Lesen. Hören. Und ein bisschen schreiben.

Schlagwort: volksmusik

Langweilige Schönheit

irgend­wie erwischt’s mich ger­ade: Nach dem zwar schö­nen, aber nicht beson­ders span­nen­den Konz­ert der Kings Singers nun das eben­falls schöe, aber nicht beson­ders span­nende Konz­ert des Trio Medi­ae­val (auch mit ganz ähn­lich­er Zweit­eilung: erst geistliche Musik, aber nicht zu viel — und in der zweit­en Hälfte dann leichte Unter­hal­tungsmusik … — allerd­ings waren bei­de Teile bei den Kings Singers doch noch deut­lich anspruchsvoller als hier, fällt mir im Rück­blick auf)

Sie ste­hen ein­fach da. Und fan­gen dann mal an : Ganz zart set­zt der erste Ton an, vor­sichtig fühlt er sich in den Raum der Augustin­erkirche ein, ohne irgend eine Unsicher­heit zu ver­rat­en und klingt doch, als könne er bei der ger­ing­sten Berührung zer­brechen. Schnell sta­bil­isiert sich der Klang, ver­bre­it­ert sich mit dem Ein­satz der anderen Stim­men und fächert sich zur Har­monie auf: Das Trio Medi­ae­val singt. Und macht son­st nichts. Die drei Sän­gerin­nen brauchen auch nichts außer ihren Stim­men, denn sin­gen, das kön­nen sie.

Und ihr Klang ist beza­ubernd. Er enste­ht vor allem aus der naht­losen Mis­chung und wun­der­samen Einigkeit der drei Stim­men, denen man in jedem Ton die lange gemein­same Erfahrung anhört. Und sie haben eine sehr charak­ter­is­tis­che Art der Phrasierung entwick­elt, die sich durch ihre San­ftheit auze­ich­net: Beginn und Ende jed­er wohlge­formt abgerun­de­ten Phrase sind immer weich und genauo anschmiegsam wie eine zarte Berührung.

Das bleibt dann aber eben immer gle­ich — egal ob das Trio eine aus weni­gen Frag­menten rekon­stru­ierte mit­te­lal­ter­liche Marien­messe singt, die soge­nan­nte „Worces­ter Lady­mass“, ob es litur­gis­che Gesänge, die Gavin Bryars ihnen vor weni­gen Jahren als Ergänzung dazu kom­poniert hat oder ob sie in der zweit­en Konz­er­hälfte nor­wegis­che Volk­slieder vor­tragn . Der Text zum Beispiel ist grund­sät­zlich zweit- bis drit­trangig. Und das heißt, er ist kaum bis gar nicht zu ver­ste­hen, zumal das Tex­theft nicht immer weit­er­hil­ft. Meist stört das nicht so sehr, man kann sich ja auf den Klang konzen­tri­eren und daran freuen – auf den reinen, klaren Klang dreier Frauen­stim­men, der ganz ohne Ablenkung und Mätzchen auskommt. Das ist wun­der­bar, wo sie damit den Kon­tra­punkt der Mess­gesänge aufdeck­en kön­nen und die Ver­wandtschaft von mit­te­lal­ter­lich­er und mod­ern­er Musik erleb­bar machen.

Aber es wird halt doch ein­tönig. Zumal die Arrange­ments der immer irgend­wie leicht melan­cholisch klin­gen­den Volk­slieder zwar geschickt die Möglichkeit­en des Trios nutzen, die Klänge und Stimm­charak­ter­is­tiken der drei Sän­gerin­nen, son­st aber auch nicht beson­ders orig­inell sind . I mmer wieder hört man also von Neuem, wie die Schön­heit des Vokalk­langs sich mit dem Raum vere­int. Das Trio Medi­ae­val singt auch nicht nur vom Altar aus — wo es sich anbi­etet, nutzen sie das gesamte Kirchen­schiff . So viel Schön­heit ohne Eck­en und Kan­ten, ohne Reibepunk­te oder Wider­hak­en, so viel sim­ple Har­monie hält nie­mand lange aus – auch die Sän­gerin­nen offen­bar nicht: Kaum 90 Minuten sin­gen die drei beim Mainz­er Musik­som­mer, dann bricht die banale All­t­agswelt wieder über das Pub­likum hinein.

(geschrieben für die Mainz­er Rhein-Zeitung.)

Was für ein grandioser Spaß!

