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Schlagwort: klavier Seite 2 von 5

Feine Klangkunst: Yulianna Avdeeva in Mainz

Robert Schu­mann war begeis­tert von ihnen: Fré­de­rich Cho­pins 24 Pré­ludes op. 28, die er als „Skiz­zen, Etu­den­an­fän­ge, oder will man, Rui­nen, ein­zel­ne Adler­fit­ti­ge, alles bunt und wild durch­ein­an­der“ cha­rak­te­ri­sier­te. Vor allem waren sie ihm ein Zei­chen der Kün­heit und Genia­li­tät des Kom­po­nis­ten­kol­le­gen. Und wenn man sich anhört, wie Yuli­an­na Avdeeva den Zyklus im Frank­fur­ter Hof spiel­te, möch­te man Schu­mann unbe­dingt zustim­men.

Das liegt nicht dar­an, dass Avdeeva bei ihrem Main­zer Gast­spiel im Rah­men der Rei­he „Inter­na­tio­na­le Pia­nis­ten“ die Vir­tuo­si­tät der 24 kur­zen Stü­cke beson­ders beton­te. Son­dern dar­an, dass sie den gan­zen Zyklus beseel­te. Und das heißt vor allem, dass sie aus­ge­spro­chen viel­fäl­tig spiel­te. Manch­mal ist das pure Ver­füh­run­gen, dann wie­der rei­ne Vir­tuo­si­tät, mal sind es hei­ter per­len­de schein­ba­re Leich­tig­kei­ten, mal düs­te­re Visio­nen. Aber alles lebt, immer atmet der Kla­vier­ton. Und stets ist die Poe­sie der Pré­ludes zu hören – nicht nur der Noten, son­dern auch des Klangs. Denn vor allem im lei­se­ren, gedämpf­ten Regis­ter kann Avdeeva aus dem Flü­gel im Frank­fur­ter Hof viel her­aus­ho­len. Ohne Schwulst spielt sie, aber mit einem fei­nen Ohr für die Zwi­schen­rei­che der Stim­mun­gen, die leich­ten Ein­trü­bun­gen, aber auch die vor­sich­ti­gen opti­mis­ti­schen Anwand­lun­gen – und den fähi­gen Fin­gern, das genau umzu­set­zen. So zei­gen sich die Pré­ludes bei ihr in der Ver­bin­dung von Vir­tuo­si­tät und Innig­keit als wirk­lich roman­ti­sche Musik.

Das liegt auch dar­an, dass ihr war­mer, sanft gerun­de­ter Ton mit der nöti­gen Sta­bi­li­tät für die­se Viel­falt nur in sehr geschwin­den und lau­ten Pas­sa­gen etwas hart und grell wird. Dafür ist ihre Klang­fül­le im pia­nis­si­mo gran­di­os. Aber sowie­so ist es gar nicht so sehr das auf­brau­sen­de Moment, das in ihrer Inter­pre­ta­ti­on begeis­tert, son­dern das zurück­ge­nom­me­ne, melan­cho­li­sche: Da sind die Töne ein­fach viel far­bi­ger, selbst in der Schwarz-Weiß-Welt noch viel­fäl­ti­ger dif­fe­ren­ziert als in den stür­me­ri­schen Pré­ludes, die bei Avdeeva oft etwas grell und fast geschwät­zig wir­ken.

