Klang und Far­ben sind untrenn­bar ver­bun­den. So rich­tig deut­lich wur­de die Klang­far­be als Ele­ment der Kom­po­si­ti­on aber erst im 20. Jahr­hun­dert. Also ist es ganz fol­ge­rich­tig, ein Fes­ti­val für Neue Musik unter das Mot­to „Klang­far­ben“ zu stel­len. Unter die­sem Schlag­wort ver­sam­melt das dies­jäh­ri­ge Mainz-Musik, die 16. Auf­la­ge des Som­mer­fes­ti­vals der Hoch­schu­le für Musik, im Juni eine Men­ge span­nen­der Musik. Wie span­nend das sein kann, mach­te schon das Eröff­nungs­kon­zert im Schloss deutlich. 

Auf dem Pro­gramm stan­den gro­ße Gegen­sät­ze: Musik von Arvo Pärt und Pau­li­ne Oli­ve­r­os neben einer Urauf­füh­rung von Bir­ger Peter­sen selbst wech­sel­ten sich mit ein­zel­nen Sät­zen von Bed­rich Sme­ta­na ab. Und der Kon­trast hat tat­säch­lich funk­tio­niert: Mit den Orches­ter­stü­cken aus Sme­ta­nas Oper „Die ver­kauf­te Braut“ und sei­nem Zyklus „Mein Vater­land“ wur­den die Ohren geschärft. Aber nicht nur auf­merk­sam für das Ande­re und Neue der Musik von Pärt, Peter­sen und Oli­ve­r­os wur­den sie, sie konn­ten sich auch ein­mal ent­span­nen. Denn das von Wolf­ram Kolo­seus gelei­te­te Hoch­schul­or­ches­ter dreh­te bei die­sen Gele­gen­hei­ten ordent­lich auf. Mit Voll­dampf stürz­ten sie sich gleich in die Ouver­tü­re der „Ver­kauf­ten Braut“, mit dem glei­chen Élan und Kara­cho wur­den auch die ande­ren Ton­dich­tun­gen aus dem 19. Jahr­hun­dert in Angriff genom­men. Und von Angriff kann man hier wirk­lich spre­chen, denn Kolo­seus mach­te kei­ne Gefan­ge­nen: Immer war das Tem­po hoch, die Span­nung auch und der Effekt sowieso.

Die Haupt­sa­che aber erklang dazwi­schen: Die Neue Musik. Arvo Pärts „Fra­tres“ ist dabei ein ech­ter Klas­si­ker. Nicht immer aber sind die „Fra­tres“ so klar und deut­lich kon­tu­riert zu hören wie im Schloss. Das lag zum einen wie­der an der Füh­rung von Kolo­seus, zum ande­ren aber an der Vio­li­nis­tin Benia Bar­bu, die die hohen Anfor­de­run­gen des Solo­parts mit Bra­vour bestritt. Klang die Solis­tin – und mit ihr auch das Orches­ter – am Anfang noch mini­mal ange­spannt, lös­te sich das zuneh­men zu einer wun­der­bar kla­ren Gelas­sen­heit, so dass der Schwe­be­zu­stand der Pärt’schen Musik sich voll ent­fal­ten konnte. 

Gelas­sen­heit präg­te in gewis­ser Wei­se auch „strei­fen“ von Bir­ger Peter­sen, das hier urauf­ge­führt wur­de. In gro­ßer Ruhe glei­ten die „strei­fen“ von Ein­zel­tö­nen zu kom­ple­xen Häu­fun­gen, wech­seln zwi­schen Erre­gung und Locker­heit, tas­ten sich von Far­be zu Schat­tie­rung zu Tönung: Eine span­nen­de Klang­for­schung, auch wenn man das dar­in ver­steck­te Schlaf­lied beim bes­ten Wil­len nicht mehr erken­nen kann. 

Eine „Wol­ke aus Klän­gen“ erhof­fe sich Pau­li­ne Oli­ve­r­os von ihrer „Tuning Medi­ta­ti­on“, die kei­ne Noten mehr vor­schreibt und auch kei­nen Diri­gent mehr ver­langt. Das Orches­ter wird frei – frei, eige­ne Klän­ge zu ver­wirk­li­chen oder sich ande­ren anzu­schlie­ßen. Das gibt schö­ne Momen­te, die immer in Wel­len ent­ste­hen: Rau­nend beginnt das mit den Stim­men und Atmen der Musi­ker, ver­dich­tet und lockert sich, fällt ab und an auch mal in eini­ge leer­lau­fen­de Momen­te. Aber immer wie­der fin­det das Hoch­schul­or­ches­ter zusam­men – in höchs­ter Empha­se und bun­ter Klang­far­big­keit, genau wie im Rest des Konzertes. 

(geschrie­ben für die Main­zer Rhein-Zeitung.)