Eine alte Geschich­te ist es, die auf der Büh­ne des Klei­nen Hau­ses ver­han­delt wird: Judith, die zur Ret­tung ihres Vol­kes aus den Kral­len des Besatzers Holo­fer­nes die­sen bezirzt, um ihn im Schlaf zu ermor­den. Und doch ist es auch eine Aus­gra­bung. Denn Ales­san­dro Scar­lat­ti hat sein Ora­to­ri­um „La Giudit­ta“ schon am Ende des 17. Jahr­hun­derts kom­po­niert. Und wahr­schein­lich wur­de es seit der Urauf­füh­rung im römi­schen Palast des Kar­di­nals Pie­tor Otto­bo­ni, der auch den Text schrieb, nicht mehr sze­nisch auf­ge­führt. Dabei gehört das unbe­dingt dazu, da ist sich Cle­mens Heil, der musi­ka­li­sche Lei­ter die­ser Kopro­duk­ti­on von Staats­thea­ter und Musik­hoch­schu­le, ganz sicher: „Scar­lat­tis dra­ma­ti­sche Musik ist ohne sze­ni­sche Ele­men­te kaum zu den­ken, das ist alles immer für die Sze­ne kom­po­niert.“

Die sze­ni­sche Umset­zung mit den Sän­gern aus Thea­ter-Ensem­ble, Jun­gem Ensem­ble und Hoch­schul­stu­den­ten diri­giert in Mainz Ari­la Sie­gert. Für sie ist die zen­tra­le Fra­ge die­ses Stü­ckes nicht so sehr, wie es zu dem Mord kam, son­dern wie es danach wei­ter­geht: „Wie kann Judith mit die­ser Tat leben?“ Denn Judith bleibt ein­sam und inner­lich ver­brannt. Des­halb hat sie sich gemein­sam mit Cle­mens Heil auch dafür ent­schie­den, dem Schluss eine Arie aus der zwei­ten Fas­sung des Ora­to­ri­ums hin­zu­zu­fü­gen: ein Schlaf­lied, dass Judith mit dem Kopf des Holo­fer­nes in der Hand singt.

Über­haupt bemüht sie sich um einen star­ken Bezug der Insze­nie­rung auf die musi­ka­li­sche Struk­tur. Denn „das ist kein Stan­dard-Ora­to­ri­um der erbau­en­den gleich­nis­haf­ten Erzäh­lung“, erläu­tert Heil. „So fängt es zwar an und endet es auch. Aber dazu kommt noch die gan­ze Palet­te mensch­li­cher Lei­den­schaf­ten in opern­haf­ten Ari­en, Kriegs­mu­sik und vor allem der Psy­cho­thril­ler der gro­ßen Mord­sze­ne.“

Außer­dem ist „La Giudit­ta“ natür­lich auch ein poli­ti­sches Stück – aber für Sie­gert nicht in der Form plum­per tages­po­li­ti­scher Aktua­li­sie­run­gen, son­dern durch das Auf­grei­fen der The­men Ver­trei­bung und Hei­mat­lo­sig­keit, durch die Kon­sti­tu­ti­on der zwei Lager des Krie­ges und den Ein­bruch der Gewalt in die häus­li­che Ord­nung. Im abs­trakt-moder­nen Raum von Hans Die­ter Schaal ver­sucht sie die Ver­knüp­fung zeit­lo­ser The­men und direk­ter Anklän­ge des zugleich moder­nen und arche­ty­pi­schen Kam­pes um Macht, dem stän­di­gen Eska­lie­ren. Denn auch Judith wird hier zunächst als Krie­ge­rin ein­ge­führt, sie ist kei­nes­wegs eine schwa­che Frau. „Demo­kra­tie ist genau die­ses Aus­pen­deln um die Füh­rung“, erläu­ter sie. Und des­halbt hat sie ihr Ensem­ble auch demo­kra­tisch geführt: Kein Star­we­sen, son­dern per­ma­nen­ter Wech­sel zwi­schen Solis­ten und Sta­tis­ten fin­det hier statt. Und es gibt zwei sehr eben­bür­ti­ge Beset­zun­gen, so dass eigent­lich zwei voll­gül­ti­ge Pre­mie­ren über die Büh­ne gehen. Die ers­te davon am Sams­tag ist auch schon aus­ver­kauft.

Pre­miè­re: 13. Okto­ber, 19.30 Uhr, Klei­nes Haus.