die erste frage, die sich auf­drängt ist natür­lich gle­ich die grund­sät­zliche: ist das über­haupt the­ater? es gibt keine hand­lung. keine schaus­piel­er. kaum text. aber: es gibt eine bühne. es gibt eine dra­maturgie. es gibt tech­nik zu hauf. für mich ist das ein­deutig: das ist the­ater. auch wenn hein­er goebbels es eine „per­for­ma­tive instal­la­tion” nen­nt.

goebbels ist ein­er der weni­gen, die wirk­lich neues the­ater machen — immer wieder. und auf allen ebe­nen. die nicht nur neuen wein in alte schläuche füllen, son­dern auch neue for­men der vermittlung,d er kom­mu­nika­tion mit dem pub­likum, der in-sze­nierung suchen. zumin­d­est als ver­such­sauf­baut­en sind sie oft spek­takulär und aufre­gend, beein­druck­end und mächtig. ob sie freilich von dauer sind, wird sich zeigen — meines wis­sens sind sie bish­er nur im orig­i­nal zu sehen. denn text als grund­lage kaum noch vorhan­den — was eine neu-insze­nierung unge­heuer erschw­ert, eigentlich unmöglich macht. denn goebbels denkt das the­ater offen­bar umfassender: sein werk ist nicht die par­ti­tur, son­dern umfasst auch die kom­plette insze­nierung, inklusvie raum, ton und licht.

dur­chaus eine kon­squente entwick­lung des the­aters, die sich eben um neue for­men bemüht, die näher zu gegen­wart sind. oder, wie er es im inter­view sagt: „Denn das [The­ater] muß immer auch über­raschen, neugierig machen, etwas zeigen, das wir noch nicht gese­hen haben, das unbekan­nt ist, ein Rät­sel, vielle­icht ein kleines Wun­der, schau’n wir mal.”

das ist genau das, was man hier auch als zuschauer tun muss: schauen. und hören. und aufmerk­sam sein auf die durch­weg aus­ge­sprochen abstrak­ten meta­mor­pho­sen von raum, licht, bewe­gungn und klang. der klang: grenzberiech musik — geräusch immer wieder aus­gelotet (damit auch ein — allerd­ings hier nicht weit­er ela­bori­ert­er — anknüp­fungspunkt an die zeit­genös­sis­che musik, etwa die idee ein­er musique instru­men­tale con­créte). und: übergänge zur augen­musik. etwa in dem moment, indem sich das selb­st­spie­lende klavier qua­si noch ein weit­eres mal verselb­ständigt, und nicht mehr spielt, um bes­timmte klang­fol­gen zu erzeu­gen, son­dern spielt, um bes­timmte bildliche abläufe — etwa der sich wellenar­tig bewe­gen­den häm­mer (mit über­lagern­den wellen sog­ar) — zu erzeu­gen. das alles ist ger­ade in der kom­plex­ität der anord­nung (denn für sich genom­men ist die musikalis­che seite etwa des abends fast durch­weg eher sim­pel) unge­heuer anre­gend. es ver­strömt aber auch eine gewisse melan­cholie, v.a. im let­zten drit­tel (insebeson­dere durch die klanggestalt), fast ein eingeste­hen des scheit­erns?

