Lesen. Hören. Und ein bisschen schreiben.

Schlagwort: peter brötzmann

Ins Netz gegangen (6.4.)

Ins Netz gegan­gen am 6.4.:

  • Do We Write Dif­fer­ent­ly on a Screen? | The New York­er → tim parks eher pes­simistis­che sicht auf die gewan­delte art und weise des schreibens und sein­er beglei­tum­stände durch die tech­nol­o­gis­che entwick­lung der let­zten jahrzehnte

    Just as you once learned not to drink every­thing in the hotel mini­bar, not to eat too much at free buf­fets, now you have to cut down on com­mu­ni­ca­tion. You have learned how com­pul­sive you are, how frag­ile your iden­ti­ty, how impor­tant it is to cul­ti­vate a lit­tle dis­tance. And your only hope is that oth­ers have learned the same les­son. Oth­er­wise, your pro­fes­sion, as least as you thought of it, is fin­ished.

  • Das Spiel mit der Exzel­lenz | Forschung & Lehre → michael hart­mann mit ein­er zurück­hal­tenden, aber nicht über­schwänglich pos­i­tiv­en ein­schätzung der exzel­len­zs­trate­gie für die deutschen uni­ver­sitäten

    Die Elite hat gewon­nen, die Masse ver­loren.

  • Peter Brötz­mann inter­view | It’s psy­che­del­ic Baby Mag­a­zine → sehr schönes, offenes und ehrlich­es inter­view mit peter brötz­mann, in dem er vor allem über seine frühen jahre — also die 1960er — spricht
  • Provozieren und Warten | Van → sehr schönes, angenehm fre­undlich­es inter­view mit dem großen fred­er­ic rzews­ki:

    Ich habe nichts Orig­inelles kom­poniert. Alles, was ich gemacht habe, ist von anderen zu klauen. Aber auch Mozart hat links und rechts geklaut und Bach natür­lich genau­so. Du nimmst etwas, machst es auf deine Art.

  • Ganzjährige Som­merzeit wäre der „Clox­it“ | Riffre­porter → trotz der gren­zw­er­tig blö­den Über­schrift ein inter­es­san­ter text über die auswirkun­gen ein­er möglichen ganzjähri­gen som­merzeit in deutsch­land

Aus-Lese #16

Ron Win­kler: Torp. Mit Illus­tra­tio­nen von Pětrus Åkko­rděon. Berlin: J. Frank 2010. 155 Seit­en.

Der Lyrik­er Ron Win­kler hat mit Torp ein sehr humor­volles und ein­sichtiges Buch vorgelegt. Was das eigentlich ist, ist schw­er zu sagen: Kurze Text(fragment)e, schwank­end zwis­chend Miniatur, Lyrik und Apho­ris­men paaren sich hier mit Illus­tra­tio­nen. Der Ein­fall und die For­mulierungskun­st bes­tim­men das Ergeb­nis maßge­blich — also doch Lyrik? Aber gebun­dene Sprache ist es nicht. Irgend­wie ist es aber auch völ­lig egal, weil Torp ein­fach Spaß macht. Win­kler führt hier knapp und kurz mögliche Wel­ten vor — oder vielle­icht auch nur eine, die des “Torp”. Sprach­spiele und Ver­frem­dun­gen küm­mern sich um eine neue, andere Sicht auf das “Ich” und die Welt und den ganzen Kram. Unter­stützt wird das mit ähn­lich exaltiert-phan­tastisch-ver­frem­dent-überze­ich­nen­den Illus­tra­tio­nen. Ein nettes, nach­den­klich­es, unter­halt­sames, tiefes Buch — auch wenn nicht viel drin­ste­ht. Und wenn die Schrif­tart zumin­d­est gewöh­nungs­bedürftig ist, mir einen Deut zu ver­spielt ist — auch wenn vieles an Text und Bild Spiel ist, so ist es doch nicht nur Spiel, son­dern zeigt ja ger­ade durch das Spiel seine Wahrhaftigkeit — dieser Ernst wird von der Schrift ten­den­ziell nicht wahrgenom­men bzw. über­spielt …

