Lesen. Hören. Und ein bisschen schreiben.

Schlagwort: gegenwart

Ins Netz gegangen (11.2.)

Ins Netz gegan­gen am 11.2.:

  • Lite­ra­tur­blogs: Die­ses Buch wird Ihr Leben ver­än­dern! | Zeit – ana maria michel schreibt am mythos der guten, objek­ti­ven lite­ra­tur­kri­ti­ken in (zeitungs)feuilletons und der schlech­ten, sub­jek­ti­ven wer­ben­den bespre­chun­gen in blogs und you­tube-kanä­len fort. eines der kri­te­ri­en ihres ziem­lich unzu­läng­li­chen tex­tes: in blogs gäbe es nur posi­ti­ve, loben­de bespre­chun­gen – als ob das in feuil­le­ton anders wäre!
  • Stra­di­va­ri: Frau Gene­ral lässt bit­ten | ZEIT ONLINE – wolf­ram goertz kann sich nicht ein­krie­gen vor begeis­te­rung, dass frank peter zim­mer­mann für drei jah­re eine neue gei­ge hat.
  • Der Online-Freud – alle 17 bän­de der „gesam­mel­ten wer­ke“ von freud gibt es hier online: zum lesen im brow­ser oder als pdf- bzw. epub-down­load.
  • Open Access zer­stört die Wis­sen­schaft. Meint Urs Heft­rich in der FAZ. | LIBREAS.Library Ide­as – ben kaden setzt der ver­lags­pro­pa­gan­da der faz ent­ge­gen

    fak­tisch ist die Bedro­hung des wis­sen­schaft­li­chen Ver­lags­we­sens durch Open Access und Zweit­ver­öf­fent­li­chungs­rech­te kei­nes­falls so akut, wie sie ihren Lesern glau­ben machen wol­len. Zum Dis­kurs gehört also auch, dar­auf hin­zu­wei­sen. Ursäch­lich für einen Rück­gang bei den Erwer­bun­gen sind sicher nicht vor­ran­gig die Repo­si­to­ri­en und Open-Access-Ver­la­ge, son­dern viel­mehr die gro­tes­ken Preis­stei­ge­rung der STEM-Mono­po­lis­ten sowie Kür­zun­gen in den Biblio­theks­etats. Wie sehr wür­de man sich über regel­mä­ßi­ge, gern auch schar­fe Feuil­le­ton-Bei­trä­ge aus Hei­del­berg gegen die Preis­po­li­tik von Else­vier und für die bes­se­re finan­zi­el­le Aus­stat­tung von deut­schen Hoch­schul­bi­blio­the­ken freu­en.

  • Deutsch­land: Off Duty | NEO MAGAZIN ROYALE mit Jan Böh­mer­mann – ZDF­neo – You­Tube – so bescheu­ert, dass es schon wie­der gut ist: jan böh­mer­manns neu­es­tes video „Deutsch­land: Off Duty“
  • Geschich­te der Gegen­wart – „eine Grup­pe von Geis­tes- und Kultur­wis­sen­schaft­le­rInnen“ v.a. aus zürich star­te­te gera­de die „Geschich­te der Gegen­wart“ als platt­form, um sich in die öffent­li­che dis­kus­si­on ein­zu­mi­schen.

    Tex­te, in denen die Gegen­wart nicht ver­neint wird durch das, was man immer schon zu wis­sen glaubt, son­dern zugäng­lich wird durch das, was man erschlie­ßen und rekon­stru­ieren, erör­tern und analy­sieren, begrei­fen und ein­schät­zen ler­nen kann.

    Gegen­wart liegt nicht ein­fach vor, son­dern sie pas­siert, wobei sie sich unse­rer Aufmerk­sam­keit lau­fend wie­der ent­zieht… Hal­ten wir sie fest! Dabei gilt: Wie sie pas­siert und was in ihr pas­siert, folgt aus all ihren Vergan­gen­heiten, die nicht abge­schlos­sen sind.

    Geschich­te der Gegen­wart bie­tet bewusst kei­ne Möglich­keit, Arti­kel unmit­telbar zu kommen­tieren. Die­se heu­te so verbrei­tete Form der media­len Öffent­lich­keit hat u. E. den Nach­weis ihrer publi­zis­ti­schen Unabding­bar­keit und politi­schen Produk­ti­vität bis­lang nicht erbrin­gen kön­nen, son­dern öff­ne­te das Feld nicht zuletzt dem ungefil­terten Vorur­teil, der Ran­kü­ne und der blos­sen Mutmas­sung, die sich um Argu­men­te nicht zu küm­mern braucht.

    könn­te inter­es­sant wer­den …

  • Stel­lung­nah­me zu “Sie­ger­kunst” | ideen­frei­heit – wolf­gang ull­rich berich­tet per­ver­si­tä­ten des urhe­ber­rechts: künstler_​innen nut­zen das zuneh­mend, um abbil­dun­gen ihrer (öffent­lich aus­ge­stell­ten) wer­ke in publi­ka­tio­nen, die ihnen nicht gefal­len, zu ver­hin­dern und somit eine wis­sen­schaft­li­che aus­ein­an­der­set­zung (fast) unmög­lich machen. und das spiel kann man bis zu 70 jah­re nach dem tod der urhe­be­rin­nen wei­ter­spie­len …

Ins Netz gegangen (9.12.)

Ins Netz gegan­gen am 9.12.:

  • 30. Neo­hi­sto­flo­xi­kon oder Neue Flos­keln braucht das Land | Geschich­te wird gemacht – achim land­wehr wird grund­sätz­lich:

    Es ist eigent­lich immer an der Zeit, das eige­ne Den­ken über Ver­gan­gen­heit und Geschich­te mal etwas durch­zu­schüt­teln und auf den grund­sätz­li­chen Prüf­stand zu stel­len.