Fast magisch klan­gen unter ihren Hän­den auch die eher sel­ten zu hören­den „Drei Kla­vier­stü­cke“ von Franz Schu­bert. Spä­te Wer­ke sind das, geschrie­ben im Todes­jahr des Kom­po­nis­ten, deren nach­denk­li­chen Töne man heu­te fast schon die Ahnung des Todes unter­stel­len möch­te. Vol­ler Sub­ti­li­tät und mit einem sehr fra­gen­den, immer suchen­den Ton spielt Avdeeva sie als Musik, die nicht alles weiß und ihre Lücken kennt – eine Musik der Ver­ge­wis­se­rung und Suche, die hier in star­ker emo­tio­na­ler Span­nung mit sou­ve­rä­ner Zart­heit fast die Zeit auf­zu­he­ben ver­mag.
Ser­gej Pro­kof­jews sieb­te Kla­vier­so­na­te wirk­te zwi­schen die­sen bei­den Roman­ti­kern fast wie ein Fremd­kör­per – nicht wegen sei­ner Moder­ni­tät, son­dern wegen sei­ner leben­di­gen Schroff­heit, die bei Avdeeva frei­lich nur in einer etwas glatt­ge­bü­gel­ten Ver­sio­nen erschei­nen: Gera­de die Ner­vo­si­tät der Musik spielt hier kei­ne beson­de­re Rol­le. Das liegt auch dran, dass gro­ße Ges­ten bei ihr immer blo­ße Ges­ten blei­ben und nie so zwin­gend sind wie der inten­si­ve Aus­druck, den sie gera­de den unschein­ba­ren Momen­ten der Sona­te mit auf den Weg gibt. Die wirk­li­che Emo­ti­on steckt eben immer im Detail – und die Inten­si­tät eben­so.

(geschrie­ben für die main­zer rhein-zei­tung.)

Ernsthaft gut: Doppelkonzerte im Meisterkonzert

Das Gan­ze ist ein Witz. Bei sei­ner neun­ten Sin­fo­nie – aus­ge­rech­net der Neun­ten! – hat Schost­a­ko­witsch es sich nicht neh­men las­sen, mit allen Erwar­tun­gen und Tra­di­tio­nen zu spie­len. Das hing natür­lich auch mit sei­ner eige­nen und der poli­ti­schen Situa­ti­on zusam­men – 1945 hat­te der Kom­po­nist schon eini­ge Erfah­rung mit Sta­lins Régime und des­sen Kri­ti­kern gesam­melt. Denen woll­te er kei­ne Tri­umph­mu­sik schrei­ben – aber was er dann mit der Neun­ten im Herbst ablie­fer­te, das muss für gera­de die­se Kri­ti­ker eine rei­ne Unver­schämt­heit gewe­sen sein: Die knap­pe hal­be Stun­de hei­te­rer Musik trieft nur so vor Iro­nie. Die gan­ze Sin­fo­nie spielt mit klas­si­schen For­men und Metho­den – bis zur Über­erfül­lung. Wahr­schein­lich ist sie eine der klas­sischs­ten Sin­fo­nien, die im 20. Jahr­hun­dert geschrie­ben wur­de. Und ein hin­ter­lis­ti­ges Spiel mit den Erwar­tun­gen, auch des Hörers. Man kann das als net­te, kunst­voll gemach­te Unter­hal­tung spie­len. Oder man kann, wie Mar­cus Bosch es beim 3. Meis­ter­kon­zert mit der Lud­wigs­ha­fe­ner Staats­phil­har­mo­nie in der Rhein­gold­hal­le mach­te, die abgrün­di­gen Sei­ten her­vor­kit­zeln und das Absur­de die­ser Musik beto­nen. Bosch gelang das der­ma­ßen gut, dass die Iro­nie aus jedem schö­nen Akkord und jedem schö­nen melo­di­schen Ein­fall nur so her­vor­quoll. Vor allem die Mischung aus unter­grün­dig-boh­ren­der Span­nung und schwung­voll-aus­ge­las­se­ner Spiel­freu­de, die Mar­cus Bosch im Fina­le bis zur tän­ze­ri­schen Über­mut aus­reiz­te, mach­ten die Neun­te zu einem so wun­der­ba­ren Hör­erleb­nis.

Dabei war Schost­a­ko­witschs Sin­fo­nie eigent­lich nur das Aus­ru­fe­zei­chen am Schluss eines span­nen­den Kon­zer­tes. Davor stand noch der sel­te­ne dop­pel­te Genuss eines Dop­pel­kon­zer­tes. Mit den Pia­nis­tin­nen Mona und Rica Bard spiel­te die Staats­phil­har­mo­nie näm­lich nicht nur ein Dop­pel­kon­zert, son­dern gleich zwei: von Mozart und Fran­cis Pou­lenc. Witz haben bei­de, aber auf jeweils ganz eige­ne Art.

