Internationale Pianisten aus Deutschland – nein, das ist kein Widerspruch. Denn alle Künstler, die der SWR für die zehnte Auflage seiner Konzertreihe „Internationale Pianisten“ nach Mainz holt, sind weit über die Grenzen ihres Heimatlandes erfolgreich. Auch Markus Groh, der die Jubiläumssaison im Frankfurter Hof eröffnen durfte. Und Erfolg hat er zu recht: Sein Mainzer Auftritt zeigt den jungen Pianisten als Musiker von Rang. Und auch als Rebell, der zwar im konventionellen Frack kommt, auf seinen Pferdeschwanz aber auch nicht verzichtet. Dieser Akkord von Aufbegehren und Tradition ist allerdings mehr als eine bloße Äußerlichkeit, er prägt sein Spiel durch und durch.
Denn er sucht sich immer seinen eigenen Weg – ob es um die „Drei Intermezzi“ von Brahms geht, um eine Beethoven-Sonate oder um Erwin Schulhoffs „Cinq Études de Jazz“: Konventionen sind für ihn nie selbstverständlich, sondern müssen erst einmal auf den intellektuellen und musikalischen Prüfstand. Denn das ist die andere Seite von Markus Groh: Er ist nicht nur ein gestandener Virtuose. Im Gegenteil, die gewandte Beherrschung der Klaviertechnik ist reine Nebensache. Ihm geht es immer auch darum, die Strukturen der Kompositionen hörbar zu machen, möglichst jeden einzelnen Ton – und wirklich jeden ganz für sich – so zu spielen, dass sein Publikum quasi mit dem Mikroskop und dem Fernglas gleichzeitig auf das Werk schauen kann. Und das gelingt ihm ohne Zweifel. Die Brahmsschen Intermezzi sind selten so klar, so vollkommen logisch und nachvollziehbar zu hören. Dafür haben sie bei anderen Pianisten mehr Gefühl, mehr emotionalen Überschwang. Denn Groh bleibt immer sehr cool. Beethovens G‑Dur-Sonate op. 31/1 verliert im Zuge dessen ziemlich viel von ihrem Esprit und Humor.
Die italienische Abteilung der „Années de Pèlerinage“ von Liszt dagegen berührt ihn hörbar viel mehr. Hier gibt es auf einmal Momente, in denen sich Groh in der Musik fast zu verlieren scheint, in denen er vollkommen aufgeht im Klang – das gab es vor der Pause so nicht. Überhaupt der Klang: Da hat er einiges zu bieten, wenn er will. Vor allem die Präzision, mit der er die sanft gleitenden Übergänge gestaltet, ist faszinierend. Und seine dynamischen Fähigkeiten beeindrucken mit einer fast unerschöpflichen Differenzierung und Genauigkeit. Doch die Hingabe, mit der Groh Liszt entfaltet, verleitet ihn dennoch nie zu emotionalen Kurzschlüssen: Immer bleibt seine großen Stärke, seine Fähigkeit, der Musik kristallne Klarheit zu schenken etwa, ungebrochen. Und das ist so großartig, dass er trotz seines langen Programmes natürlich nicht ohne Zugaben von der Bühne darf.
(geschrieben für die mainzer rhein-zeitung.)