Ron Win­kler schlägt vor, Torp als “Kon­tak­tanzeige zum Ken­nen­ler­nen sein­er selb­st [zu] ver­ste­hen, aber auch als Hand­buch zum Ver­ständ­nis ein­er doch einiger­maßen tor­phaften Welt”. Und das kann man sein­er Mei­n­ung nach daraus ler­nen: “Möglicher­weise, dass man noch das Pro­fanste als auratisch erleben kann. Torp wirbt, wenn man so will, für ein lit­er­arisches Sein.” Das passt.

Torp kor­rigierte gern Sprich­wörter und Apho­ris­men. Als geistige Betrieb­ssys­teme bräucht­en auch Ideen hin und wieder ein Update (29)
Torp kon­nte stun­den­lang Gedichte lesen. So lächer­lich das auch klin­gen mag. (67)
Torp begrüßte die Exis­tenz.
Torp bemerkt sehr oft und immer wieder neu, dass das Geräusch von Wiese nicht ganz stimmte. (137)

Bauer, Christoph J.: Brötz­mann. Gespräche. Berlin: Posth-Ver­lag 2012. 180 Seit­en.

Der Wup­per­taler Philoso­phiedozent Christoph J. Bauer hat sich mehrmals mit Peter Brötz­mann zu Gesprächen getrof­fen. Die sind hier abge­druckt. Lei­der offen­bar ganz und gar unredigiert, als reine Tran­skrip­tion der Gespräche — mit den entsprechen­den Fol­gen. Der mäan­dernd-treiben­den Gesprächs­führung zum Beispiel, die auch daran ein biss­chen krankt, dass Bauer — wed­er Inter­view-erfahren­er Jour­nal­ist noch Jazz-Spezial­ist, son­dern Fan — oft arg unpräzise, schwammig fragt. Dafür gerne auch mal ausufer­nd und ins sehr All­ge­meine Abdriften. Ander­er­seits wer­den so die direk­te Aus­sagen Brötz­manns wer­den nicht abgemildert: Der ist — wie seine Musik, kön­nte man sagen — im Gespräch manch­mal harsch und kantig in seinen Urteilen und sein­er Sprache. Aber oft bleibt mir das auch etwas unge­nau, vieles nur andeu­tend, anreißend, aber eben gedanklich und sprach­lich nicht aus­gear­beit­et (vielle­icht auch, weil die Fra­gen zu wenig unter­stützen, zu wenig bei der „Geburt“ helfen …). Aber den­noch gibt es viel Klar­text, zu eige­nen und frem­den Fehlern, zu Musik­er-Kol­le­gen, zu Abnei­gun­gen und Vor­lieben. Die bei­den unter­hal­ten sich zum Beispiel über Frei­heit im Jazz und der Gesellschaft, wie über­haupt der Zusam­men­hang von Musik und Gesellschaft eine wichtige Rolle spielt, die Bedin­gun­gen und Unter­schiede dieser bei­den “Sys­teme”. Außer­dem geht es unter anderem um die Entste­hungs­gründe und ‑kon­texte des „Free Jazz“, um die Arbeitsweise des Chica­go Ten­tet, um europäis­che und amerikanis­che Tra­di­tio­nen, um das Leben als Musik­er, mit Musik­ern, auf Tour und so weit­er etc.

Taglied 6.3.2012

Sonore ist wirk­lich eines der großen Ensem­bles des Jazz. Man muss sich das immer wieder anhören. Zum Beispiel das hier:

Sonore — “Ele­ments of Refusal”.wmv

Beim Klick­en auf das und beim Abspie­len des von YouTube einge­bet­teten Videos wer­den (u. U. per­so­n­en­be­zo­gene) Dat­en wie die IP-Adresse an YouTube über­tra­gen.

