Das einzige, was das freie Zusammenspiel von Angebot und Nachfrage im Geistigen derzeit behindert, ist der doofe Markt. Hoffentlich bricht er bald zusammen, damit man wieder zum Schreiben und Lesen kommt. Dieter Dath, Heute keine Konferzen, 25
Schlagwort: kapitalismus
Die Kapitalisten führen sich auf, als wollten sie zur Menschheit gar nicht gehören.
Na schön. Dietmar Dath: Maschinenwinter. Wissen, Technik, Sozialismus. Eine Streitschrift. Frankfurt am Main: Suhrkamp 2008 (edition unseld, 8), 86
und haut dabei schön auf die kollegen von der süddeutschen ein. denn die, so suggeriert jens jessen, hätten die restaurierung von fassbinders berlin alexanderplatz nur deshalb verteidigt, weil die entsprechenden dvds in ihrem laden vertrieben werden. das mag ja sogar so sein — wobei ich das nicht annehme, denn die aufsicht über die restaurierung und insbesondere die in frage stehende aufhellung hatte fassbinders kameramann, der ja so ungefährt wissen dürfte, wie das ganze mal gedacht war. es mag also sein, wie es will. und natürlich sind die ganzen nebengeschäfte mir auch ein dorn im auge. aber wenn das in der zeit kritisiert wird, so ist das bloß hypokritisch. und sein schlusssatz zeigt außerdem, dass er das wahre problem (er beschwört ja auch weniger die möglichkeit der tatsächlichen bestechung, sondern den glaubwürdigkeitsverlust alleine durch den argwohn, den diese möglichkeit auslöst) wenn vielleicht auch nicht verkennt, so doch herunterspielt: „Zeitungen, die Nebengeschäfte treiben […], müssen höllisch aufpassen, die filigrane Grenze zwischen redaktionellem Urteil und Werbung in eigener Sache nicht zu verwischen.” denn diese grenze ist doch nun wirklich überhaupt nicht filigran, sie ist ganz schnurgerade und deutlich zu erkennen — überschritten wird sie von den kollegen der zeit genau wie von denen der süddeutschen (und all den anderen medien auch) regelmäßig und — so behaupte ich — durchaus in voller absicht und kenntnis.
ich bleibe jetzt einfach mal bei der früheren schreibweise als normaler name. obwohl die neue kontrahierte form den kunstcharakter dieser bezeichnung ja schon deutlicher macht. andererseits war es ja gerade der witz, das man (zunächst) nicht wusste, wo der künstler aufhört und der mensch anfängt, der den früheren peter licht interessanter gemacht hat. auch die musik seiner ersten beiden alben, stratosphärenlieder und 14 lieder, hat mir besser gefallen als sein aktuellstes, die lieder vom ende des kapitalismus. und zwar nicht nur (aber auch ein wenig) textlich (früher: mehr witz, mehr skurillitäten, absurditäten der gegenwärtigkeit), sondern vor allem musikalisch — wenn peter licht so stinknormalen gitarrenpop macht, wird das ganze projekt irgendwie doch eben auch ganz normal und nichts besonderes mehr. früher war zwar nicht alles besser, aber seine musik hatte den entscheidenden kick überdrehtheit mehr, der sie interessant wirken ließ.
aber hier soll es ja eigentlich um sein buch gehen: peterlicht: wir werden siegen! buch vom ende des kapitalismus. münchen: blumenbar 2006. und das lässt zunächst einmal die üblichen befürchtungen wahr werden: geschrieben, sozusagen schwarz auf weiß, wirkt das alles nur noch halb so gut — plötzlich merkt man eben, wie billig und abgenutzt die wortwitzeleien in wirklichkeit schon sind. schwarz auf weiß ist übrigens falsch, das buch ist in (hell-)blau (mit ein wenig blassrot) gedruckt. und in einer ziemlich katastrophalen schrift gesetzt, mit absolut unmöglichen i‑ligaturen — sogar rückwärts bei der verbindung gi, die einem das lesen schon fast wieder verleiden. aber immerhin kann man ja noch peter lichts kugelschreiber-gekritzel bestaunen. aber auch das gab es schon mal, in der perfekten form etwa bei dieter roths telefonzeichnungen — wenn man sich das vor augen hält, wirkt peter licht auf einmal wieder wie ein ganz kleines licht (‘tschuldigung, der witz musste jetzt mal sein).
die absolute und ganz typische all-round-vermarktung hat inzwischen von peter licht besitz ergriffen: musik, theater, buch, demnächst kommt bestimmt noch ein kinofilm… auch seine masche mit der anonymität ist natürlich eben nur eine masche, die bei der ökonomischen verwertung hilft: peterlicht ist die marke, die muss erkennbar sein und sich vom rest abheben. immerhin behauptet peter licht m.w. nicht, dass es anders sei…
was ist das also für ein buch: das ist ein nettes und hübsches sammelsurium: kleine erzählungen, notate, gedanken-fundstellen, sinnsprüche und natürlich liedtexte (komplett erwartungsgemäß die “lieder vom ende des kapitalismus”, aber auch andere, ältere — inklusive dem fast unvermeidlichem “sonnendeck”, das überraschenderweise zu den gelungensten seiten dieses buches gehört:
“wenn ich nicht hier bin
bin ich aufm sonnendeck
bin ich bin ich bin ich bin ich
und wenn ich nicht hier bin
bin ich aufm sonnendeck
oder im aquarium
bin ich bin ich
und alles was ist
dauert drei sekunden:
eine sekunde für vorher eine für nachher
und eine für mittendrin
für da wo der gletscher kalbt
wo die sekunden
ins blaue meer fliegen
und wenn ich nicht hier bin
bin ich aufm sonnendeck
bin ich bin ich bin ich bin ich”
daneben steht aber auch etliches an leider ziemlich einfältig-primitiven lyrik — zusammen gemischt zu einer in jedem zeichen, in jedem banalen gekritzel bedeutung suggerierenden mixtur, die aber auch wieder nur leeres geblubber ist. das ganze dreht sich gerne immer wieder um licht & damit verbundene metaphern. aber die zweit- oder drittverwertung seiner ideen & gedanken, die in ihren ursprünglichen formen — meist eben dem lied — wesentlich frischer & interessanter wirken & auch sind, wie das die “transsylvanische verwandte” sehr deutlich macht, lässt sich am besten wieder mit peter licht selbst charakterisieren: “das hier macht lalala und versendet sich” punkt.
seinem spieltrieb hat er dabei reilich freien lauf gelassen — oft wünscht man sich nichts sehnlicher, als den gebrauch der vernunft und des verstandes durch den autor. ich muss dann allerdings auch zugeben, dass es nicht ganz so schlimm ist, wie sich das hier jetzt lesen mag. und dass trotz allem gemecker auch ein paar nettigkeiten dabei sind. und zwar vor allem da, wo die poetische beschreibungen ein gleichgewicht mit den banalitäten des alltags, denen sich peter licht so gerne widmet, auch sprachlich eingehen. und außerdem lässt sich generell beobachten: eine gewisse leichtigkeit, ein schweben, — fast wie in der schwerelosigkeit — die schwerkraft ist ja, darauf hat peter licht bereits früher hingewiesen — überflüssig — im weltraum geht’s ja auch ohne sie…
aber trotzdem: im gesamten scheint mir das doch eben genau die art von bedeutungsschwangerem geraune und pseudointellektueller pseudokunst zu sein, die mir den pop in seiner einfachen form der gegenwart so oft so sehr verleidet. ist das jetzt womöglich ein deutsches phänomen?