Hin und wieder ist das auch herrlich altmodisch — wenn er sich über Computer lustig macht, über digitale Fotografie spöttelt und das Internet als Müllhalde, die es manchmal ja auch ist (und sein will bzw. soll), bloßstellt: “Lebt länger, lest Bücher.” (26) steht dann einfach nur noch da. Und stimmt für sich erst einmal. Und bleibt auch einfach so stehen.
Immer wieder schimmert und blitzt die Brillanz durch, für die man Thomas Lehr sowieso lieben muss. Nur dass sie hier extrem konzentriert ist — man wird geblendet, fast blind …:
Das Licht des Aphorismus funkelt in einem Tautropfen und blitzt im Mündungsfeuer des Standgerichts. So weit ist manchmal der Weg von Lichtenberg zu Kraus.” (49)
Das ist eine schnelle Lektüre für zwischendurch, die aber die Kraft und Individualität hat, nachzuhallen. Vor allem gefällt mir daran (noch mehr als z.B. an Henning Ritters Notizheften) die Klarheit der Gedanken und ihre direkte Widerspiegelung im sprachlichen Ausdruck. Sicher, das sind keine großen System, die hier gedacht werden, keine weit entwickelten Theoreme. Aber in ihrer Knappheit und Prägnanz sind sie immer wieder (auch schmerzhaft) treffend. Und das ist sicherlich nicht das schlechteste. Dafür kann ich dieses kleine Büchlein auf jeden Fall vollkommen empfehlen.
Nicht die Wahrheit siegt, sondern die Klarheit, mag diese auch noch so falsch sein. Die Lehre gilt von Platon zu Nietzsche, und um zu wissen, wir es heute um sie steht, fragt man sich nur, es einem völlig einleuchtend und gewiss erscheint. (86)
Übrigens auch gut (und natürlich vollkommen richtig):
Jedes Automobil ist auch entwendeter öffentlicher Raum. Schier weggestohlene Straßen und Plätze, ganze Innenstädte, die zeitweilig verschwinden. (26)
Noch mehr zu empfehlen sind aber übrigens alle anderen Texte/Romane von Thomas Lehr ;-)
Thomas Lehr: Größenwahn passt in die kleinste Hütte. Kurze Prozesse. München: Hanser 2012. 107 Seiten. ISBN 978–3‑446–23983‑8. 12,90 Euro.