  • Who is afraid of jazz? | Jazz­Zei­tung – „Wer hät­te gedacht, dass ich sogar Bruck­ner ein­mal span­nen­der und fre­ne­ti­scher fin­den wür­de als neu­en Jazz!“
  • Essay: Schläf­rig gewor­den – DIE WELT – er ost­eu­ro­pa-his­to­ri­ker karl schlö­gel wider­spricht in der „welt“ den ver­fas­sern & unter­zeich­nern des auf­ru­fes „wie­der krieg in euro­pa?“ – mei­nes erach­tens mit wich­ti­gen argu­men­ten:

    Denn in dem Auf­ruf ist neben vie­len All­ge­mein­plät­zen, die die Eigen­schaft haben, wahr zu sein, von erstaun­li­chen Din­gen die Rede. So lau­tet der ers­te Satz: „Nie­mand will Krieg“ – so als gäbe es noch gar kei­nen Krieg. Den gibt es aber. Rus­si­sche Trup­pen haben die Krim besetzt
    […] Aber­mals ist vom „Nach­barn Russ­land“ die Rede: Wie muss die Kar­te Euro­pas im Kopf derer aus­se­hen, die so etwas von sich geben oder mit ihrer Unter­schrift in Kauf neh­men! Pein­lich – und wahr­schein­lich in der Eile von den viel beschäf­tig­ten, ernst­haf­ten Unter­zeich­nern nicht zur Kennt­nis genom­men – die Behaup­tung, Russ­land sei seit dem Wie­ner Kon­gress Mit­ge­stal­ter der euro­päi­schen Staa­ten­welt. Das geht viel wei­ter zurück, wie auch Lai­en wis­sen, die schon von Peter dem Gro­ßen gehört haben. Und aus­ge­rech­net die Hei­li­ge Alli­anz zu zitie­ren, mit der die Tei­lung Polens zemen­tiert, die pol­ni­schen Auf­stän­de nie­der­ge­wor­fen und die 1848er-Revo­lu­ti­on bekämpft wor­den ist – das passt nicht gut zur Ernst­haf­tig­keit eines um den Dia­log bemüh­ten Unter­neh­mens. Vom Molo­tow-Rib­ben­trop-Pakt – eine zen­tra­le Erfah­rung aller Völ­ker „dazwi­schen“ und im 75. Jahr der Wie­der­kehr des Ver­tra­ges, der den Zwei­ten Welt­krieg mög­lich gemacht hat – ist im Text gar nicht die Rede, ein­fach zur Sei­te gescho­ben, „ver­drängt“.

  • Was bewegt Yvan Sagnet?: Hoff­nung der Skla­ven | ZEIT ONLINE -

    Arbei­ter aus dem Sudan, aus Bur­ki­na Faso, aus Mali, aus fast jedem Land Afri­kas. In dre­cki­gen Män­teln suchen sie vor den Müll­hau­fen nach Ver­wert­ba­rem. Es ist, als wür­de man durch einen düs­te­ren, apo­ka­lyp­ti­schen Roman von Cor­mac McCar­thy fah­ren. An den Feld­we­gen, die von den Land­stra­ßen abge­hen, ste­hen Pro­sti­tu­ier­te. Rumä­nin­nen und Bul­ga­rin­nen. So sieht es aus, das Herz der ita­lie­ni­schen Toma­ten­pro­duk­ti­on.

    – fritz schaap in der zeit über den ver­such des gewerk­schaf­ters yvan sagnet, die mise­ra­blen bedin­gun­gen der arbei­ter in ita­li­en, v.a. der ern­te­hel­fer, zu ver­bes­sern. der sagt u.a.

    „Der Käu­fer muss wis­sen: Wenn er in den Super­markt geht und ein Kilo­gramm ita­lie­ni­sche Toma­ten für acht­zig Cent kauft, dann wur­den die­se Toma­ten von mise­ra­bel ent­lohn­ten Arbei­tern geern­tet, die man ohne Wei­te­res als moder­ne Skla­ven bezeich­nen kann.“

  • Eine wich­ti­ge Infor­ma­ti­on der Ver­ei­nig­ten Geheim­diens­te – You­Tube – Bet­ter no Let­ter: Eine wich­ti­ge Infor­ma­ti­on der Ver­ei­nig­ten Geheim­diens­te (sie­he auch: The U.S.S.A. says: BETTER NO LETTER!)
  • Uni­on kri­ti­siert Rame­low-Wahl in Thü­rin­gen: Ver­lo­ge­ne Heul­su­sen | tagesschau.de – wow, bei der ARD & der Tages­schau ist jemand genau­so ange­wi­dert vom Ver­hal­ten der CDU in Thü­rin­gen wie ich
  • For­schung: So will doch kei­ner arbei­ten! | ZEIT ONLINE – For­schung: So will doch kei­ner an Unis arbei­ten! – Die­ses Mal mit einer His­to­ri­ke­rin
  • Zer­schla­gen, aber im Samm­lungs­kon­text erschließ­bar: In der Baye­ri­schen Staats­bi­blio­thek wur­de über den Ankauf des Schott-Archivs infor­miert | nmz – neue musik­zei­tung – Zer­schla­gen, aber im Samm­lungs­kon­text erschließ­bar: Die Bestän­de des Archivs des Schott-Ver­la­ges tei­len sich künf­tig auf die Staats­bi­blio­the­ken Mün­chen und Ber­lin sowie sechs For­schungs­ein­rich­tun­gen auf. Über den Kauf­preis wur­de Still­schwei­gen ver­ein­bart.
  • So ent­stand der Mythos der „Trüm­mer­frau­en“ – Poli­tik – Süddeutsche.de – die sz lässt sich von der his­to­ri­ke­rin leo­nie tre­ber noch ein­mal erklä­ren, woher die „trüm­mer­frau­en“ kom­men:

    Es wur­de ein äußerst posi­ti­ves Bild die­ser Frau­en ver­mit­telt: Dass sie sich frei­wil­lig und mit Freu­de in die har­te Arbeit stür­zen und den Schutt weg­räu­men, um den Wie­der­auf­bau vor­an­zu­trei­ben. Die PR war auch enorm wich­tig, weil die Trüm­mer­räu­mer – wie zuvor erwähnt – stig­ma­ti­siert waren und sol­che schwe­ren Jobs bis dahin eigent­lich nicht von Frau­en erle­digt wer­den soll­ten. Des­halb wur­de das Bild der „Trüm­mer­frau“ posi­tiv auf­ge­la­den mit den Ste­reo­ty­pen, die wir noch heu­te mit dem Begriff ver­bin­den.

  • Main­zer Schott-Musik­ver­lag: His­to­ri­sches Archiv wird öffent­lich zugäng­lich – Rhein­land-Pfalz | SWR.de – „opti­ma­le Erschlie­ßung“ = Zer­stö­rung des Zusam­men­hangs. Schott-Musik­ver­lag: Archiv wird öffent­lich zugäng­lich
  • Hat die Jugend kei­nen Ehr­geiz mehr? | Blog Maga­zin – phil­ipp tin­gler über die gegen­wart, die kul­tur und den ehr­geiz zum glück:

    Gegen­wär­tig leben wir in einer Gesell­schaft, die Selbst­per­fek­tio­nie­rung, die Arbeit am Ich, als Selbst­ge­nuss pos­tu­liert; einer der letz­ten Leit­wer­te in der irre­du­zi­blen Viel­falt der uns allent­hal­ten umge­be­nen Kon­tin­genz­kul­tur ist: Authen­ti­zi­tät. Dafür steht auch Dia­ne von Fürs­ten­berg. Die Bio­gra­fie als Pro­jekt. Wenn jetzt also plötz­lich alle aus ihrem Leben ein Kunst­werk machen wol­len, dann ist das nicht nur ein ethi­scher, son­dern auch ein sehr ehr­gei­zi­ger Impe­ra­tiv: Lebens­wel­ten und ‑for­men wer­den ambi­tio­niert durch­äs­the­ti­siert, und das Pathos der Selbst­er­schaf­fung rich­tet sich auf die bei­den gros­sen Zie­le der Post­wachs­tums­ge­sell­schaft: Spass und Glück.
    […] Wir sehen also, dass Ehr­geiz durch­aus nicht ver­schwun­den ist, son­dern sich nur ver­irrt hat.

    sei­ne the­ra­pie ist übri­gens ziem­lich ein­fach (und wahr­schein­lich gar nicht so ver­kehrt): selbst­iro­nie als die „schöns­te Form der Eigen­lie­be“

  • Duden | Kon­rad-Duden-Preis 2014 geht an Dama­ris Nüb­ling | – Der Kon­rad-Duden-Preis 2014 geht an @DFDmainz-Projektleiterin Dama­ris Nüb­ling
  • E‑Books: Wir sind die Fähr­ten­le­ser der neu­en Lite­ra­tur – Bücher – FAZ – elke hei­ne­mann über die viel­falt der neu­en (klei­ne) e‑book-ver­la­ge:

    Dich­tung ist längst auch digi­tal: Auf der Suche nach E‑Books abseits des Main­streams führt der Weg in Deutsch­land vor allem nach Ber­lin. Doch die enga­gier­ten Spe­zi­al­ver­la­ge haben auch spe­zi­el­le Pro­ble­me.

  • Gen­der-Debat­te: Anschwel­len­der Ekel­fak­tor | ZEIT ONLINE – wun­der­bar: robin det­je rech­net gna­den­los mit den kolum­nen­het­zern #ulfha­rald­jan­mat­thi­as aber (scha­de nur, dass das bei der @Zeit wie­der nie­mand lesen wird und harald des­halb wei­ter die leser­schaft ver­gif­ten darf):

    Heu­te tobt die Schluss­strich­de­bat­te Femi­nis­mus. Ende: nicht abzu­se­hen. Altern­de Män­ner an vor­ders­ter Front. Hoher Unter­hal­tungs­wert, aber auch anschwel­len­der Ekel­fak­tor. Die Argu­men­ta­ti­on wie­der fas­zi­nie­rend: Femi­nis­mus gibt es inzwi­schen doch schon so lan­ge, das nervt, Frau­en ner­ven ja immer, und die Frau­en wol­len offen­bar tat­säch­lich, dass wir Män­ner unser Ver­hal­ten ändern, wes­halb jetzt wir die eigent­li­chen Opfer sind.
    […] Und des­halb husch, husch, ihr all­män­ner­mäch­ti­gen Dis­kurs­be­herr­scher, zurück in eure Eck­knei­pe. Die jetzt lei­der von einem Gen­der-Stu­dies-Les­ben‑, Tran­sen- und X‑trupp über­nom­men wird, und ihr schiebt für eine Wei­le in der Küche Abwasch­dienst.

    Ent­schul­di­gung, aber das wird man sich als auf­ge­klär­ter, älte­rer deut­scher Mann doch noch wün­schen dür­fen.