Pou­lencs 1932 kom­po­nier­tes Kon­zert für zwei Kla­vie­re und Orches­ter ist mit sei­nen raschen Sprün­gen, viel­fäl­ti­gen Wech­seln und Reich­tum an bun­ten Ein­fäl­len und Stil­mi­schun­gen ein geschick­ter Kon­zert­auf­takt. Die zwei schlag­kräf­ti­gen Akkor­de des Beginns sind ein dop­pel­ter Start­schuss. Damit beginnt ein Feu­er­werk der Klang­far­ben und des Rhyth­mus – „reins­ter Pou­lenc“, wie der Kom­po­nist selbst ein­mal bemerk­te. Bei Mona und Rica Bard war das Feu­er­werk in guten Hän­den: Sie ach­te­ten sorg­sam dar­auf, dass auch in der Hit­ze des Gefechts alles mit rech­ten Din­gen zuging – wäh­rend Bosch mit dem Orches­ter ver­such­te, zumin­dest ein biss­chen zu zün­deln.

Mozarts ein­zi­ges Kon­zert für zwei Kla­vie­re ist der Gele­gen­heit des gemein­sa­men Musi­zie­rens mit sei­ner Schwes­ter geschul­det. Das merkt man der Musik auch ganz unmit­tel­bar an: Sel­ten sind die bei­den Solo­par­tien so eng und unauf­lös­bar inein­an­der ver­floch­ten wie hier. Und sel­ten hört man sie so har­mo­nisch inein­an­der gefügt wie von den Bard-Schwes­tern. Die bei­den pfleg­ten in der Rhein­gold­hal­le ein sehr kon­zen­trier­tes und kunst­vol­les Spiel. Das dabei der augen­zwin­kern­de Witz Mozarts manch­mal etwas hin­ten­an­ste­hen muss­te, ver­zieh man ihnen ger­ne. Zumal das Orches­ter alles tat, die klei­ne Lücke zu fül­len. Die Auf­ga­ben­tei­lung war dabei schnell klar: Die Staats­phil­har­mo­nie über­nahm die gro­ßen Ges­ten, die Pia­nis­tin­nen die fein­sin­ni­ge, fast kam­mer­mu­si­ka­li­sche Klang­tüf­te­lei. Zusam­men erklang so ein ernst­haft gutes Mozart-Kon­zert, das gewis­sen­haft und emo­tio­nal zugleich war – und alles ande­re als ein Witz.

(geschrie­ben für die Main­zer Rhein-Zei­tung.)

Ins Netz gegangen (1.6.)

Ins Netz gegan­gen (29.5.–1.6.):

  • Mau­ert Luther nicht ein! – DIE WELT – Der His­to­rik Heinz Schil­ling ist mit den bis­he­ri­gen Vor­be­rei­tun­gen des Refor­ma­ti­ons-Jubi­lä­ums 2017 nicht so ganz zufrie­den …

    Die Kluft zwi­schen gegen­warts­ori­en­tier­tem Ver­kün­di­gungs­be­geh­ren und Ver­lan­gen nach his­to­ri­scher wie bio­gra­fi­scher Tie­fen­boh­rung ist zu über­brü­cken, will das Refor­ma­ti­ons­ju­bi­lä­um nicht unter das hohe Niveau der auf das 20. Jahr­hun­dert bezo­ge­nen Gedenk­kul­tur unse­res Lan­des zurück­fal­len. Es geht um die eben­so simp­le wie fol­gen­rei­che Fra­ge, wie viel Wis­sen­schaft das Refor­ma­ti­ons­ju­bi­lä­um braucht und wie viel Wis­sen­schaft es ver­trägt. Denn nur auf einer soli­den his­to­ri­schen Basis ist eine nach­hal­ti­ge Aus­ein­an­der­set­zung mit dem „pro­tes­tan­ti­schen Erbe“ in der euro­päi­schen Neu­zeit und glo­ba­len Moder­ne mög­lich.

