„Immer Neues ans Licht brin­gen“ hat­te sich Paul Hin­demith in den Zwanzigern des let­zten Jahrhun­derts vorgenom­men. Imme Neues will auch Mainz-Musik vor­führen: Das kleine Som­mer­fes­ti­val der Musikhochschule hat sich vor allem der Neuen Musik zuge­wandt. Mit großem N, weil nach 85 Jahren eine Kom­po­si­tion eigentlich keine Novität mehr ist. Aber wenn sie, wie Hin­demiths Cel­lo-Sonate op. 25/3 immer noch den Ruf trägt, neu, unge­wohnt und schwierig zu sein, passt sie auch zu Mainz-Musik.

Und sie ist neben­bei auch noch wun­der­schöne Musik, die man gar nicht oft genug hören kann. Zumin­d­est wenn sie Manuel Fis­ch­er-Dieskau spielt. Denn er gibt ihr sein ganzes Feuer, rückt ihr mit fes­ter Attacke zu Leibe. Jed­er Ton strahlt dadurch eine absolute Gewis­sheit aus: So ist es richtig, so muss es klin­gen. Von diesem elo­quenten Esprit lässt man sich gerne überzeu­gen und ansteck­en.

Schon der Beginn des Eröff­nungskonz­ertes hat­te ähn­liche Akzente geset­zt. Den verdichteten Charak­ter­stück­en von Hans Wern­er Hen­zes Cel­lo-Sonate ver­lieh Fis­ch­er-Dieskau mit noblem Ton große Ele­ganz. Und sein klar­er Musizier­stil ver­schleierte dabei nichts: Er verbindet die men­schliche Wärme ganz unauf­fäl­lig mit der Rein­heit der Kun­st, ihrer Frei­heit von den Ver­suchun­gen der Welt. In der abgeschiede­nen Atmo­sphäre der Johan­niskirche kon­nte sich das wun­der­bar ent­fal­ten. Zumal Fis­ch­er-Dieskau den weichen Klang des Raumes geschickt mit ein­be­zog in seine Inter­pre­ta­tion.

Dazwis­chen stand ein recht stark­er Kon­trast: „La Ten­ta­tion de Saint Antoine“ von Wern­er Egk – also die Geschichte der Ver­suchung des heili­gen Anto­nius. Das Stre­ichquar­tett der Musikhochschule unter Leitung Tobias Rokahrs sorgte für einen oft orches­tral wirk­enden Hin­ter­grund, vor dem die Altistin Regi­na Pätzer als per­son­ifizierte Ver­suchung im sündi­gen Rot mit ver­lock­ender Stimme den armen Antoine ganz schön in Bedräng­nis brachte. Auch wenn der franzö­sis­che Text kaum zu ver­ste­hen war, ver­führt die aufgewühlte, tief füh­lende Musik allein durch ihren Klang schon mehr als genug.

Zusam­menge­bun­den wurde das Pro­gramm durch eine eigentlich eher neben­säch­liche Tat­sache: Die drei Kom­pon­is­ten waren alle Autoren des Schott-Ver­lages. Das hat­te seinen guten Grund, denn in St. Johan­nis ver­band sich das Eröff­nungskonz­ert von Mainz-Musik mit der Erin­nerung an den Mainz­er Ver­leger Lud­wig Streck­er, der dieses Jahr seinen 125. Geburt­stag gefeiert hätte. Und ihm war die Neue Musik genau­so ein Anliegen wie den Mach­ern von Mainz-Musik.

 

(geschrieben für die mainz­er rhein-zeitung.)