20 jahre upart in mainz: grund zum feieren. mit vandermark & brötzmann

Gemein­sames Musikhören und die dazu gehören­den Diskus­sio­nen waren und sind die Keimzelle dieses Vere­ins. Vor zwanzig Jahren fan­den sich einige Ide­al­is­ten zusam­men, um den Jazz, die freie impro­visierte Musik häu­figer nach Mainz zu brin­gen: Der Upart-Vere­in war gegrün­det. Im Kern ist das seit damals vor allem eine basis­demokratisch organ­isierte Vere­ini­gung von Ide­al­is­ten und Fans. Ange­fan­gen hat alles an der Uni­ver­sität, im Asta, der 1987 das erste „Akut-Fes­ti­val“ ver­anstal­tete. Und der harte Kern machte dann nach dem Ende des Studi­ums ein­fach weit­er – jet­zt eben als Vere­in. Die knapp zwanzig Mit­glieder – viel größer ist der Vere­in auch heute nicht, trotz des steti­gen Kom­mens und Gehens – über­nah­men das Akut-Fes­ti­val und führten es in Eigen­regie fort.
Das ist auch heute noch der Kern der Ver­anstal­tungsar­beit von Upart. Auch wenn sie vor eini­gen Jahren den schw­eren Entschluss fassen mussten, nur noch im zwei­jähri­gen Tur­nus große Namen der impro­visierten Musik nach Mainz zu holen. Das lag, natür­lich, am Geld: Das Pub­likum­sin­ter­esse an exper­i­menteller, freier Musik ist in den bei­den Dekaden deut­lich zurück­ge­gan­gen, wie Grün­dungsmit­glied Uwe Saß­mannshausen weiß: „Es ist nicht ein­fach­er gewor­den.“ Auch die Zuschüsse von Stadt und Land sind immer weit­er geschrumpft. Und doch machen sie immer weit­er, ver­sichtert Saß­mannshausen: „Wir sind halt unver­drossene Ide­al­is­ten. So lange es irgend­wie geht und wir noch Spaß daran haben, wird es Upart weit­er geben.“
Und das ist ein großes Glück für Mainz, wie man beim Jubiläum­skonz­ert in der Alten Patrone erfahren kon­nte. Dafür hat­te sich der Vere­in zwei große Meis­ter des zeit­genös­sis­chen Jazz geleis­tet: Den deutschen Sax­o­phon­is­ten Peter Brötz­mann und seinen amerikanis­chen Kol­le­gen Ken Van­der­mark. Zunächst vergnügten sich die bei­den Bläs­er im inti­men Duo. Aus­gerüstet mit ver­schiede­nen Sax­o­pho­nen und Klar­inet­ten stürzten sie sich ins Vergnü­gen – nicht nur für das Pub­likum, son­dern offen­bar auch für die bei­den Bläs­er. Mit großer, nie nach­lassender Inten­sität, wahnsin­nigem Ideen­re­ich­tum und natür­lich der ger­ade für Brötz­mann typ­is­chen unge­bändigten Energie.
In ganz andere Gefilde stürmte das Frame-Quar­tett, Van­der­marks Kern­truppe aus Chica­go mit Fred Lon­berg-Holm am elek­tro­n­isch ver­stärk­ten und gewan­del­ten Cel­lo, Nate McBride am eben­falls elek­tro­n­isch behan­del­ten Bass und Tim Daisy am – ganz klas­sis­chen – Schlagzeug. Mit ver­track­ten Arrange­ments, per Handze­ichen abgerufe­nen Schnit­ten, exper­i­men­tieren diese vier an der Gren­ze zwis­chen teil­weise notiert­er und impro­visiert­er Musik. Sie begin­nen mal mit verträumten Stre­ich­er-Intro, lassen krachende Gewit­ter fol­gen, unter­brechen das mit harten Beats oder syn­thetis­chem Gefrick­el aus den Effek­t­geräten – und sie find­en aus den unwegsam­sten Gebi­eten immer auf fast wun­der­same Weise wieder zusam­men. Mit solch­er Musik kann man zwar keine großen Massen anziehen, am immer­hin die Alte Patrone ganz gut füllen. Und Geld ver­di­enen muss Upart mit ihren Konz­erten ja nicht – der unschlag­bare Vorteil ehre­namtlich­er Ini­tia­tiv­en.