  • „Es muss ja nicht alles von mir sein“ – DIE WELT – Lite­ra­tur – Frank Kas­par besucht Moni­ka Rinck und lässt sich von ihr erklä­ren und zei­gen, wie man heu­te Gedich­te schreibt, ohne pein­lich und ner­vend zu sein (was ihn anschei­nend ziem­lich über­rascht, dass das geht …):

    Wer in Moni­ka Rincks Tex­te ein­taucht, dem schwirrt bald der Kopf vor lau­ter Stim­men und Spra­chen, die dort frei zusam­men­schie­ßen. Deutsch, Eng­lisch, Fran­zö­sisch, Ita­lie­nisch und Pfäl­zisch, inne­re tref­fen auf äuße­re Stim­men, rhyth­misch Aus­ge­feil­tes auf bewusst gesetz­te Brü­che, Sprün­ge, Aus­ru­fe: Ha! Ach so! Hoho­ho! Die „Gischt der wirk­li­chen gespro­che­nen Spra­che“, die Wal­ter Ben­ja­min an Alfred Döb­lins Mon­ta­ge-Roman „Ber­lin Alex­an­der­platz“ so begeis­tert hat, gur­gelt zwi­schen den Zei­len und macht das Gewe­be leben­dig und beweg­lich.

  • Emme­rich Joseph von Breid­bach zu Bür­res­heim: Vor­kämp­fer der katho­li­schen Auf­klä­rung – FAZ -

    Emme­rich Joseph von Breid­bach zu Bür­res­heim, auch bekannt unter dem Spitz­na­men „Breit­fass von Schüt­tes­heim“ – angeb­lich trank er zu jeder Mahl­zeit sechs Maß Rhein­wein. Emme­rich galt als offen­her­zig und volks­nah, obwohl sei­ne Ansich­ten so gar nicht in Ein­klang mit dem wun­der­gläu­bi­gen Barock-Katho­li­zis­mus der kon­ser­va­ti­ven Land­be­völ­ke­rung stan­den. Er las Vol­taire und Dide­rot, wur­de schließ­lich zum bedeu­tends­ten Herr­scher der katho­li­schen Auf­klä­rung. Beson­ders sei­ne Schul­re­form wirk­te nach­hal­tig. Letzt­lich schuf die Ratio­na­li­sie­rung des Kur­main­zer Aus­bil­dungs­sys­tems die Grund­la­ge für die Revo­lu­ti­on in der Dom­stadt.

    Dass die Main­zer den Wein lie­ben, ist also nichts Neu­es …

  • Lebens­mit­tel­spe­ku­la­ti­on in der Frü­hen Neu­zeit – Wie Wet­ter, Grund­herr­schaft und Getrei­de­prei­se zusam­men­hin­gen | Die Welt der Habs­bur­ger – Nah­rungs­mit­tel­spe­ku­la­ti­on ist kei­ne Erfin­dung und auch nicht nur ein Pro­blem des 21. Jahr­hun­derts – wer hät­te es gedacht .…:

    Die Preis­stei­ge­run­gen waren jedoch nicht nur auf Wet­ter­ka­prio­len zurück­zu­füh­ren, auch das Ver­hal­ten der welt­li­chen und kirch­li­chen Grund­her­ren trug maß­geb­lich zum Anstieg der Getrei­de­prei­se bei.

  • »Wie ein Rausch« | Jüdi­sche All­ge­mei­ne – Ein Inter­view mit dem Kla­vier­duo Tal & Groe­thuy­sen über Wag­ner, Alfred Pringsheim und Isra­el:

    Dar­in liegt auch die Leis­tung des Bear­bei­ters. Er steht ja stän­dig vor gro­ßen Fra­gen: Wie tei­le ich das auf? Wie kann ich mög­lichst viel vom Ori­gi­nal unter­brin­gen, sodass es plas­tisch ist, aber nicht über­la­den? Aber auch pia­nis­tisch rea­li­sier­bar? Und es hat sich her­aus­ge­stellt, dass Alfred Pringsheim, der eigent­lich Auto­di­dakt war, mit die inter­es­san­tes­ten und auch pia­nis­tischs­ten Lösun­gen gefun­den hat.

