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Schlagwort: humor

Ins Netz gegangen (2.2.)

Ins Netz gegan­gen am 2.2.:

  • Krach um Cas­torfs “Baal”: Opi­um ist Reli­gion fürs Volk — Tagesspiegel — peter lau­den­bach macht sich über den ver­such, die cas­torf-insze­nierung des brecht’schen “baal” zu ver­bi­eten, lustig:

    Vielle­icht sollte sich die Rechtsabteilung bei Gele­gen­heit auf den Stand des eige­nen Ver­lagspro­gramms brin­gen – von Fou­caults Kri­tik am Begriff des Autors über Kris­tevas Wis­sen, dass in einem Text viele Stim­men sprechen, bis zu Hein­er Müllers Hin­weis: „Brecht gebrauchen ohne ihn zu kri­tisieren, ist Ver­rat.“ Man kann Cas­torf vieles vor­w­er­fen – nicht aber , dass er Brech…

  • Warum klas­sis­che Musik schon immer poli­tisch war — Süddeutsche.de — rein­hard j. brem­beck beschreibt, warum musik — und musik­er — immer poli­tisch ist (mit eini­gen seit­en­hieben auf aktuell musizierende …)

    Und nicht nur die Musik­er sind, ja, müssen poli­tisch sein. Auch die Kom­po­si­tio­nen sind unau­flös­lich ver­bun­den mit dem sie bedin­gen­den poli­tis­chen Sys­tem.

  • Lit­er­aturkri­tik ver­sus Lit­er­atur­jour­nal­is­mus — lothar struck ergänzt die bemerkun­gen von jörg sun­der­meier um einige meines eracht­ens sehr richtige, wichtige und zus­tim­mungs­fähige beobach­tun­gen und ein­schätzun­gen:

    Ich plädiere für die ein­deutige Unter­schei­dung zwis­chen »Lit­er­aturkri­tik« und »Lit­er­atur­jour­nal­is­mus«. Dem­nach ist Lit­er­aturkri­tik der meist etwas umfan­gre­iche Ver­such, nicht nur den Inhalt eines Buch­es wiederzugeben, son­dern darüber hin­aus for­male und ästhetis­che Kom­po­nen­ten zu ein­er lit­er­arischen Bew­er­tung her­anzuziehen. […] Die Lit­er­aturkri­tik sollte am Text »kleben«, ohne ihn gram­matikalisch zu sezieren. Neben der Kri­tik am Plot, an ein­er Hand­lung, sollte auch auf die Sprache und die Form geachtet wer­den. Außer­lit­er­arische Bezüge soll­ten ver­nach­läs­sigt wer­den.
    Lit­er­atur­jour­nal­is­mus hinge­gen reduziert die Kom­plex­ität, bilanziert vor­eilig in Schubladen, druckt leicht zitier­bare Etiket­ten. Lit­er­aturkri­tik ihrer­seits öffnet den Text, find­et Alle­gorien, engt jedoch den poten­tiellen Leser nicht ein, son­dern erzeugt Neugi­er. Lit­er­atur­jour­nal­is­mus ist pater­nal­is­tisch und pos­tuliert Urteile, Lit­er­aturkri­tik begrün­det sie. Lit­er­atur­jour­nal­is­mus ist getrieben und unter­liegt den kom­merziellen Geset­zen von Ver­lagspro­gram­men und deren Zyklen. Lit­er­aturkri­tik hat Zeit und ver­langt Zeit. Lit­er­atur­jour­nal­is­ten haben Fre­unde, Lit­er­aturkri­tik­er Kol­le­gen.

  • Fire­fox und Chrome ver­rat­en IP-Adressen trotz VPN | heise Net­ze — ständig muss man irgend­wo nachbessern …

    Viele Nutzer ver­schleiern ihre eigentliche IP-Adresse und damit ihren Stan­dort, indem Sie über einen VPN-Serv­er ins Inter­net gehen. Die WebRTC-Imple­men­tierun­gen von Mozil­la Fire­fox und Google Chrome plaud­ern aber die Adresse aus.

    — immer­hin lässt sich das auch ver­hin­dern.

  • Span­ish Civ­il War pho­tos by Agusti Cen­telles and Robert Capa.
  • Energiewende: “Aut­o­fahren ist viel zu bil­lig” | ZEIT ONLINE — andreas knie:

    Wir haben in Deutsch­land so viele Autos, dass alle Ein­wohn­er auf den vorderen Sitzen Platz nehmen kön­nten, auch die Babys und Rent­ner. Und Fortschritte, beispiel­sweise durch sparsamere Motoren, wer­den durch die Leis­tungssteigerung der Fahrzeuge ein­fach zunichtegemacht. Eine mutige Bun­desregierung müsste das ändern.

