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Schlagwort: groove

jazz im klangraum: jazztage mainz, tag 1

Beim ersten Mal hätte es noch Glück sein kön­nen, beim zweit­en Mal kann der Erfolg der Jaz­ztage Mainz kein Zufall mehr sein. Acht Bands in zwei Tagen ist eine Menge Musik, aber im „Klan­graum“, wie die Organ­isatoren sich nen­nen, ist Platz für vieles. Musikalis­che Gren­zen sind hier längst aufge­hoben. So war es auch beileibe kein reines Jazz-Fes­ti­val, der Pop nahm auch gehöri­gen Raum ein.
Den Anfang machte das sehr relaxte „Diethelm Duo“. Mit der Beset­zung Fend­er Rhodes und Sax­ophon spiel­ten sie angenehm entspan­nte Kom­po­si­tio­nen mit unüber­hör­baren Wurzeln im West-Coast-Cool-Jazz. Ihre fein gewobe­nen, dur­chaus mal psy­che­delisch ange­haucht­en klar struk­turi­erten Songs gle­ichen dabei Aus­flüge in verträumte Gegen­den.
Das Quar­tett um den Gitar­ris­ten Daniel Stel­ter, dass die Bühne danach eroberte, führte in ganz andere Regio­nen. Denn sie heizten unbarmherzig ein, als wür­den sie schon ewig zusam­men spie­len. Dabei waren die Jaz­ztage ihr erster Live-Auftritt über­haupt, bish­er spiel­ten sie nur im Stu­dio zusam­men. Uner­bit­tlich groovten sie mit allen Mit­teln und ent­pup­pten sich dabei als echte Klang-Extrem­is­ten. Vom ersten Ton jedes neuen Stück­es an ver­fol­gten sie die Eskala­tion ihres knack­i­gen Sounds mit enormer Kon­se­quenz. Die Rasanz, mit der diese Mis­chung aus Jazz, Fusion und hartem Rock von einem Extrem ins andere kippt, war beein­druck­end. Genau­so wie die Sicher­heit, mit der die vier jun­gen Musik­er das mit vollem Kör­pere­in­satz vom wip­pen­den Fuß bis zur exaltierten Mimik umset­zten.
Frau­Con­tra­Bass ver­hieß dann erst ein­mal wieder kam­mer­musikalis­che Entspan­nung. Aber von wegen: Auch das Duo von Sän­gerin Katha­ri­na Debus und Bassist Hanns Höhn ließ kaum Luft zum Aus­ruhen. Dafür hat­ten ja auch die reich­lich dimen­sion­ierten Umbau­pausen genü­gend Gele­gen­heit gegeben. Auf die Idee muss man freilich erst ein­mal kom­men, mit Bass und Gesang aus­ge­suchte Perlen der Popgeschichte neu zu inter­pretieren. Ste­vie Won­der hat diese artis­tis­che Duo genau­so auf dem Pro­gramm wie Michael Jack­son oder Brit­ney Spears. Und weil Debus eine sehr wand­lungs­fähige Sän­gerin auch ohne Text ist und Höhn seinen Kon­tra­bass auch mal zum Schlagzeug ver­wan­delt, funk­tion­ierte das wun­der­bar.
Funk­tion­ieren trifft auch die Vorge­hensweise von „Trance Groove“ sehr genau. Die sieben Musik­er um den Schlagzeuger Ste­fan Kracht­en grooven mit scham­losem Ekkle­tizis­mus und gnaden­los­er guten Laune seit über fün­fzehn Jahren durch Jazz, Rock und Funk. Und sie klin­gen immer noch frisch und unver­braucht, voller Ideen und vor allem Spon­taneität und echter Kraft – auch in der Show­bühne Mainz. Ein wirk­lich mitreißen­der und fet­ziger Abschluss des Abends – für die Jaz­ztage Mainz allerd­ings ger­ade ein­mal die Hal­bzeit, denn auch der Sam­stag war ja wieder voller Musik.

(geschrieben für die mainz­er rhein-zeitung)

nichts für müde beine oder müde ohren: candy dulfer in mainz

„Can­dy Store“ ste­ht in großen Buch­staben über der Bühne geschrieben. Aber das ist irreführende Wer­bung. Denn was hier über die Bühne geht, ist alles andere als süß. Die nieder­ländis­che Sax­o­phon­istin Can­dy Dulfer ist es, die mit ihrer Band den Frank­furter Hof aufmis­cht.
Nach län­ger­er Absti­nenz ist die Meis­terin des Funk mal wieder in Mainz. Und kaum ste­ht sie auf der Bühne, geht die Par­ty auch schon los. Denn das ist nichts zum Zuschauen, jed­er Groove geht in die Beine: Diese Funkat­tacke würde auch hart­ge­sot­tene Par­ty­muf­fel über­wälti­gen – wenn denn welche da wären. Denn die Par­ty find­et nicht nur auf der Bühne statt, son­dern auch davor. Kein Wun­der – schließloich präsen­tieren sich die Musik­er vom ersten bis zum let­zten Ton energiege­laden und spaßgetrieben. Das ist sozusagen die per­fek­te Novem­ber­musik.
Dafür bedi­ent sich Can­dy Dulfer wieder ein­mal aus­giebig vom reich­halti­gen Funkbuf­fett. Trotz der Fülle schmeckt es aber aus­geze­ich­net. Oder ger­ade deswe­gen. Denn das ist alles andere als ein chao­tis­ches Sam­mel­suri­um. Son­dern eine per­fekt abges­timmte Menü­folge. Nicht ohne Ver­di­enst daran ist die Crew, die die Chefköchin Dulfer unter­stützt. Das Zusam­men­spiel ist aus­ge­sprochen dicht. Deut­lich wird das noch ein­mal, wenn sie für das Finale einen großar­ti­gen Groove über mehrere Minuten schön sorgsam von unten Stück für Stück, Instru­ment für Instru­ment auf­bauen – da bleibt nie­mand unberührt, da kocht der Saal beina­he über. Es ist aber auch wirk­lich ein Groove der Extrak­lasse, der dabei her­auskommt. Und damit passt er genau zum krö­nen­den Abschluss. Denn wenn etwas beze­ich­nend für Dulfer und ihre Band ist, dann ist es die Fähigkeit, alles und jedes grooven zu lassen.
Ein biss­chen etwas Wahres ist also doch dran, an der Ver­heißung eines „Can­dy Stores“: Denn die Menge an Zutat­en, die vie­len Auswahlmöglichkeit­en, von denen sich Can­dy Dulfer und ihre Band bedi­enen könne, erin­nern schon an die über­wälti­gen­den Möglichkeit­en eines Süßwaren­han­dels. Einen Zuck­er­schock bekommt man davon allerd­ings nicht. Und außer­dem ist so ein Konz­ert auch noch bess­er für die Fig­ur.

(geschrieben für die mainz­er rhein-zeitung). was nicht drin ste­ht: der ziem­lich mäßige sound im hin­teren teil des saales — trotz oder wegen der ziem­lich hefti­gen laut­stärke …

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