    Schön auch der Schluss­satz: „Und was Wag­ner angeht, sind wir jetzt wie­der für eine Wei­le bedient.“ – ich glau­be, das gilt nach die­sem Jahr für alle …

  • Adress­comp­toir: Auf der Suche nach Grill­par­zer – Hein­rich Lau­be irrt durch Wien:

    Grill­par­zer, wo bin ich über­all hin­ge­ra­then, um Dich zu finden!—erster Hof, zwei­te Stie­ge, drit­ter Stock, vier­te Thür! Es wir­beln mir noch die Beschrei­bun­gen im Kop­fe. Nach einer vor­mit­täg­li­chen Such­jagd stand ich end­lich in einer schma­len, öden Gas­se vor einem gro­ßen schweig­sa­men Hau­se

    Grill­par­zers über­ra­schend beschei­de­ne Woh­nung kann man übri­gens im städ­ti­schen Wien-Muse­um besich­ti­gen.

Metal und Techno – auf dem Klavier

Der Pia­nist kau­ert über der Tas­ta­tur, greift in die Sei­ten und die Tas­ten gleich­zei­tig, nimmt nach Bedarf auch noch ein klei­nes Toy Pia­no oder Gitar­ren-Plek­tren zur Hil­fe. Sein Kol­le­ge, der den zwei­ten Teil des Abends bestrei­tet, tanzt vor und mit dem Flü­gel: Auf der Kla­vier­bank hält es ihn sel­ten, er springt immer wie­der auf, sei­ne Bei­ne zucken im Takt, sein gan­zer Kör­per will mit dem Instru­ment ver­schmel­zen und zugleich weg vom Flü­gel auf die Tanz­flä­che.
Kein Wun­der, was Kai Schu­ma­cher und Fran­ces­co Tris­t­ano hier machen, hat mit einem her­kömm­li­chen Kla­vier­abend nichts mehr gemein. Das soll es ja auch nicht, schließ­lich ist das der Clas­sic­Clash, den SWR und Vil­la Musi­ca im Frank­fur­ter Hof zum drit­ten Mal aus­rich­tet. Da geht es ja gera­de dar­um, kein nor­ma­les Kla­vier­kon­zert zu ver­an­stal­ten. Und das ist beim drit­ten Abend der Clas­sic­Clash-Rei­he ohne Zwei­fel gelun­gen.

Kai Schu­ma­cher, der den Abend eröff­net, spielt Rock und Metal. Und er spielt wirk­lich damit: Manch­mal macht er aus har­tem Metal klas­si­sche bezie­hungs­wei­se roman­ti­sche Tran­skrip­ti­on und Varia­tio­nen, manch­mal treibt er sich zwi­schen ver­spon­ne­nen Nir­va­na-Bal­la­den, Sound­gar­den-Songs und Foo-Figh­ter-Hits durch die Rock- und Metal­ge­schich­te der Neun­zi­ger. Die Ori­gi­na­le muss man nicht erken­nen oder wie­der­erken­nen, um Schu­ma­chers Spiel zu gou­tie­ren und zu genie­ßen. Im Zwei­fel­fall ist davon sowie­so nicht mehr viel übrig – manch­mal die Melo­die, die Akkord­fol­gen, manch­mal aber auch Struk­tu­ren und For­men.

Noch ein­mal ein Stück wei­ter weg von nor­ma­len Kon­zert­be­trieb bewegt sich Fran­ces­co Tris­t­ano her­um. Eigent­lich prä­sen­tiert er eine ziem­lich wasch­ech­te Tech­no­ses­si­on mit Flü­gel statt Turn­ta­ble – nur ein klei­nes Bux­te­hu­de-Zitat kurz vor Schluss darf man als Refe­renz an den klas­si­schen Kla­vier­abend zäh­len. Im Gegen­satz dazu steht auch die kräf­ti­ge Unter­stüt­zung des Com­pu­ters, der er sich ver­si­chert. Was er da vor­be­rei­tet hat, bringt die Anla­ge des Frank­fur­ter Hofs ger­ne mal zum Schep­pern und Dröh­nen.