  • “Femi­nis­mus kann nie­mals Life­style sein” • Denk­werk­statt – gabrie­le mich­alit­sch im inter­view mit eini­gen sehr rich­ti­gen beob­ach­tun­gen:

    Femi­nis­mus kann nie­mals Life­style sein, Femi­nis­mus ist immer poli­tisch. Wenn die Medi­en eine sol­che Dis­kus­si­on befeu­ern, ist das eine Form von Anti­fe­mi­nis­mus und der Ver­such, den Begriff Femi­nis­mus zu ver­ein­nah­men, ihm sei­ne poli­ti­sche Rele­vanz abzu­spre­chen. Femi­nis­mus war zudem nie män­ner­feind­lich, er wur­de immer auch von Män­nern mit­ge­tra­gen. Wenn, dann wen­det er sich gegen bestimm­te Kon­zep­tio­nen von Männ­lich­keit – wie auch Weib­lich­keit. Wäre die­ser angeb­lich neue Femi­nis­mus nicht Gegen­stand öffent­li­cher Debat­ten, müss­ten wir uns erst gar nicht damit aus­ein­an­der­set­zen – in mei­nen Augen ist das eine anti­fe­mi­nis­ti­sche Stra­te­gie.

    und spä­ter auf den punkt gebracht:

    Wenn Femi­nis­mus auf Kar­rie­re mit Kin­dern redu­ziert wird, ist das das Ende des Femi­nis­mus.

"Eine neue Version ist verfügbar" - Frontcover

Die neueste Version der neuen Version

So sieht sie also aus, mei­ne per­so­na­li­sier­te Neue Ver­si­on, die jetzt ver­füg­bar ist – aber das hat­te ich ja schon get­wit­tert.

Schön ist das Buch gewor­den, mit den far­bi­gen Sei­ten der ver­schie­de­nen Kapi­teln (nur eine bes­se­re und fle­xi­ble­re Kle­be­bin­dung hät­te ich mir gewünscht …). Wobei ver­füg­bar schon falsch ist: Der Text hät­te mir schon lan­ge bekannt sein kön­nen und war es teil­wei­se auch, weil der Autor Dirk von Geh­len (des­sen Mas­hup ich auch schon mit Gewinn gele­sen habe) sei­ne Unter­stüt­zer am Ent­ste­hungs­pro­zess hat teil­ha­ben las­sen (was ich aber nicht alles gele­sen und ange­hört habe). Jetzt also die neue Ver­si­on von Eine neue Ver­si­on ist ver­füg­bar, die auch nur eine vor­läu­fig letz­te ist: Im Herbst erscheint es als über­ar­bei­te­te Ver­si­on noch ein­mal bei einem Ver­lag.

Wor­um geht es in Eine neue Ver­si­on ist ver­füg­bar? Um Ver­flüs­si­gung. Von Geh­len beob­ach­tet und beschreibt eine Ver­än­de­rung, die durch die Digi­ta­li­sie­rung viel­leicht nicht her­vor­ge­bracht, aber zumin­dest beschleu­nigt wur­de: Gesell­schaft und ihre „Pro­duk­te“ ver­än­dert sich. Sie wird beweg­li­cher, eben flüs­si­ger, über­win­det also die Star­re des Fest­stof­fes. Das heißt auch: Sie exis­tiert immer in ver­schie­de­nen Ver­sio­nen: Alles – z.B. auch die Kul­tur – wird zur Soft­ware.

Auch ein schöner Rücken kann entzücken ...

Auch ein schö­ner Rücken kann ent­zü­cken …

Meta­phern spie­len dabei – die Vor­stel­lung der „Ver­flüs­si­gung“ macht es ja schon deut­lich – eine gro­ße Rol­le. Viel­leicht manch­mal eine zu gro­ße: Hin und wie­der hät­te ich mir (auch) noch etwas mehr Kon­kre­ti­sie­rung gewünscht. Sicher, dass ist nicht das pri­mä­re Ziel von Geh­lens. Aber gescha­det hät­te es dem Text und sei­ner ana­ly­ti­schen Schär­fe viel­leicht nicht ;-). Und für mei­nen unmaß­geb­li­chen Geschmack wird der Fuß­ball­spiel­ver­gleich etwas über­stra­pa­ziert. Aber das sind Klei­nig­kei­ten, im Gro­ßen und Gan­zen bin ich – glau­be ich zumin­dest – auf einer Linie mit der Neu­en Ver­si­on.

Ver­flüs­si­gung heißt also: Der Künst­ler – denn obwohl von Geh­len immer mit dem Blick auf die gesam­te Gesell­schaft schreibt, bleibt die Künst­le­rin und ihr Kul­tur­schaf­fen doch im Fokus – steht „nicht mehr am Anfang, son­dern in der Mit­te eines krea­ti­ven Pro­zes­ses […], des­sen Aus­gang offen ist“ (S. 149f.) Und des­halb heißt es ganz fol­ge­rich­tig ein­mal: „Wir müs­sen schwim­men ler­nen!“ Und das ist also von Geh­lens For­de­rung für alle. Er schlägt dazu einen Weg in fünf Schrit­ten vor:

  1. Das Pro­dukt als Pro­zess den­ken (führt zu grö­ße­rer Nähe zw. Pro­du­zent und Kon­su­ment)
  2. Das Gespräch füh­ren (der sozia­le Aspekt der Kul­tur – dazu gehört auch, die „Meta­da­ten“ offen­zu­le­gen, also den Pro­zess zu zei­gen und auch nach­voll­zieh­bar zu machen)
  3. Ein Netz­werk erstel­len (Künst­ler als (Ver-)Mittler)
  4. Einen Salon eröff­nen (Gemein­sam­keit spe­zi­fisch defi­nier­ter (vir­tu­el­ler) Öffentlichkeit(en))
  5. Erleb­nis­se schaf­fen (auch der Ent­ste­hungs­pro­zess ist ein Erleb­nis)

Zusam­men­ge­nom­men heißt das dann:

Schwim­men ler­nen bedeu­tet des­halb vor allem: die neu­en Bedin­gun­gen im ver­än­der­ten Ver­hält­nis zwi­schen Autor und Publi­kum zu erspü­ren. Denn hier liegt eine der zen­tra­len Fol­gen der digi­ta­len Kopie für die zu Soft­ware gewor­de­ne Kul­tur. (S. 150)

Und damit hat er wohl ziem­lich recht. Es wird also span­nend, davon bin ich über­zeugt: Noch gibt es ja erst weni­ge Ver­su­che, die­sen Weg (in der Kunst) zu gehen. Das wer­den in den nächs­ten Jah­ren sicher­lich viel mehr wer­den – und dar­auf freue ich mich. Und so gelas­sen und freund­lich-posi­tiv, wie von Geh­len die­sen ja durch­aus radi­ka­len Ver­än­de­rungs­pro­zess beschreibt, freut er sich genau­so dar­auf …

Dirk von Geh­len: Eine neue Ver­si­on ist ver­füg­bar. Exklu­si­ve Erst­auf­la­ge, indi­vi­dua­li­sier­te Pre­mi­um-Edi­ti­on. Mün­chen 2013. 224 Sei­ten.
Individualisierte Premium-Edition

Indi­vi­dua­li­sier­te Pre­mi­um-Edi­ti­on

Ins Netz gegangen (18.5.)

Ins Netz gegan­gen (18.5.):

  • Ein Gespräch mit dem Diri­gen­ten Tho­mas Hen­gel­b­rock: Anders gespielt, neu gehört – Richard Wag­ner Nach­rich­ten – NZZ.ch -

    Letzt­lich ist Har­non­court der Diri­gent, der im 20. Jahr­hun­dert die gröss­ten Impul­se gesetzt hat.

    Schö­ner Schluss­satz im Inter­view mit Tho­mas Hen­gel­b­rock, in dem es eigent­lich um etwas ganz ande­res geht: um Instru­men­ta­tio­na, Tem­po und Klang bei Wag­ner, v.a. im „Par­si­fal“:

    Ich habe Wag­ners Anwei­sun­gen befolgt. Wenn Sie lesen, was er zur Auf­füh­rung sei­ner Wer­ke geschrie­ben hat, kön­nen Sie gar nicht anders als zur Erkennt­nis kom­men, dass der Text deut­lich und klar zu hören sein muss, sonst ver­fehlt man ein­fach den Sinn. […] Ich fin­de die Klang­ge­stalt beim «Par­si­fal» ganz ent­schei­dend. Sie macht das Werk gera­de­zu aus, sie hat sym­bo­li­schen, ja meta­phy­si­schen Cha­rak­ter. Wenn zum Bei­spiel die alten Holz­flö­ten mit ihrem azur­blau­en Klang ver­wen­det wer­den, dann ergibt sich für mich die­se meta­phy­si­sche Ver­bin­dung zum Him­mel; mit der moder­nen Metall­flö­te geht das nicht. Auch die­se dunk­le, war­me, sanf­te Far­be der Blech­blä­ser – das war auch für mich eine Über­ra­schung.

  • Prof. Dr. Dun­kel­mun­kel: Ist die Zeit reif für Gruf­ti-Profs? – cspan­nagel, dun­kel­mun­kel & fri­ends (via Published artic­les)
  • Lyrik als Form für die Gegen­wart – Digital/​Pausen – Hans Ulrich Gum­brecht erklärt die Fas­zi­na­ti­on der Gegen­wart an der Lyrik bzw. lyri­schen For­men – und fängt dafür, wie immer weit aus­ho­lend, in der Anti­ke an. Aber ent­schei­dend ist dann doch nur der letz­te Absatz:

    Wer die Zeit auf­bringt, sich auf einen—sprachlich ja meist kom­ple­xen – lyri­schen Text zu kon­zen­trie­ren, der unter­bricht die heu­te eben­so end­los wie ziel­los ver­lau­fen­de Zeit­lich­keit des All­tags. Und ein sol­cher Ansatz zur Auf­merk­sam­keit wird beim Lesen oder Rezi­tie­ren eines Gedichts zu jener ande­ren, sozu­sa­gen archai­schen Auf­merk­sam­keit, wel­che zum Aus­set­zen der flie­ßen­den Zeit führt und zum Her­auf­be­schwö­ren von vor­her abwe­sen­den Din­gen und Stim­mun­gen. Lyrik als Form ist eine Signa­tur unse­rer Gegen­wart, weii sie für Momen­te das erhält und an das erin­nert, was die­ser Gegen­wart am meis­ten fehlt, näm­lich Form, Ruhe, Kon­zen­tra­ti­on und wohl auch Gelas­sen­heit

  • Schnäpp­chen­rei­se in die Tür­kei: Lan­des­ty­pi­sche Geträn­ke sind im Preis inbe­grif­fen – FAZ – Tho­mas Stein­mark war für die FAZ eine Woche in der Tür­kei für den Preis von 199 Euro – und kommt mit einem schö­nen Fazit zurück:

    … wer sich die öko­no­mi­schen Bedingt­hei­ten die­ser Art von Rei­sen bewusst macht und die­se zu akzep­tie­ren bereit ist, wer sich stark genug fühlt, den oft­mals mas­siv vor­ge­tra­ge­nen Ver­kaufs­an­ge­bo­ten erfolg­reich Wider­stand zu leis­ten, der wird am Ende nicht ent­täuscht sein.

  • Das Rät­sel Mer­kel – Da hat Micha­el Spreng lei­der recht:

    Mer­kel ist eine Macht­tech­ni­ke­rin mit schwa­chem idea­lis­ti­schen Hin­ter­grund. Sie ist kei­ne Gestal­te­rin, außer der Gestal­tung ihrer poli­ti­schen Kar­rie­re und ihrer Macht. Sie macht sich – zumin­dest öffent­lich – kei­ne Gedan­ken über Deutsch­land in zehn Jah­ren.

