Das Klavier muss ganz schön leiden. Kaum einen normalen Ton darf der Flügel im Frankfurter Hof von sich geben. Denn beim zweiten ClassicClash, den Villa Musica und SWR hier ausrichten, sind zwei Klavierspieler nach Mainz gekommen, die man nicht mehr Pianisten nennen kann. Weder Joana Sá noch Hauschka begnügen sich nämlich mit dem normalen Konzertflügel. Nein, da wird präpariert, was nur geht: Klebeband und Magnete, Glöckchen und Papier, Metall und Stoff, sogar Tischtennisbälle finden ihren Weg auf die Saiten und in das Gehäuse des großen schwarzen Instruments. Und Joana Sá begnügt sich damit noch lange nicht: Rund um den Flügel hat sie noch Klingel, Glocken und Sirenen aller Art aufgebaut. Und ein Toy-Piano steht auch noch bereit.
Das Wahnsinnige ist dann, dass sie diesen riesigen Instrumentenpark auch ausschöpft. Und alles zugleich zu spielen scheint. Wobei schon der Begriff „spielen“ hier vollkommen in die Irre führt: Das hat nichts Spielerisches. Stattdessen regiert zwingender Ernst und Notwendigkeit ihre Musik. Und manchmal auch etwas Grimm. Dabei arbeitet Sá zwar streng und konzentriert, als wäre der Saal des Frankfurter Hofes eine einsame Klosterzelle – aber die von ihr geschöpften Klanggebilde sind sprühend lebendig: Ein unablässiges Sirren und Surren, Flirren und Scheppern ist das, der Flügel grollt, vom harten Pling bis zum schmerzenden Klanggetöse muss das Instrument einiges aushalten. Die Ohren aber auch, bei dieser Erdbebenmusik, die Klänge und Weltbilder zugleich zum Wackeln bringt. Denn Joana Sá ist nicht nur auf einer Reise in unbekannte Klanggegenden, sondern auf einer Reise, die sich die Klänge und Orte entlang ihres Weges überhaupt erst erschafft und in einer großen, toalen Untergangsphantasie mündet. Doch dann, wenige Augenblicke später, schwenkt das Klanggeschehen zu sphärischen Idyllen und verträumten Träumereien über und verweigert sich konsequent jeder Eindeutigkeit. Man muss das vielleicht gar nicht mögen, um die Genialität und Kraft dieser Musik anzuerkennen.
Mögen, das macht Hauschka viel leichter. Er präpariert den Flügel auch, aber dieses Mal klingt es wieder ganz anders – so anders, das man in manchen Teilen den eigentlichen Klavierklang nur noch erraten kann. Hauschka liebt das repetive Moment, das bei ihm immer zwischen Pop, Elektronica und Minimal Music changiert. Und wer das schon von seinen Aufnahmen kennt, freut sich über die Präsenz, die der Hauschka-Klang im Konzert gewinnt. Die ist natürlich künstlich, denn auch Hauschka verlässt sich nicht nur auf den Flügel, sondern nimmt gerne mal elektronische Hilfsmittel mit dazu. Aber genau diese Offenheit in alle Richtungen, ob sie von „ernster“ Musik ausgeht wie bei Joana Sá oder eher „unterhaltende“ Momente zum Ausgangspunkt hat wie bei Hauschka, diese Offenheit und gegenseitige Befruchtung ermöglicht ja der ClassicClash.
Schade nur, dass so viele Stühle leer blieben. Denn ein Gipfeltreffen der präparierten Klaviere von diesem Format kann man nun wirklich nicht alle Tage erleben.
(geschrieben (etwas kürzer) für die mainzer rhein-zeitung.)
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