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Schlagwort: dietrich buxtehude

Taglied 8.8.2017

Diet­rich Bux­te­hude, Kan­tate “Mein Herz ist bere­it” (BuxWV 73), gespielt/gesungen von Peter Har­vey und dem Pur­cell Quar­tet:

Diet­rich Bux­te­hude — BuxWV 73 — Mein Herz ist bere­it

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Aus-Lese #24

Arno Schmidt zum Vergnü­gen. Stuttgart: Reclam 2013. 191 Seit­en.

Dieses kleine, von Susanne Fis­ch­er (der Geschäfts­führerin der Arno-Schmidt-Stiftung) her­aus­gegebene Bänd­chen hält genau, was der Titel ver­spricht: Vergnügliche Streifzüge durch das Schaf­fen Schmidts. The­ma­tisch in 14 Kapi­tel geord­net, ver­sam­melt das hier Bon­mots, Ein­fälle, Aussprüche und kurze Abschnitte, die im weitesten Sinne vergnüglich sind: Weil sie humorig for­muliert sind oder afu eben diese Weise bes­timmte Dinge beobacht­en. Eine wun­der­bare Lek­türe für zwis­chen­durch (weil das fast immer nur kurze Abschnitte von weni­gen Sätzen sind).

Ulf Erd­mann Ziegler: Nichts Weißes. Berlin: Suhrkamp 2013. 259 Seit­en.

Ziegler erzählt in Nichts Weißes die Lebens­geschichte ein­er Schrift­gestal­terin und die Idee der per­fek­ten, weil abso­lut unaufäl­li­gen Schrift am Umbruch zum Com­put­er-/PC-Zeital­ter. Das wird aber erst auf den let­zten Seit­en richtig deut­lich: Dann wird klar, dass es hier vor allem um das Ende des klas­sis­chen Guten­berg-Zeital­ters mit sein­er Fix­ierung auf Schrift und Text (und deren Her­stel­lung, um die es hier — im Bere­ich der Typogra­phie — ja vor allem geht) geht. Das ist dur­chaus raf­finiert, etwa in der Andeu­tung der Auflö­sung der Textdom­i­nanz durch die (Gebrauchs-)Grafik der Wer­bung und ähn­liche Vorgänge, auch die allmäh­lich wach­sende Dom­i­nanz der Com­put­er ist ganz geschickt erzählt, auch wenn das am Ende etwas platt wird. Über­haupt erzählt Ziegler durch­wegs gut und klug, aber sprach­lich ohne beson­dere Fasz­i­na­tion für mich. Auch schien mir das Ziel des Textes lange Zeit nicht so recht klar, zumal es weite Abschwei­fun­gen gibt, die nicht so recht motiviert sind — etwa die Blicke in die Kind­heit: Das sind for­mal etwas frag­würdi­ge Lösun­gen, um die (inhaltliche) Moti­va­tion der Heldin Mar­leen hinzubekom­men und aus­führlich zu erk­lären. Der Schluss ist dann etwas unver­mit­telt, die Wende zum Com­put­erzeital­ter scheint schon über den Text hin­aus zu gehen.

Über­haupt ver­liert das dann an Kraft, wenn es um die eigentlichen Lebenswege der Pro­tag­o­nistin geht. Wo Ziegler die “Hin­ter­gründe” — das Aufwach­sen im Deutsch­land der 70er/80er Jahre etc. — schildert, ist es viel präzis­er und faszinieren­der als im Lebenslauf Mar­leens, der etwas blass bleibt.

Gen­ervt haben mich etwas die ober­fläch­lich ver­hüll­ten Anspielun­gen auf reale Wel­ten — IBM heißt hier IOM (office statt bureau), Greno in Nördlin­gen Volpe, die Andere Bib­lio­thek ist die Eigene gewor­den und so weit­er — das ist so durch­sichtig, dass es eigentlich sinn­los ist und den Text irgend­wie bil­lig wirken lässt.

Hans Franck: Die Pil­ger­fahrt nach Lübeck. Eine Bach-Nov­el­le. Güter­sloh: Ber­tels­mann 1952. 80 Seit­en.