    Ihm selbst scheint wie mir auch eher unbe­greif­lich, war­um sie deshalb/​trotzdem so beliebt ist und immer wie­der gewählt wird …

  • Flur­na­men­at­las-Blog – Der Flur­na­men­at­las Baden-Würt­tem­bergs (?) bloggt auf tumb­lr

Überall nur Blau

Auch wenn der Ein­band ganz gelb ist: „Blue­screen“ von Mark Greif ist ein fan­tas­ti­sches Buch. Mir war Greif ja noch unbe­kannt – eine ech­te Lücke. Die Essays, die er „Ein Argu­ment vor sechs Hin­ter­grün­den“ unter­ti­tel­te und die in der – von Greif mit­her­aus­ge­ge­be­nen – Zeit­schrift n+1 erschie­nen sind, dre­hen sich um Erschei­nun­gen des moder­nen Lebens der Gegen­wart, um den sexu­el­le Fetisch der Jugend­lich­keit, um Über- und Unter­se­xua­li­se­rung, um You­Tube oder um die Geschich­te des Hip­Hop (einer der bes­ten Essays über­haupt: „Rap­pen ler­nen“, der aus­ge­hend von einer ganz per­sön­li­chen Erfah­rung einen brei­ten Abriss des Hip­Hops und sei­ner Bedeu­tun­gen ent­wi­ckelt).

Die Ästhe­ti­sie­rung des gan­zen Lebens ist die zen­tra­le The­se Greifs. Aber dar­um spinnt sich ein wun­der­ba­rer Kos­mos der Beob­ach­tun­gen und Erklä­run­gen des All­tags der Gegen­wart und sei­ner media­len, ästhe­ti­schen und kul­tu­rel­len Erschei­nun­gen – so etwas wie eine Zeit­dia­gno­se in Schlag­lich­tern. Da geht es dann auch nicht mehr nur um die eigent­li­che Ästhe­ti­sie­rung, son­dern etwas all­ge­mei­ner um das Pro­blem der media­le Ver­mitt­lung unse­rer Erfah­run­gen und im Beson­de­ren um das Leben in Nar­ra­tio­nen: Greif sieht die Men­schen der Gegen­wart umstellt von Erzäh­lun­gen, die den Blick auf die „Wirk­lich­keit“ behin­dern. Da kann man frei­lich auch ande­rer Mei­nung sein: Die nar­ra­ti­ve und media­le Erfah­rung muss nicht unbe­dingt schlecht sein. Greif neigt sich da manch­mal etwas der kul­tur­pes­si­mis­ti­schen Sicht zu, die die media­le Ver­mitt­lung als Hin­der­nis ansieht, als Abkehr von einem – von Greif selbst durch­aus als sol­chen in sei­ner Pro­ble­ma­tik erkann­ten – idea­len Zustand der Unmit­tel­bar­keit.

Aber Essays wie „Rap­pen ler­nen“ oder auch der „Hoch­som­mer der Sexkin­der“ sind trotz­dem gro­ße Kul­tur­kri­tik: Erklä­rend, aber durch­aus von einem Stand­punkt aus kri­tisch hin­ter­fra­gend, ohne bes­ser­wis­se­ri­schen Ges­tus des Alles­wis­sers und alle­ser­klä­rers aller­dings, der sowie­so schon weiß, was er von allem hält. In die­ser Hin­sicht sind das eben Essays im bes­ten Sin­ne: Ver­su­che, Erklä­run­gen zu fin­den – Erklä­run­gen z.B. für Phä­no­me­ne wie das Rea­li­ty-Fern­se­hen. Und davon aus­ge­hend immer die Über­le­gung: Was macht das mit uns? Wie ver­än­dert das uns, unse­re Hal­tung, unse­re Wahr­neh­mun­gen, unse­re Ein­stel­lun­gen, unser Ver­hält­nis zur Welt und zu unse­ren Mit­men­schen. In bes­ter Essay-Tra­di­ti­on nimmt Greif sich da als Zweif­ler und Sucher auch nicht zu sehr zurück, son­dern bleibt als Per­son, als Erle­ben­der und Fra­gen­stel­ler, immer prä­sent. Dass das außer­dem klar for­mu­liert, über­zeu­gend argu­men­tiert und luzi­de geschrie­ben ist, gehört unbe­dingt zum posi­ti­ven Ein­druck die­ses emp­feh­lens­wer­ten Ban­des.

Mark Greif: Blue­screen. Ein Argu­ment vor sechs Hin­ter­grün­den. Ber­lin: Suhr­kamp 2011. 231 Sei­ten. ISBN 978−3−518−12629−5.

Die Gegenwart, das Glück und die Literatur

Irgend­wie, so habe ich manch­mal den Ein­druck, gibt es über die deutsch­spra­chi­ge Gegen­warts­li­te­ra­tur zu viel und zu wenig Unter­su­chun­gen. Geschrie­ben wird viel und viel geschrie­ben über das Geschrie­be­ne. Aber nur ganz, ganz wenig davon gelingt über­zeu­gend. Richard Käm­mer­lings Buch über „Das kur­ze Glück der Gegen­wart“, in dem er sich der duetsch­spra­chi­gen Lite­ra­tur sein 1989 wid­met, ist so ein Fall: Schön, dass ein Kri­ti­ker ver­sucht, mehr zu tun als ein­zel­ne Bücher beim Erschei­nen zu bespre­chen und in der Rück­schau noch ein­mal zu ord­nen. Scha­de, dass er es so tut.