die vom schöpfter gewählte beze­ich­nung der „per­for­ma­tiv­en instal­la­tion” bringt es ziem­lich gut auf den punkt: instal­la­tion zweifel­sohne — die im hin­ter­grund har­rende bat­terie der klangerzeu­gung, die zugle­ich bild­liefer­ant ist etwa. per­for­ma­tiv aber eben auch — in mehrfach­er hin­sicht. nicht unbe­d­ingt in blick auf die bei­den büh­ne­nar­beit­er, die zu beginn noch die let­zten vor­bere­itun­gen täti­gen und zwis­chen­durch (vor allem im ersten teil) einige sachen auf der bühne erledi­gen müssen. per­for­ma­tiv ein­er­seits, weil die instal­la­tion the­ater macht: indem sie klänge her­vor­bringt (dur­chaus ungewöhn­liche, dazis­chen aber auch mal kurz den zweit­en satz (bzw. dessen anfang) des ital­ienis­chen konz­ertes von bach). aber auch durch ihre chore­o­gra­phie, ihre bewe­gungsabläufe — die mehr sind als nur die schlichte zurschaustel­lung der gener­ierung von klang: sie haben — zumin­d­est ver­sprechen sie das — einen sin­nüber­schuss. der sich aber nicht immer so ein­fach in worte fassen lässt. es geht hier nicht so sehr um bes­timmte infor­ma­tio­nen, mit­teilun­gen. son­dern darum, zustände zu verän­dern. insofern ist die per­for­ma­tiv­ität dieser instal­la­tion auch in der wech­sel­wirkung mit dem pub­likum zu suchen. ich hat­te allerd­ings in der bock­en­heimer warte nicht immer den ein­druck, dass dieser teil des abends beson­ders gut funk­tion­ierte. um dazu noch ein­mal goebbels zu zitieren: „ Meine Arbeit­en brauchen im übri­gen den Men­schen. Die Men­schen. Die, die sie machen, und die, die sie erfahren. Alle meine Stücke funk­tion­ieren erst, wenn ein Pub­likum da ist und sie und ihre Ele­mente ‚zusam­menset­zt’. Je indi­vidu­ell und sicher­lich ein­fall­sre­ich­er, als wir uns das vorher aus­denken kön­nen. Und vor allem “Stifters Dinge” braucht das Pub­likum. Erst das Zuschauen macht daraus ein Stück.”

denn die reine tech­nik als faszi­nosum scheint hier für die meis­ten inter­es­san­ter zu sein als das ergeb­nis: natür­lich hat die tech­nik hier auch einen gewis­sen eigen­wert — son­st würde sie nicht so offen zur schau gestellt. das ist natür­lich auch eine absicht goebbels. aber mir scheint, dass große teile des frank­furter pub­likums (dass auch ziem­lich unruhig und wenig begeis­tert schien) nicht weit­er geblickt und gedacht haben als bis hier­hin. ganz deut­lich am ende: alle (wirk­lich mit ganz weni­gen aus­nah­men) strö­men nicht zum aus­gang, son­dern zur bühne, um die tech­nik — die ja offen­liegt — noch ein­mal zu bestaunen. damit wird das eigentlich anliegen des werkes, die aufmerk­samkeit auf dinge zu lenken, die son­st eher illus­tra­tiv gen­tutzt wer­den und nicht im zen­trum der aufmerk­samkeit ste­hen, gewiss­er weise kot­nerkari­ert: sie wer­den näm­lich, indem sie als bloße tech­nis­che her­aus­forderung und inge­nieursmäßige bravourauf­gabe rezip­iert wer­den, ihrer hier geforderten oder pos­tulierten autonomie wieder doch wieder, d.h. erneut!, beraubt und damit noch ein­mal (und diese wieder­hol­ung ist fast noch betrüblich­er als der ursprüngliche vor­gang) aus dem zen­trum gerückt und zur periph­erie gemacht.

kein­er, der nur halb­wegs offen ist, wird diesen abend allerd­ings unbeschadet über­ste­hen. soll heißen: wer sich auch nur ein wenig ein­lässt auf die zu-mut-ung dieser arbeit, wird danach nicht mehr der selbe sein. er wird anders sehen, hören, führlen — anders wahrnehmen. seine aufmerk­samkeit für die dinge etwa, die schein­baren neben­säch­lichkeit­en, wird geschärft sein. und das ist das höch­ste kom­pli­ment, das ich einem kunst­werk machen kann (das ist aber auch der maßstab, den ich immer wieder anlege …)

einige kri­tiken und berichte kann man auf der home­page von hein­er goebbels nach­le­sen.