  • Tal der Ahnungslosen | misik.at — »Die blanken Sta­tis­tiken des IWF zu referieren ist heute schon linkspop­ulis­tisch.«
  • Inter­view ǀ „Immer noch so cool“ — der Fre­itag — carl hege­mann über die volks­bühne:

    Dieses The­ater hat den The­ater­be­griff verän­dert. Auch durch die Dreistigkeit, mit der sich Schaus­piel­er als sie sel­ber auf die Bühne stell­ten und nicht nur als Fig­uren. Hen­ry Hübchen war da der Vor­re­it­er, der in den Räu­bern sagte: „Meinen Sie, ich mach das hier gerne: jeden Abend Franz Moor – seit 200 Jahren?“ – und dann das Pub­likum als „Kadet­tfahrer“ beschimpfte. Diese Per­spek­tive hat das The­ater stark verän­dert. Und die Theaterwissenschaft.</bloc…

  • Furios in den Unter­gang — Jörg Sun­der­meier — jörg sun­der­meier noch ein­mal pointiert zu sein­er sicht des standes der lit­er­aturkri­tik in den medi­en heute:

    Das erk­lärt die Mis­ere der Lit­er­aturkri­tik aber nicht hin­re­ichend. Dieser fehlen vor allem die Kri­te­rien. Stilis­tis­ches Kön­nen eines Autors wird oft nur behauptet, nicht belegt, offenkundi­ge Stil­blüten wer­den nicht angeprangert, die Fig­urenkon­stel­la­tio­nen wer­den nicht unter­sucht, der Plot nicht analysiert – im Gegen­teil. Ein Buch wird von ein­er Rezensentin für eine Beson­der­heit …

  • Neue Studie über Fahrrad­fahren unter Alko­hole­in­fluss — der rechtsmedi­zinier thomas dal­drup hat den ein­fluss von alko­holkon­sum auf’s fahrad­fahren unter­sucht — mit über­raschen­den ergenis­sen:

    Nach unseren Ergeb­nis­sen müsste die Recht­sprechung eigentlich in dem Sinne rev­i­diert wer­den, dass es für Fahrrad­fahrer keine Ober­gren­ze mehr gibt. Auch mit 1,6 Promille oder mehr – manche Teil­nehmer hat­ten sog­ar zwei Promille – kön­nen einige ohne große Aus­fall­er­schei­n­un­gen Rad fahren. Ein pauschal möglich­es Strafver­fahren bei 1,6 Promille erscheint nach…

  • Jan Böh­mer­mann: Der Allei­n­un­ter­hal­ter | ZEIT­magazin — matthias kalle erk­lärt im “zeit­magazin” jan böh­mer­mann und dessen neue sendung “neo mag­a­zin royale”, die im “richti­gen” zdf zu sehen sein wird
  • Unge & die YouTu­ber Szene: Jan Böh­mer­mann im Inter­view bei Visa Vie (zqnce) — YouTube — “Googlet mal “dif­feren­ziert””: Jan Böh­mer­mann zur YouTu­ber-Szene, medi­alen Ver­ant­wor­tung & Auf­gaben der Kul­turkri­tik

Politik, Gesellschaft, das Lachen und der Ernst in unserer Postmoderne

Georg Seeßlen schreibt heute in seinem Blog (das ja über­haupt sehr empfehlenswert ist, schon wegen seines Titels — “Das Schön­ste an Deutsch­land ist die Auto­bahn”) einen sehr lesenswerten, nach­den­klichen und besorgten Text über unsere Zeit, den ich zur heuti­gen Pflichtlek­türe erk­läre: “Schluss mit Lustig? Über die sehr gerin­gen Chan­cen, vor Lachen einen klaren poli­tis­chen Gedanken zu fassen.” Darin heißt es zum Elend der Post­mod­erne (die Diag­nose ist ja nicht neu, hier aber schön auf den Punkt gebracht) in Bezug auf Poli­tik und Gesellschaft unter anderem:

Ich bin ges­pal­ten. Ich wün­sche mir keine Rück­kehr der Sauertöpfe und der Rechthaber, schon gar keine der Stal­in­is­ten und Sem­i­nar­is­ten. Zu Recht mis­straut die Kul­tur des Unern­stes den großen Wel­terzäh­lun­gen und hero­is­chen Mythen der Geschichte, zu Recht mis­straut sie Lösun­gen, Mod­ellen, Pro­jek­tio­nen, Helden und Vor­denkern; zu Unrecht aber glaubt sie, man könne sich durch Ironie, Mod­er­a­tion und Dis­tanz von der Ver­ant­wor­tung für den Lauf der Dinge befreien. Zu Unrecht glaubt sie an eine Möglichkeit, sich rauszuhal­ten und trotz­dem alles zu sehen. Zu Unrecht glaubt die Kul­tur von Abklärung und Unernst, den Mächti­gen sei am besten mit tak­tis­ch­er Nachgiebigkeit und einem Hauch von Sub­ver­sion zu begeg­nen. Lei­den­schaftliche und zornige Gesten erscheinen in der Kul­tur als kindisch, vul­gär und unan­genehm.
[…] Bis­lang hat doch noch ein jed­er zu Ende gedachter Gedanken nichts als Ter­ror oder Wahn mit sich gebracht. Bis­lang ist aus jed­er Überzeu­gung eine Ide­olo­gie, und aus dieser ein neuer Unter­drück­ungsap­pa­rat gewor­den.

Es ist ja auch ver­rückt: Alles hat seine Dialek­tik, alles hat sein Gegen­teil. Und seine Extreme sowieso. Vielle­icht müssen wir uns wirk­lich wieder ganz weit zurück besin­nen. Zum Beispiel auf die Niko­machis­che Ethik des Aris­tote­les? Aber deren poli­itis­che Imp­lika­tio­nen sind vielle­icht auch nicht unbe­d­ingt unser Ding (und unser Heil wohl auch nicht …). Es ist eben schwierig, das alles. Und Auswege gibt es vielle­icht auch gar nicht. Denn die Gefahr ist immer dar. Im Moment zum Beispiel so:

Aber sie ist auf dem besten Weg, eine Gesellschaft der grausamen Gle­ichgültigkeit zu wer­den, eine Gesellschaft, die aus lauter Ironie und Mod­er­a­tion der poli­tis­chen Lei­den­schaften gar nicht mehr erken­nt, dass sie sel­ber zu etwas von dem gewor­den ist, was sie fürchtet. Denn auch die Abklärung hat so ihre Dialek­tik, auch sie kann zum Dog­ma und zum Wahn wer­den.

Aber ander­er­seits lehrt uns die Geschichte nicht nur, dass Gedanken zu Ter­ror wer­den (kön­nen). Son­dern auch, dass es immer andere und neue Gedanken gibt, die den Ter­ror — zumin­d­est zeitweise — beseit­i­gen oder ein­schränken zu ver­mö­gen. Wenn es also doch keine “Lösung” gibt, so gibt es doch zumin­d­est Hoff­nung. Die lasse ich mir nicht nehmen. Jet­zt zumin­d­est noch nicht.

Netzfunde vom 15.5.

Meine Net­z­funde vom 15.5.:

  • Über­set­zen | Postkul­tur — Jahn Kuhlbrodt über das Über­set­zen:

    eigentlich ist es ein wildern im gestrüpp fremder sprachen, ein suchen nach der struk­tur, die mir bekan­ntes birgt. […] dabei müssen fremde sprachen keine fremd­sprachen sein.

  • “Wer bin ich?” — … warum Jan-Mar­tin Klinge bei “Wer bin ich” nicht mehr mit­spie­len darf
  • Masern in Bay­ern auf dem Vor­marsch — Gesund­heit — Süddeutsche.de — Fatale Impfskep­sis: In München war­nen die Behör­den vor ein­er Masernepi­demie. Kein Wun­der: In Bay­ern erhal­ten deut­lich weniger Kinder den vollen Impf­schutz als in vie­len anderen Bun­deslän­dern. Ihre Eltern wis­sen nicht, wie schw­er­wiegend die Infek­tion­skrankheit mitunter ver­läuft — und was die Langzeit­fol­gen sein kön­nen.

Netzfunde vom 31.12. bis zum 4.1.

Meine Net­z­funde für die Zeit vom 31.12. zum 4.1.:

Primzahlen & Witze

Ger­ade habe ich ein sprach­wis­senschaftlich­es Update meines Lieblings-Physik­er-Witzes ken­nen­gel­ernt. Und das macht — man mag es kaum glauben — den Witz tat­säch­lich noch bess­er. Zumin­d­est für Men­schen, die ein biss­chen Ahnung von Lin­guis­tik haben:

A mathe­ma­ti­cian, a phy­si­cist, an engi­neer, and a lin­gu­ist are try­ing to decide if all odd num­bers are prime. The mathe­ma­ti­cian says, „one’s prime, 3’s prime, 5’s prime, 7’s prime, 9’s not prime, so no.“ The phy­si­cist says, „one’s prime, 3’s prime, 5’s prime, 7’s prime, 9’s not prime, but maybe that’s expe­ri­men­tal error.“ The engi­neer says, „one’s prime, 3’s prime, 5’s prime, 7’s prime, 9’s prime … “
The lin­gu­ist says, „one’s prime, 3’s prime, 5’s prime, 7’s prime. Aha! We have a uni­ver­sal gene­ra­liza­tion. Nine doesn’t seem to be prime, but it MUST be prime at some under­ly­ing lev­el of rep­re­sen­ta­tion!“