Das fängt schon ganz vor­ne an, mit der fal­schen Prä­mis­se – und ist dann lei­der auch noch schlecht durch­ge­führt. Also: Käm­mer­lings ver­langt, 1 dass die deutsch­spra­chi­ge Lite­ra­tur gegen­warts­hal­tig sei und ihren Lese­rin­nen und Lesern die Welt der Gegen­wart erklärt. Das ist natür­lich irgend­wie ein heh­rer Wunsch, der zunächst ein­mal schlüs­sig scheint, aber doch Unsinn ist: War­um soll die Lite­ra­tur das tun? Und war­um soll sie es – das ist näm­lich Käm­mer­lings Fol­ge­rung – unbe­dingt und aus­s­schließ­lich mit Stof­fen der angeb­li­chen Gegen­wart tun? Ist Lite­ra­tur nicht etwas mehr als blo­ße Welt­be­schrei­bung? Soll­te sie es nicht sein? Ist das die „Auf­ga­be“ der Kunst: Uns die Welt zu zei­gen und zu erklä­ren? Oder soll­te sie sich nicht mehr um „uns“ küm­mern – wenn sie über­haupt irgend etwas „soll“?

Jeden­falls geht es für Käm­mer­lings dar­um: Autoren sol­len ihre Stof­fe aus den Erschei­nun­gen der Gesell­schaft der Gegen­wart über­neh­men und ent­wi­ckeln, sie sol­len die Krie­ge der letz­ten Jah­re the­ma­ti­sie­ren, sozia­le Ungleich­hei­ten, wirt­schaft­li­che Ent­wick­lun­gen, poli­ti­sches Gesche­hen. Und sie sol­len das offen­bar gefäl­ligst in les­ba­rer, nicht zu aus­ge­fal­le­ner Pro­sa tun – etwas ande­res kennt Käm­mer­lings in die­sem Buch nicht: Roma­ne sind – trotz des damit als groß­spre­che­risch sich erwei­sen­den Unter­ti­tels – sei­ne Form, mit eini­gen Aus­flü­gen in kür­ze­re For­men der erzäh­len­den Lite­ra­tur. Dra­ma­ti­sche Tex­te haben zur Gegen­wart nichts zu sagen? Und Lyrik auch nicht? – Das sieht wie ein typi­scher Fehl­schluss eines Zei­tungs-Kri­ti­kers aus, wür­de ich sagen, der mit sei­nen beruf­lich beding­ten (?) Scheu­klap­pen liest – in der Tat kommt in den deut­schen Zei­tun­gen die Lyrik schon nur extrem wenig vor, die dra­ma­ti­schen Tex­te als Tex­te (abseits der Per­for­manz der (Ur-)Aufführung) eigent­lich über­haupt nicht. Begründ­bar ist das in den Kunst­wer­ken nicht, höchs­tens in der ver­meint­li­chen Grö­ße des Inter­es­ses der Leser­schaft – selbst wenn man Gegen­warts­hal­tig­keit als Maß­stab anlegt, soll­te man erken­nen, dass dazu auch Lyrik und Dra­ma eini­ges zu sagen haben kön­nen.

Lei­der klebt Käm­mer­lings dann auch noch über den aller­größ­ten Teil der zwei­hun­dert Sei­ten bloß am Stoff der bespro­che­nen Bücher: Über blo­ße Inhalts­an­ga­ben, knap­pe Refe­ra­te des beschrie­be­nen Gesche­hens mit ein paar Bei­spiel­sät­zen geht er so gut wie nie hin­aus. Sowie es um die eigent­li­che künst­le­ri­sche Gestal­tung geht, um Stil­fra­gen, um Struk­tu­ren der Tex­te, ihre For­men und Gestal­ten, wird Käm­mer­lings aus­ge­spro­chen unge­nau und nebu­lös – viel­mehr als der „Ton“ eines Autors bleibt meist nicht übrig von sei­ner Ana­ly­se. Das ist natür­lich scha­de und aus­ge­spro­chen unbe­frie­di­gend. Denn es ist ja nicht so, dass er schlech­te Bücher vor­stellt …

Dafür spie­len inter­tex­tu­el­le Net­ze, die Bezie­hun­gen – inhalt­li­che und tem­po­ra­le – zwi­schen den Tex­te, also auch so etwas wie „Schu­len“ des Schrei­bens, eine ganz gro­ße Rol­le. Auch ech­te oder ver­meint­li­che Vor­bil­der sind für Käm­mer­lings sehr wich­tig – meist kom­men sie aus der ame­ri­ka­ni­schen Gegen­warts­li­te­ra­tur. Was die­ses Nach­ei­fern, die­ses Schrei­ben auf Anre­gung ande­rer Tex­te, aller­dings bedeu­tet, bleibt er wie­der­um ger­ne schul­dig: Was heißt es denn, das die­se Bezie­hung erkenn­bar ist? Für Käm­mer­lings scheint das eher ein Vor­teil zu sein, ein Ler­nen von den (rich­ti­gen) Meis­tern. Aber war­um soll mich das inter­es­sie­ren, ob Autor A jetzt B gekannt hat oder nicht? Neben die­sen Bezie­hun­gen der Tex­te unter­ein­an­der sucht Kämmr­lings auch ger­ne äuße­re Anläs­se für das Ent­ste­hen von lite­ra­ri­schen Wer­ken aus­zu­ma­chen. Und wie­der ist mir nicht ganz klar, was das für das Ver­ste­hen (oder auch nur Erfah­ren) des Kunst­wer­kes hel­fen soll. Für ihn ist das aber wich­tig, weil damit ja sein Gebot der Gegen­warts­nä­he erfüllt wird (bzw. zu wer­den scheint).

