Schon die schiere Größe ist beein­druck­end, die Chor­massen auf den Altarstufen, die Länge des Werkes und das Durch­hal­tev­er­mö­gen der Musik­er und des Pub­likums. Das ist aber eher seine portliche Leis­tung. Domkapellmeis­ter Math­ias Bre­itschaft gelingt es allerd­ings, daraus auch dur­chaus beein­druck­ende Musik zu machen. Dabei ist das für ihn schon fast Rou­tine: Regelmäßig ste­ht in der Wei­h­nacht­szeit auch im Dom das kom­plette Bach­sche Wei­h­nacht­so­ra­to­ri­um auf den Plan. Dieses Jahr war es wieder so weit.

Und ganz schnell, näm­lich schon beim „Jauchzet, frohlock­et“ des Ein­gangschores, wird klar: Dieses Mal wird das Wei­h­nacht­so­ra­to­ri­um noch lebendi­ger und kraftvoller klin­gen. Der Dom­chor und das Mainz­er Kam­merorch­ester leg­en sich gle­ich ins Zeug, als hät­ten sie nicht noch über zwei Stun­den Musik vor sich. Und doch bleibt Bre­itschaft sein­er Inter­pre­ta­tion­slin­ie treu: Das wirk­liche Erstaunen ob des Wun­ders der Geburt Jesu Christ ste­ht im Mit­telpunkt. Und die unbändi­ge Freude darüber, immer wieder jauchzt, frohlockt und jubelt der Chor, die Instru­men­tal­is­ten und auch die Solis­ten.

Die zügi­gen Tem­pi dieser hochges­timmten Musik sind dabei dur­chaus irdisch, wirk­lich entrückt wirkt das fast nur im Choral „Ich steh an dein­er Krip­pen hier“ im sech­sten Teil. Das gilt vor allem in der ersten Hälfte, den ersten drei Kan­tat­en für die eigentlichen Wei­h­nachts­feiertage. Hier wird die eigentliche Wei­h­nachts­geschichte, der Kern des Wun­ders, erzählt. Und hier singt der Mainz­er Dom­chor. Denn nach der Pause erset­zt Bre­itschaft die jun­gen Stim­men des Dom­chors mit den etwas reifer­en der Domkan­tor­ei St. Mar­tin. Und diesen Unter­schied hört man deut­lich: Die Kan­tor­ei klingt erwach­sen­er, fül­liger und singt mit mehr Druck, aber nicht ganz so beweglich wie der Dom­chor. Die immer etwas ungläu­big-naive Begeis­terung des Beginns wan­delt sich in ehrfürchtiges Staunen.

Auf der Suche nach dem Charak­ter­is­tis­chen jedes einzel­nen Satzes kommt Bre­itschaft so sehr weit. Die Verve, mit der er sich und die Chöre etwa in jeden einzel­nen der sechs Ein­gangschöre stürzt, ist jedes­Mal beein­druck­end. Und sie überträgt sich recht prob­lem­los auf den Rest des Ora­to­ri­ums, auch auf Arien und Rez­i­ta­tive der Solis­ten. Die wur­den in der Pause nicht aus­gewech­selt, was aber nicht von Nachteil war. Denn auf einen Evan­ge­lis­ten wie Christoph Pré­gar­di­en, dem man in jedem Satz seine lange Erfahrung und seine Detail­freudigkeit anhört, möchte man keines­falls verzicht­en – auch wenn die Höhe in den Spitzen­tö­nen in der let­zten Arie etwas mürbe wird. Inten­sive Kläng steuern auch die Altistin Alexan­dra Rawohl und der Mainz­er Bass Patrick Pobeschin bei, während die Sopranistin Clau­dia von Tilz­er oft etwas über­drama­tisch agiert. Aber selb­st die plaka­tiv­en Momente find­en ihren Platz: Manch­mal muss man eben etwas dick­er auf­tra­gen. Son­st wür­den da ja auch nicht fast 100 Cho­ris­ten sin­gen.

(geschrieben für die mainz­er rhein-zeitung.)