Die bes­ten Momen­te ent­ste­hen aber genau dann, wenn er sich nicht auf die Elek­tro­nik ver­lässt, son­dern auf sei­ne eige­ne Tech­nik. Er kann näm­lich auch nur mit dem Flü­gel einen vri­tu­el­len Dance­f­lo­or auf­span­nen – fast nur mit dem Kla­vier, denn ganz unbe­ar­bei­tet lässt er den Klang eigent­lich nie. Dann häm­mert er minu­ten­lang die sel­ben Moti­ve, baut erre­gen­de Bass­li­nes, ver­schiebt das Gan­ze stän­dig hin und her – denn Still­stand ist ein Kon­zept, das Tris­t­ano höchst fremd und frag­wür­dig erscheint: Immer drängt es ihn zu neu­en Klän­gen. Fas­zi­nie­rend vor allem die Über­gän­ge, die Ver­schie­bun­gen, die er dabei pro­du­ziert. Nur ein Pro­blem bleibt: Was macht der Tech­no jetzt im Kon­zert­saal? Tanz­mu­sik sit­zend bloß zu hören, ist immer etwas selt­sam, das wird hier ganz deut­lich. Denn das im eigent­li­che Sinn musi­ka­li­sche Mate­ri­al ist eher ein­fach und über­schau­bar. Ande­rer­seits stört das weni­ger, denn als Tech­no funk­tio­niert das aus­ge­zeich­net – oder wür­de es, wenn es im Club statt im Kon­zert­saal pas­sier­te.

(geschrie­ben für die main­zer rhein-zei­tung.)

Taglied 20.3.2013

Ronald Brau­ti­gam spielt Men­dels­sohn Bar­thol­dys „Lie­der ohne Wor­te“ – eine wun­der­ba­re Klang­rei­se. Zum Bei­spiel nach Vene­dig …

Men­dels­sohn Bar­thol­dy: Lied ohne Wor­te op. 30/​6 – Vene­tia­ni­sches Gon­del­lied

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Taglied 7.3.2013

Ronald Brau­ti­gam spielt Beet­ho­ven – und zwar ganz her­vor­ra­gend:

Lud­wig van Beet­ho­ven, Sona­te c‑moll op. 111 – I. Maes­to­so – Alle­gro con brio ed appas­sio­na­to

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Beet­ho­ven, Kla­vier­so­na­te 32, 2. Satz

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ClassicClash: Klavier – unter anderem

Das Kla­vier muss ganz schön lei­den. Kaum einen nor­ma­len Ton darf der Flü­gel im Frank­fur­ter Hof von sich geben. Denn beim zwei­ten Clas­sic­Clash, den Vil­la Musi­ca und SWR hier aus­rich­ten, sind zwei Kla­vier­spie­ler nach Mainz gekom­men, die man nicht mehr Pia­nis­ten nen­nen kann. Weder Joa­na Sá noch Haus­ch­ka begnü­gen sich näm­lich mit dem nor­ma­len Kon­zert­flü­gel. Nein, da wird prä­pa­riert, was nur geht: Kle­be­band und Magne­te, Glöck­chen und Papier, Metall und Stoff, sogar Tisch­ten­nis­bäl­le fin­den ihren Weg auf die Sai­ten und in das Gehäu­se des gro­ßen schwar­zen Instru­ments. Und Joa­na Sá begnügt sich damit noch lan­ge nicht: Rund um den Flü­gel hat sie noch Klin­gel, Glo­cken und Sire­nen aller Art auf­ge­baut. Und ein Toy-Pia­no steht auch noch bereit.