Franck schildert hier die berühmte “Urlaub­sreise” Bachs zum großen Organ­is­ten Diet­rich Bux­te­hude nach Lübeck, die ein kleines biss­chen länger dauerte als geplant: Der Arn­städter Rat hat­te seinem Organ­is­ten einen Monat Urlaub genehmigt, nach mehr als vier Monat­en war Bach wieder in Thüri­gen zurück. Francks Nov­el­le pen­delt zwis­chen pseudo­barock­em Satzgeschwurbel und mod­ernem Men­schen­bild, gar­niert mit ein­er defti­gen Prise über­bor­den­der Fröm­migkeit. Wed­er lit­er­arisch noch his­torisch beson­ders wertvoll, aber eine nette Kuriosität für eine Stunde Zug­fahrt …

mit musik & händel durch europa

Georg Friedrich Hän­del, der große Jubi­lar dieses Jahres, ist schon in jun­gen Jahren weit herumgekom­men in Europa. Und er hat sich von vielem, was er dabei gehört hat, inspier­eren lassen. Manch­mal auch etwas mehr – das „Auslei­hen“ gelun­gener Melo­di­en beispiel­sweise war zu seinen Zeit­en noch keineswegs so ver­pönt wie heute. Wer sich also ein biss­chen inten­siv­er mit Hän­dels Musik beschäftigt, muss sich auch mit ganz viel anderen Werken befassen. Zum Beispiel mit Musik von Diet­rich Bux­te­hude, dem Hän­del in Lübeck einen Besuch abstat­tete. Oder mit Johann Hein­rich Schmelz­er, der in Wien Kar­riere machte. Und natür­lich auch mit Hän­dels Rivalen in Lon­don, Gio­van­ni Bononci­ni.
Die Vil­la Musi­ca hat all das in ein schönes Pro­gramm mit dem Tele­mann-Quar­tett gepackt und im Erthaler Hof auch einen sehr passenden Saal für diese vielfältige, fil­igrane und drama­tis­che Musik gefun­den. Die Hitze dort hat das Pub­likum gerne aus­ge­hal­ten, denn die vier Spezial­is­ten des Tele­mann-Quar­tetts boten zwar nicht unbe­d­ingt große Über­raschun­gen, aber hohe bis höch­ste Qual­ität. Und zwar in allen Dimen­sio­nen.
Das Fun­da­ment legte, das ist bei barock­er Musik unverzicht­bar, der Gen­er­al­bass. Flo­ri­an Hey­er­ick am Cem­ba­lo und Rain­er Zip­per­ling mit Gambe und Cel­lo beg­nügten sich aber nicht mit dem Hin­ter­grund. Mit viel Fan­tasie, mit Präzi­sion und span­nungs­ge­lade­nen Lin­ien macht­en sie sich zu einem unverzicht­baren, ele­mentaren Teil der Musik. Und was diese bei­den ausze­ich­nete, galt auch für die Geigerin Swan­t­je Hoff­mann und den Altisten Yose­meh Adjei: Genauigkeit in allen Sit­u­a­tio­nen und Hingabe an die Aus­drucksvielfalt und die Kraft der Musik. Dazu kam dann noch ein rei­bungslos­es Miteinan­der, ein echt gemein­sames Musizieren, bei dem jed­er mit jedem agierte, aufeinan­der reagierte und zusam­men eine feste Ein­heit bildete. Unabläs­sig flo­gen die Blicke kreuz und quer, vergewis­serten sich Sänger und Cem­bal­ist, Geigerin und Cel­list der Gemein­samkeit­en. Über­haupt war hier alles immer in Bewe­gung, kam kein­er der Musik­er zum Still­stand. Und das war ein gutes Zeichen: Denn diese Rast­losigkeit übertrug sich auf die Musik. So wur­den dann auch eher ephemere Werke wie die Vio­lin­sonate von Isabel­la Leonar­da oder die Cel­losonate von Gio­van­ni Bononci­ni zu span­nen­den Aus­flü­gen in die barocke Klang­welt. Aber die Höhep­un­ket lagen woan­ders. Schon die bei­den Psalmver­to­nun­gen Bux­te­hudes ließen das erah­nen: Das wahre Dra­ma kam in den Arien Hän­dels zum Vorschein. Hier kon­nte sich der famose Altus Yose­meh Adjei voll ausleben. Mit sein­er leicht­füßig über alle Schwierigkeit­en hin­wegeilen­den, klar und pein­lichst genau geführten Stimme wurde er Rinal­do oder Cesare, koket­tierte mit der die Vogel­rufe imi­tieren­den Vio­line, ließ den Zorn brausen, den Herz­schmerz sehnend schluchzen und die Tugend preisen – ohne jede Spur von Zurück­hal­tung ver­leibte er sich seine Par­tien ein und führte gemein­sam mit dem Rest des Quar­tettes die Hän­del-Reise weit über die tat­säch­lichen Sta­tio­nen in das unendliche Reich der Fan­tasie hin­aus.

(geschrieben für die mainz­er rhein-zeitung)

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