ger­ade höre ich die cd sehr schnee sehr wald sehr des schweiz­er akko­rdeon­is­ten hans has­sler, die mir der post­bote heute aus der schweiz in den briefkas­ten gelegt hat. schon das label, bei dem dieses geniale meis­ter­w­erk erschienen ist, zeigt ja, was für ein akko­rdeon­ist das ist: intakt ist alles andere als die heimat der volksmusik. und dann ver­wun­dert es kaum mehr, was hier aus den laut­sprech­ern tönt. aber dieser kauzige und skur­ril-krude mix aus volksmusik (ja, in anklän­gen lässt has­sler mal einen zer­fet­zten ländler auf­tauchen oder eine pol­ka auf­scheinen), jazz und vor allem freier impro­vi­sa­tion erstaunt dann doch ein biss­chen: dass der kerl so gut ist, hätte ich nicht erwartet. denn begeg­net ist er mir bish­er noch nicht bewusst (unbe­wusst muss ich ihn mal in geb­hard ull­manns ensem­ble gehört haben). jeden­falls, has­sler hat hier nicht nur kleine, winzige spon­tane geniestre­iche aufgenom­men. son­dern auch mehrere große „werke” mit dauern von 5–15 minuten. das über­ra­gende dabei ist etwas, was ich nur ganz sel­ten hörte bish­er: das steckt voller anspielun­gen, allu­sio­nen, zitate, hin­weise, querver­weise wie kaum eine musik. aber, das ist das entschei­dende, has­sler packt das so genial zusam­men, schweißt das so per­fekt ineinan­der, dass die ver­schieden­sten herkün­fte zwar beim nach­denken darüber klar wer­den, aber nicht zu hören sind: das ist näm­lich echte musik aus einem guss. früher hätte man has­sler sich­er einen musikan­ten genan­nt, doch heute hat das immer so einen abw­er­tenden beigeschmack. aber es scheint mir sehr gut zu tre­f­fen zur charak­ter­isierung: er spielt ein­fach, wie ihm die fin­ger fall­en — mit aus­ge­sproch­en­er vir­tu­osität in tech­nik und gestal­tung der form. natür­lich tut er dies mit wachem, schar­fen ver­stand — anders ließe sich so mon­strös-ausufer­nd gute musik gar nicht erzeu­gen. pirmin bossart beze­ich­net ihn im book­let als „musikalis­chen freigeist par exel­lence”. und er schreibt noch etwas, dass eigentlich sehr genau zutrifft und kein­er ergänzung bedarf: „es ist nicht immer fass­bar, was geschieht. aber es geschieht.” ach, gäbe es doch nur mehr solch her­vor­ra­gende musik. und würde sie auch ihren weg zu mir find­en .… es näm­lich immer wieder erbauend, so etwas zu ent­deck­en, es das erste, zweite, dritte mal zu hören und über noch mit begeis­terung und vor staunen aufges­per­rten lausch­ern dazusitzen. doch das passiert viel zu sel­ten in der inten­sität, wie es hans has­sler bei mir ger­ade schafft. aber das wichtig­ste hätte ich jet­zt beina­he vergessen. denn essen­tiell für die musik dieser scheibe ist die tat­sache, dass has­sler ein spiel­er ist. und zwar in allen hin­sicht­en, die das wort und seine nutzer sich nur vorstellen kön­nen. gren­zen für diesen uner­sät­tlichen spiel­trieb gibt es nicht. und deshalb macht diese musik, so pro­fund und wahr sie ist, auch noch solchen unbändi­gen spaß. hans has­sler: sehr schnee sehr wald sehr. intakt 2008. nach­trag: ein porträt (aus der wochen­zeitung) und eine knappe kri­tik (aus dem tages-anzeiger) gibt es beim label intakt.

hessentag 2007

gestern, an fron­le­ich­nam, war ich schon wieder mit der hans-von-der-au-gruppe unter­wegs: nach der zvolen-fahrt haben sie mich gle­ich wieder in beschlag genom­men — und ich habe mich gerne in beschlag nehmen lassen. dieses mal ging es nach butzbach zum diesjähri­gen hes­sen­tag. die fahrt war ein wenig umständlich und bescherte uns eine kleine rund­tour durch den oden­wald: von erbach ging es erst ein­mal nach zell, weit­ere leute ein­sam­meln. und dann noch über reichelsheim nach ben­sheim, um für die bezirk­stanz­gruppe hes­sen-süd der hvt noch tänz­er abzu­holen — das passierte dann auch noch in mör­felden. von dort dann aber die auto­bahn hoch nach butzbach. aber der abfahrt staute es natür­lich. aber wir waren noch rechtzeit­ig am zelt „tra­chent­land hes­sen” der hvt. dort, in der rein­sten sauna, mussten wir uns dann erst ein­mal in die tra­cht wer­fen, um auf der bühne so richtig schön ins schwitzen zu kom­men. wir musik­er hat­ten außer­dem noch die schöne auf­gabe, für die tänz­er der hvt-bezirk­stanz­gruppe eine spezial-ver­sion der kerb-suite zu begleit­en. immer­hin hat­te ina noch noten auftreiben kön­nen — son­st hat das bei uns eigentlich immer rain­er mehr oder weniger alleine gemacht. die noten stimmten natür­lich nur halb, ein ewiges hin- und herge­springe. beim ersten mal hat der auf­marsch dann auch nci­ht so ganz rei­bungs­los geklappt. aber wir durften das ganze pro­gramm ja später noch ein zweites mal auf­führen — und da lief es dann doch ganz gut. inzwis­chen waren wir auch vom musizieren schön nass­geschwitzt — das able­gen der tra­cht hat­te höch­ste pri­or­ität nach dem auftritt … dann hat­ten wir immer­hin noch genü­gend zeit, den hes­sen­tag schlen­dernd zu erkun­den. da war — immer­hin war feiertag und her­rlich­es som­mer­wet­ter — eine menge los. aber so ganz kapiere ich das prinzip hes­sen­tag immer noch nicht: irgend­wie fehlt mir da der charak­ter — das ist bloß eine ziem­lich lange rei­hung von stän­den mit essen und trinken und ein wenig krim­skrams. aber wieso und weshalb? irgend­wie scheint es mir schon, als hätte sich die idee hes­sen­tag so langsam erledigt — das geld ließe sich doch sicher­lich vernün­ftiger ein­set­zen. aber vielle­icht ent­ge­ht mir da ja auch etwas wesentlich­es … immer­hin hat­ten wir auf der rück­fahrt keinen stau, so dass wir — natür­lich wieder mit umwe­gen — halb­wegs pün­kltich um vier­tel nach neun in erbach anka­men. und das war dann eine schöne zeit für eine dreiseen­tal-runde in der däm­merung — warm genug war’s lei­der immer noch.

Präsentiert von WordPress & Theme erstellt von Anders Norén