Die abschlie­ßen­de Lis­te der 10 bes­ten Bücher der letz­ten 20 Jah­re ist dann ja, nun ja, ein etwas selt­sa­mer Gag. Irgend­wie habe ich den Ein­druck, das war eine Ver­lags­idee, der sich Käm­mer­lings auch nur etwas wider­wil­lig gebeugt hat. Die Lis­te selbst bie­tet eine etwas merk­wür­di­ge Mischung, fin­de ich. Das sind ohne Zwei­fel gute Bücher – aber die bes­ten? Rai­nald Goetz ist zum Bei­spiel mit „Abfall für alle“ ver­tre­ten – war­um „Kla­ge“ oder „Los­la­bern“ schlech­ter sein sol­len, erschließt sich mir nicht. Aber die bei­den Bücher kennt Käm­mer­lings offen­bar nicht, muss man ver­mu­ten – im Text selbst kom­men sie näm­lich auch nicht vor – und das ist mir völ­lig unver­ständ­lich. Ingo Schul­zes „Simp­le Sto­ry“ hal­te ich ten­den­zi­ell ja auch für etwas über­schätzt – das ist, genau wie Mar­cel Bey­ers „Flug­hun­de“ etwa so ein Buch, das jeder irgend­wie gut fin­den kann. War­um Tho­mas Lehr aus­ge­rech­net mit „Nabo­kovs Kat­ze“ auf der Lis­te gelan­det ist, das ist mir auch wie­der­um nicht ganz klar – ich hal­te das nicht für sein bes­tes Buch.

Was bleibt als von Käm­mer­lings Ver­such, die (?) deutsch­spra­chi­ge Lite­ra­tur seit ’89 zu erfas­sen und zu erklä­ren? Eine Men­ge Bücher wer­den ange­ris­sen, kurz vor­ge­stellt, refe­riert – von denen mir durch­aus eini­ge wohl durch die Lap­pen gegan­gen sind (und durch­aus eini­ge sich viel­ver­spre­chend anhö­ren). Aber ganz, ganz vie­les – und lei­der eben vie­les unheim­lich Gutes – fällt durch das Ras­ter. Unver­ständ­lich bleibt mir eini­ges: War­um zum Bei­spiel Rein­hard Jirgl nur ein­mal nur neben­bei erwähnt wird (die Kunst des name-drop­ping beherrscht Käm­mer­lings ziem­lich gut …) – gera­de in das Kapi­tel zum erin­nern­den Roman hät­te er wun­der­bar gepasst. Und frag­lich bleibt dann doch auch, ob man aus Büchern wie denen von Kurz­eck (der etwas mehr Gna­de fin­det als Jirgl, aber natür­lich vor allem durch das unver­meid­li­che „proust­sche“ Erzäh­len cha­rak­te­ri­siert wird) nicht genau­so viel oder sogar mehr über uns und die Gegen­wart ler­nen kann als aus ver­meint­lich aktu­el­len Büchern (was bei Käm­mer­lings ja nur und vor allem aktu­el­le Stof­fe meint), die sich den spe­zi­fi­schen Situa­tio­nen der Gegen­wart, d.h. der letz­ten ca. 10 Jah­re, wid­men.

Aber das führt mich ja wie­der an den Anfang: Die For­de­rung der Gegen­warts­hal­tig­keit der Lite­ra­tur ist mei­nes Erach­tens kunst­frem­der Unsinn, der – wie Ina Hart­wig in der Süd­deut­schen ganz rich­tig anmerk­te – der Lite­ra­tur eine Stell­ver­tre­ter­funk­ti­on zuweist: Sie soll erle­ben, was wir selbst nicht tun. Der Anspruch, Lite­ra­tur müs­se uns unse­re „Gegen­wart“ irgend­wie erklä­ren, ist aber ein fal­scher, der den Kunst­wer­ken auch nur sel­ten gut tut. Dafür gibt es Jour­na­lis­ten. Und bezeich­nen­der­wei­se ist Käm­mer­lings von jour­na­lis­ti­schen Schreib­wei­sen wie Moritz von Uslars „Deutsch­bo­den“ eben auch sehr ange­tan – logisch, denn sie erfül­len eben sei­ne Bedin­gung der Gegen­warts­nä­he und ‑beschrei­bung. Aber Kunst soll­te doch etwas mehr sein. Und ist es ja auch immer wie­der – Käm­mer­lings zum Trotz sozu­sa­gen.

Richard Käm­mer­lings. Das kur­ze Glück der Gegen­wart. Deutsch­spra­chi­ge Lite­ra­tur seit ’89. Stutt­gart: Klett-Cot­ta 2011. 208 Sei­ten. ISBN 978−3−608−94607−9.

Show 1 foot­no­te

  1. Ja, er ver­langt das wirk­lich – er will, dass das die Autoren tun, er will ihnen vor­schrei­ben, wie Lite­ra­tur zu sein hat. Auch wenn er natür­lich klug genug ist, eine sol­che prä­skrip­ti­ve Ästhe­tik mit genü­gend Caveats zu ver­se­hen: Im Kern geht es ihm dar­um, eine bestimm­te Art von Lite­ra­tur als die (ein­zig) rich­ti­ge zu set­zen.

Gegenwarten

„Die Gegen­wart von einst – nach­träg­lich spukt sie immer noch her­um in der Gegen­wart von heu­te, fremd und ver­traut zugleich, wie trau­ma­ti­siert.“ (Rayk Wie­land, Ich schla­ge vor, dass wir uns küs­sen, 89)

„Alte Musik, die Kunst …

… des vor­letz­ten und vor­vor­letz­ten Jahr­hun­derts. O je. Wie kam man als gesun­der Mensch dazu, sich das anzu­hö­ren? Man muss­te doch neu­es­te, neue Musik hören!“ (moritz von uslar, wald­stein oder der tod des wal­ter gie­se­king am 6. juni 2005, 69)

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