(mein text für die mainz­er rhein-zeitung. eine aus­führlichere betra­ch­tung des konz­ertes ste­ht schon seit vorgestern im blog.)

peter brötzmann & ken vandermark in mainz

ein eher seltenes vergnü­gen in mainz, zwei so her­aus­ra­gende jazz-musik­er zusam­men in mainz zu erleben. zu ver­danken war es dem upart-vere­in, der damit sein zwanzigjähriges beste­hen feierte. und — auch wenn das jet­zt ein klis­chee ist — es war ein geschenk sowohl für den vere­in als auch für das pub­likum. immer­hin war die alte patrone ganz gut besucht, ich schätze so ca. 100 vor­wiegend ältere, vor­wiegend männliche zuhör­er.

das erste set gestal­teten peter brötz­man und ken van­der­mark allein. also im duo. mit wech­sel­nden instru­menten — klar­inette, alt- & tenor­sax­ophon, natür­lich war auch das táro­gató von Peter Brötz­mann mit von der Par­tie. Schon der Start war beze­ich­nend und vielver­sprechend: Ohne jegliche Prälim­i­nar­ien, ohne ein Wort zu ver­lieren, marschieren die bei­den auf die Bühne, nehmen die Instru­mente in Hand und Mund und leg­en so richtig los. aber wirk­lich so richtig. brötz­mann legt natür­lich wieder enorm vor, ener­gisch und markant wie immer, nicht mehr so aggres­siv wie vor eini­gen jahren, aber immer noch von unge­heur­er präsenz. und immer noch mit seinem unnachahm­lichen ton, dem markant-growlen­den, weit vib­ri­eren­den, enorm lebendi­gen klang. die unver­drossen­heit und die vol­lkommene hingabe, mit der sie sich in die musik begeben, ist immer wieder umw­er­fend (auch wenn das nicht nur bei ihnen so ist …). mit weni­gen motiv­en spie­len sie gekon­nt hin und her, die über­gaben klap­pen naht­los, man merkt immer wieder, dass die bei­den sich alles andere als fremd sind (sie haben ja in den let­zten in ver­schiede­nen for­men miteinan­der gespielt, z.b. bei sonore oder in brötz­manns chica­go ten­tet.). so treiben sie sich auch gegen­seit­ig immer wieder deut­lich an — bei­den wollen, das merkt man, etwas erre­ichen, neuen  aus­druck find­en (auch wenn es nicht immer ganz und gar gelin­gen mag).

im zweit­en titel (die alle namen­los und ohne jegliche sprach­liche würdi­gung blieben) wurde es dann noch einiges enger, inniger, klan­glich­er, fein­er und nach­den­klich­er — aber auch wieder nur so lange, bis es zum wilden aus­bruch, zum harten ein­spruch kommt — und damit find­et das gegen­seit­ige antreiben, vor­wärt­spreschen, die rei­bun­gen und verzah­nun­gen, das inten­sive aufeinan­der einge­hen, wieder neuen antrieb. mit der drit­ten impro­vi­sa­tion wurde die sache dann deut­lich offen­er, ungewis­sener, bei­de spiel­ten jet­zt zunehmend stärk­er mit den klan­glichen aspek­ten, san­gen in ihre instru­mente, van­der­mark pro­bierte end­lose rep­e­ti­tio­nen mit zirku­larat­mung als hin­ter­grund für brötz­manns aus­flüge aus — sehr schön. und span­nend. und auch wenn sich das duo öfters merk­lich beruhigte — gezähmt klang das nie, immer blieb der drang ins neue (wo auch immer das zu ver­muten ist) spür- und hör­bar.

