tieren kann, der wird hier sicher­lich eine oder zwei vergnügliche Stun­den haben (übri­gens gibt es “Welt­müller” auch als preiswertes E‑Book).

Frank Fis­ch­er: Welt­müller. Berlin: Sukul­tur 2012. 120 Seit­en. ISBN 978–3‑941592–32‑2.

Show 2 foot­notes

  1. Aufmerk­sam gewor­den bin ich darauf im “Text & Blog”-Blog (hier), dann auch beim Begleitschreiben: klick.
  2. das ist natür­lich Quatsch … — aber weit ver­bre­it­er Blödsinn und deshalb hier glaub­würdig

joachim lottmann beobachtet zombies in freier wildbahn

der neueste anschlag lottmanns auf guten geschmack und überkommene werte: joachim lottmann: zom­bie nation. köln: kiepen­heuer & witsch 2006.

der erzäh­ler – ein autor-klon mit dem namen johan­nes­lohmer, „erfind­er“ des pop-romans – beobachtet sich beim recher­chieren / schreiben eines fam­i­lien­ro­mans, der seinem jugen­dro­man fol­gen soll: „der erste fam­i­lien­ro­man der poplit­er­atur“ behauptet der klap­pen­text (was natür­lich blödsinn ist, allein fichte hat da ja schon einiges dazu geschrieben). und natür­lich ist „zom­bie nation“ auch gar kein­er. höch­stens als per­si­flage auf die aktuelle schwemme auf dem bücher­markt. dazu ist lottmann ja immer wieder gut: als seis­mo­graph. und als schlag­wort-liefer­ant – ein beispiel? aber klar doch, gle­ich auf dem umschlag: „was frauen den män­nern antun, ist der eigentliche irak-krieg unser­er epoche.“ das ste­ht da ein­fach mal so und wartet, dass jemand drauf anspringt. was ja hier­mit offiziell erledigt wäre …

„die let­zten tage der berlin­er repub­lik“ sind das zen­trum des romans – die ansprüche sind gesunken, die men­schheit war ein­mal, heute geht es nur noch um uns: die mit­dreißiger oder vierziger kul­turschaf­fend­en… typ­isch für lottmann ist natür­lich wieder der ironie-overkill, sein schein-real­is­mus, inklu­sive vol­lz­i­tat einiger jour­nal­is­tis­chen arbeit­en lottmanns
(aus der sz und der taz), verquickt noch dazu mit eini­gen pri­vat­en abson­der­lichkeit­en — und schon ist das neue buch fer­tig. schnell geschrieben, schnell gele­sen und wahrschein­lich auch schnell wieder vergessen.

das fab­u­lieren hat lottmann aber ganz gut draf: die hyper­tro­phe meta­phern­schlacht im geiste ein­er simulierten erzäh­lerischen unschuld, die natür­lich ständig geschickt umspielt wird – genau wie das imag­inierte zwiege­spräch zwis­chen erzäh­ler und imag­inärem leser gerne mal reflek­tiert, umge­dreht wird, um dann doch keine rück­sicht zu nehmen oder ger­ade erst recht, je nach momen­tan­er stim­mung: „es fällt mir schw­er, den leser mit ein­er wieder­gabe eines frem­den lebens zu behel­li­gen, anstatt über das eigene leben zu bericht­en.“ – „der lit­er­aturbe­trieb verzei­he mir, aber ich kon­nte nicht anders, als wieder mit ihr zu schlafen.“

das gesamt­paket wird dann mit dem her­rlichen rosa des umschlags abgerun­det: die züchtige unschuld – aber dann natür­lich die stre­ichze­ichung der bar­busi­gen jungfrau mit gülden­em haar –, die beobach­tung der schreck­lich angepassten jugend des jahres 2005 und verzwei­flung über ihre sinnlosigkeit beschäfti­gen lottmann: wer schon in sein­er jugend das leben sein­er eltern führt – was soll aus dem noch wer­den? und wenn das ein ganzes volk so macht? dann amüsiert man sich mit sein­er heim­lichen liebe, der bild-zeitung: „ein schön­er beginn, eine tolle geschichte, mit einem nachteil: sie stand in der bildzeitung und war somit erfun­den.“

und wer sind nun eigentlich die zom­bies? und die zom­bie nation? keine ahnung. aber sie haben die große koali­tion ver­schuldet und ver­ant­wortet.

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