Das Wahn­sin­ni­ge ist dann, dass sie die­sen rie­si­gen Instru­men­ten­park auch aus­schöpft. Und alles zugleich zu spie­len scheint. Wobei schon der Begriff „spie­len“ hier voll­kom­men in die Irre führt: Das hat nichts Spie­le­ri­sches. Statt­des­sen regiert zwin­gen­der Ernst und Not­wen­dig­keit ihre Musik. Und manch­mal auch etwas Grimm. Dabei arbei­tet Sá zwar streng und kon­zen­triert, als wäre der Saal des Frank­fur­ter Hofes eine ein­sa­me Klos­ter­zel­le – aber die von ihr geschöpf­ten Klang­ge­bil­de sind sprü­hend leben­dig: Ein unab­läs­si­ges Sir­ren und Sur­ren, Flir­ren und Schep­pern ist das, der Flü­gel grollt, vom har­ten Pling bis zum schmer­zen­den Klang­ge­tö­se muss das Instru­ment eini­ges aus­hal­ten. Die Ohren aber auch, bei die­ser Erd­be­ben­mu­sik, die Klän­ge und Welt­bil­der zugleich zum Wackeln bringt. Denn Joa­na Sá ist nicht nur auf einer Rei­se in unbe­kann­te Klang­ge­gen­den, son­dern auf einer Rei­se, die sich die Klän­ge und Orte ent­lang ihres Weges über­haupt erst erschafft und in einer gro­ßen, toalen Unter­gangs­phan­ta­sie mün­det. Doch dann, weni­ge Augen­bli­cke spä­ter, schwenkt das Klang­ge­sche­hen zu sphä­ri­schen Idyl­len und ver­träum­ten Träu­me­rei­en über und ver­wei­gert sich kon­se­quent jeder Ein­deu­tig­keit. Man muss das viel­leicht gar nicht mögen, um die Genia­li­tät und Kraft die­ser Musik anzu­er­ken­nen.

Mögen, das macht Haus­ch­ka viel leich­ter. Er prä­pa­riert den Flü­gel auch, aber die­ses Mal klingt es wie­der ganz anders – so anders, das man in man­chen Tei­len den eigent­li­chen Kla­vier­klang nur noch erra­ten kann. Haus­ch­ka liebt das repe­ti­ve Moment, das bei ihm immer zwi­schen Pop, Elek­tro­ni­ca und Mini­mal Music chan­giert. Und wer das schon von sei­nen Auf­nah­men kennt, freut sich über die Prä­senz, die der Haus­ch­ka-Klang im Kon­zert gewinnt. Die ist natür­lich künst­lich, denn auch Haus­ch­ka ver­lässt sich nicht nur auf den Flü­gel, son­dern nimmt ger­ne mal elek­tro­ni­sche Hilfs­mit­tel mit dazu. Aber genau die­se Offen­heit in alle Rich­tun­gen, ob sie von „erns­ter“ Musik aus­geht wie bei Joa­na Sá oder eher „unter­hal­ten­de“ Momen­te zum Aus­gangs­punkt hat wie bei Haus­ch­ka, die­se Offen­heit und gegen­sei­ti­ge Befruch­tung ermög­licht ja der Clas­sic­Clash.

Scha­de nur, dass so vie­le Stüh­le leer blie­ben. Denn ein Gip­fel­tref­fen der prä­pa­rier­ten Kla­vie­re von die­sem For­mat kann man nun wirk­lich nicht alle Tage erle­ben.

(geschrie­ben (etwas kür­zer) für die main­zer rhein-zei­tung.)

Taglied 20.12.2012

Von York Höl­ler gibt es wirk­lich eini­ges an guter und schö­ner Musik, mer­ke ich in letz­ter Zeit immer wie­der:

http://youtu.be/Y4t1CxtLSGM

Taglied 20.11.2012

Micha­el Fin­nis­sy per­forms his own work, Autum­nal, for solo pia­no:


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Taglied 11.11.2012

[wpau­dio url=„http://dropbox.com/u/7455136/music/Limited%20Approximations.mp3“ text=„Georg Fried­rich Haas, Limi­t­ed Appro­xi­ma­ti­ons“ dl=„0“] via atonality.net

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