das gehet­zte treiben, das gegen­seit­ige anschieben, die flucht ins extrem jen­seits von gut und böse, nah­men van­der­mark & brötz­mann im vierten titel allerd­ings prob­lem­los wieder auf. spätestens jet­zt wurde auch immer klar­er, wo die bei­den sich eigentlich befan­den: im reich des reinen aus­drucks, der reinen kun­st — rein in dem sinne, dass hier klang, musik, kun­st ein­fach nur noch ist — ohne herkun­ft und ohne ziel, ohne irdis­che beschw­er­nis. sehr erhebend, immer wieder, diese erfahrung. sie erre­ichen solche gebi­ete, weil sie gut eingepen­delt sind zwis­chen totaler frei­heit und vol­lkommen­er übere­in­stim­mung: sie gehen auf einan­der ein, unter­stützen sich, schaf­fen und geben sich aber auch immer wieder selb­st freiraum für eigene ideen und aus­flüge.  und wahre größe zeigen bei­de dann, wenn sie aus den ebe­nen der reinen kun­st, der bloßen gegen­wart, auch wieder zurück­find­en, sich wieder ein­pen­deln, vor­ange­gan­gene motive erneut auf­greifen, das ganze sehr schön abrun­den und dur­chaus auch ganz hym­nisch, ja fast beschwichti­gend, bestäti­gen: erhebende und reini­gende musik, aber auch das ist — wieder — (noch) kein ziel, kein dauerzu­s­tand: alles erre­ichte bleibt momen­tan, bleibt vor­läu­fig, bleibt insta­bil und ohne dauer. der fün­fte titel operiert ähn­lich: erst mal frei spie­len, alles — naja, nicht alles … — kaputt spie­len, dann hat man raum und platz für knall­hart gepf­ef­ferte anmerkun­gen. und auch für einen ganz ver­söhn­lichen, melodiösen schluss. wun­der­bar.