Ich ver­such’ das mal zu über­set­zen:

Eine Math­e­matik­erin, ein Physik­er, ein Inge­u­nier und eine Sprach­wis­senschaft­lerin disku­tieren, ob alle unger­aden Zahlen Primzahlen sind. Die Math­e­matik­erin sagt: 1 ist eine Primzahl1, 3 ist ein Primzahl, 5, 7 auch, 9 ist keine Primzahl: Also ist die Antwort Nein. Der Physik­er sagt: 1 ist eine Primzahl, 3 ist ein Primzahl, 5 und 7 auch, 9 ist ein Mess­fehler — also Ja. Der Inge­nieur sagt: 3 ist ein Primzahl, 5, 7 auch, 9 ist auch eine Primzahl …
Die Sprach­wis­senschaft­lerin sagt: 1 ist eine Primzahl, 3 ist ein Primzahl, 5 und 7 auch — aha, hier haben wir also eine Uni­ver­salie. 9 scheint da nicht reinzu­passen, aber es *muss* auf ein­er unteren Ebene der Repräsen­ta­tion eine Primzahl sein!

Nun ja, lustig find­en das wahrschein­lich wirk­lich nur Lin­guis­ten ;-)

Show 1 foot­note

  1. Ja, ich weiß, das ist eigentlich falsch und Math­e­matik­er wür­den das nicht sagen — aber son­st funk­tion­iert der Witz nicht so gut …

Zweierlei

Front-CoverSchon die ersten Tak­te des spritzig-leicht­en “Two for Two” (das dann auch nur drei Minuten dauerten) sind faszinierend. Also keine Über­raschung? Denn Aki Takase zieh micht eigentlich immer in ihren Bann. Und Han Ben­nink ver­fügt ja auch über anziehende Qual­itäten. Aber ganz so ein­fach dann doch nicht. Vor allem weil’s in den fol­gen­den Titeln nach der net­ten Auf­takt-Spiel­erei wieder deut­lich kom­plex­er und tiefer wird. Ein­druck: Kommt erst langsam in Fahrt. So richtig gefrick­elt, so richtig wild zum Beispiel erst der “Zankapfel”, eine Eigenkom­po­si­tion (wenn man hier von Kom­po­si­tion sprechen mag) von Takase — neben eini­gen The­olo­nius-Monk-Ref­eren­zen (natür­lich!) spielt das Duo haupt­säch­lich ihr Mate­r­i­al.

Swing steckt da dur­chaus auch eine Menge drin. Auch wenn das eigentlich doch eine “alte” Kat­e­gorie des Jazz ist. Taucht in let­zter Zeit wieder häu­figer auf (eine Art Rückbesin­nung?), auch­bei Hard­core-Free-Jazzern. Hier auch tat­säch­lich im “his­torischen” Sinn — man muss sich nur “Knut” anhören, auch eine (Yoko Tawa­da gewid­mete Eigenkom­po­si­tion von Takase). Auch wenn das doch mit einem leicht­en Dreh, ein­er zumin­d­est min­i­malen, sehr unauf­fäl­li­gen Ver­schiebung verse­hen wird. Und doch bleibt das revolutionäre/revoluzzerische/aufständlerische Poten­zial hier, in dieses Duos, beschei­den und zurück­hal­tend. Dom­i­nan­ter, d.h. vor allem auf­fäl­liger, ist der Witz des under­state­ments, der musikhis­torischen Anspielung, der kleine, ver­steck­ten Geste, die den bei­den Musik­ern — so hört sich das zumin­d­est an — immer wieder ein Lächeln ins Gesicht treibt. Ganz entspan­nt ist das: richtig spaßige, Gute-Laune-Musik, mit Humor und Augen­zwinkern — und Geschichts­be­wusst­sein.

Das Book­let hat einen dazu passenden, fast lusti­gen Druck­fehler: im Track­list­ing sind alle Stücke 3:12 lang. Ich dachte erst, da ste­ht ein Konzept dahin­ter — bei Musik­ern ist ja alles möglich, auch wenn es mich bei diesen erstaunt und ver­wun­dert hätte. Aber ein Blick auf die Anzeige meines CD-Spiel­ers hat mich dann doch eines besseren belehrt …

Aki Takase & Han Ben­nink: Two for Two. Intakt Records 2011. Intakt CD 193.

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