reinhard jirgl, in meinen augen einer der ganz wenigen ganz großen lebenden deutschen schriftsteller (in der bedeutung als sprach-künstler) erhält heute den lion-feuchtwanger-preis für historische romane. fast ein wenig ironisch, diese auszeichnung. denn auch wenn jirgls romane sich thematisch mit der vergangenheit beschäftigen (zwar nicht unbedingt in erster linie, wie es die pressemitteilung der akademie der künste will, mit “mit heißen Eisen, die sonst keiner anfassen mag”), so fällt mir ihre charakterisierung als “historische” romane doch eher schwer. das liegt natürlich zum einen an der form/kategorie selbst, die ja in der regel nur ein zerrbild ihrer selbst ist, zum anderen aber auch an jirgls texten — denn in meiner lektüre gibt es kaum gegenwärtigere texte als jirgls romane. da ist die titulierung als “historisch” eben eher ungewöhnlich. die charakterisierung als “historiographische metafiktion”, auch wenn sie ein begriffliches ungeheuer ist, scheint mir — als ((post-)moderne) variante und fortsetzung des “klassischen” historischen romans für jirgl geeigneter. aber dafür gibt es (noch) keine preise.
Schlagwort: geschichte
… an den inneren Herzkern des Erlebens der Vorfahren nicht wirklich heran, und das liegt nicht an Defiziten der historischen Wissenschaft, sondern an der maßlosen Radikalität des Verschwundenseins von Vergangenheit.” (Rainald Goetz, Klage, 34)
… holt Natur !erstaunlich schnell sich zurück, was lange Menschen=Geschichte zuvor ihr geraubt.” (Reinhard Jirgl, Die Stille, 423)
„die vergangenheit ist ein fremdes land. dort tun sie dinge anders.“ — leslie poles hartley, der zoll des glücks