und nach der pause dann etwas ganz anderes. ken van­der­mark war wieder dabei. das war’s aber auch schon mit den gemein­samkeit­en. mit seinem quar­tett “frame” (eigentlich Van­der­mark 5 abzüglich Dave Rem­p­is, aber auch — so scheint mir — eine spur kon­se­quenter, extremer in den gegen­sätzen zwis­chen fix­ierten abschnit­ten und freier impro­vi­sa­tion) ver­fol­gte van­der­mark näm­lich ganz andere wege. eigentlich eher pfade, tram­pel­wege, unwegsames gelände, ver­schlun­gene tritte durch abgründi­ges ter­rain. mit teil­weise kom­ponierten, teil­weise stark impro­visierten teilen, ges­teuert durch handze­ichen und markante schnitte, baut­en die vier vor allem reich­lich (um nicht zu sagen hyper-) kom­plexe struk­turen auf — zu später stunde keine leichte kost mehr … unter der ober­fläche brodelt es dabei ständig. aber eben nicht nur dort, son­dern über­all. sehr viel ver­spielte exper­i­mente gibt es da, basierend auf dem auf harten beat ton tim daisy und den wirbel­nden, grund­losen bässen nate mcbrides. dazu dann noch fred lon­berg-holm selt­same cel­lo-spiel­ere­in und van­der­mark klar­inet­ten- und sax­ophon-girlan­den — und fer­tig ist ein schw­eres, aber auch köstlich­es gebräu. die vier starteten das aben­teuer (nicht nur für die zuhör­er, auch für die musik­er sind beset­zung und mate­r­i­al (kür­zlich aufgenom­men) noch recht frisch & unbekan­nt, was sich dur­chaus auch hör­bar macht …) mit “lens”, das schon alle typ­is­chen ele­mente von frame aufweist: kom­plexe, ver­wick­elte struk­turen, wech­sel­weise glei­t­en­den meta­mor­pho­sen und harte ein­schnitte, undurch­schaubares gewusel, dröhn­bass und glitzernd klare sax­ophon-melo­di­en zugle­ich. mit “Huesca Alpha­bet” ging es dann entsprechend weit­er: zunächst ganz verträumt und ver­sunken ein stre­ich­er-intro, verza­uber-ver­wun­sch­ene atmo­sphäre, dann zunehmend “klas­sis­che” free-jazz ergänzun­gen, die sich in total ver­quer scheinen­den schich­tun­gen tür­men: holpern­der beat, stot­ternde klar­inette, sägen­des cel­lo und ein autis­tis­ch­er bass — wun­der­bar zarte ver­suchung ist das. und dann wieder, ganz plöt­zlich, einige tak­te (fast) still­stand, völ­lig aus der welt gefal­l­ene musik — und weit­er geht es wie zuvor. angetrieben jet­zt von ein­er zunehmend extremer wer­dene expres­siv­ität — bis zum näch­sten, von daisy geforderten/bestimmten, hia­tus, der sich deht und dehnt, bevor das alte schma sich wieder stück für stück, aber zugle­ich auch neu und anders, in ver­trauter manier wieder etabliert — nur um wenig später wieder im freien, aus­ge­lasse­nen getobe zu mün­den. da kommt keine lang­weile auf … vor allem auch deshalb, weil alle vier unheim­lich konzen­tri­ert spie­len und zusam­men eine fast unfass­bare vielfalt an bewe­gun­gen, kon­stel­la­tio­nen, idiomen, ein­fällen, klang­bildern, motiv­en und stilen zusam­men­brin­gen.

“The­ater Piece For Jim­my Lyons” fängt dann wieder mit durch­broch­enen motiv­en an, baut einen zarten und peitschen­den dri­ve zugle­ich auf, um wieder so ein überirdisch scheinen­des cel­lo-solo zu ent­fal­ten — bis zum näch­sten cut. so geht das hier immer weit­er: wenn man sich ger­ade bequem einge­hört hat, wird wieder alles anders. und neu. und so weit­er. das führt ten­den­ziell zur hyper­kom­plex­ität, die sich irgend­wann fast her­metisch gibt: ver­ste­hen wird hier wirk­lich schwierig. erleben macht aber viel freude. die frei­heit, ihre absolute unvorherse­hbarkeit und ihre absolute ungewis­sheit sind ein genuss. in der alten patrone fol­gte dann noch “straw”, ein dicht­es gewusel, ein dic­kicht von gefrick­el höch­sten grades (inkl. der elek­tron­ik der stre­ich­er), ein kun­stvoll angelegtes labyrinth der irrgänge und ein rein­er urwald zugle­ich — kurz: total irre, aber auch total mitreißend, über­wälti­gend, wie hier unge­heure kräfte ent­fes­selt wer­den. ein mirakel dann auch noch, wie sich das immer doch noch irgend­wie zusam­men­fügt, wie sich die vier immer wieder find­en — manch­mal, so scheint es mir (in unken­nt­nis des mate­ri­als und der auf­nah­men), aber auch nur noch ger­ade so …

als zugabe zu den vier recht aus­gedehn­ten titeln gab es dann auch noch “m.e.s”., das ein weit­eres mal die völ­lige und wieder­holte ent­fes­selung, in allen dimen­sion, mit gewaltiger mate­ri­alan­häu­fung (eine richtige ideen­halde ist das …) feiert — und sich doch der ret­ten­den struk­tur, der fix­ierten idee auf dem noten­stän­der gewiss bleibt. großar­tig, ins­ge­samt, dieser abend. ein würdi­ges jubiläum­skonz­ert für den upart-vere­in.

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