Lesen. Hören. Und ein bisschen schreiben.

Vergessen: 3000 unbekannte Briefe im Thomas-Mann-Archiv

Die FAZ berichtet heute im Feuil­leton (S. 31, lei­der nicht online), dass das Thomas-Mann-Archiv in Zürich unge­fähr dre­itausend Briefe aus dem Nach­lass des Autors bzw. sein­er Frau Katia bis zum Dezem­ber 2012 ein­fach “vergessen” hat. Das sind schlappe 13 Kisten, die die Archivare dort in den let­zten Jahrzehn­ten kom­plett “überse­hen” haben: Die wur­den nicht erfasst, nicht kat­a­l­o­gisiert, nicht aus­gew­ertet und waren auch nie­man­dem zugänglich — nicht den Forsch­ern, aber auch nicht den Fam­i­lien­mit­gliedern. Schon die Umstände, wie die Briefe ins Archiv gelangt sind, sind selt­sam (für Schrift­steller-Nach­lässe allerd­ings wiederum gar nicht so sehr …):

Derzeit bemüht man sich im TMA, die Herkun­ft der aufge­taucht­en Brief­bestände zu rekon­stru­ieren – auch das führt auf dun­kle Pfade. Ein Teil der Briefe sei wohl bere­its 1981 ins Archiv gelangt, gebracht von Ani­ta Naef, der Sekretärin erst von Eri­ka, später von Golo Mann; der größere Teil sei 1994 geschenkt wor­den, eben­falls aus der Hand von Ani­ta Naef. […] Nach den heuti­gen Recherchen des TMA brachte sie den größten Teil des jet­zt aufge­taucht­en Brief­be­stands 1994, im Todes­jahr Golo Manns, als „Schenkung“ ins TMA, ohne dass dies verze­ich­net oder im Jahres­bericht des Archivs ver­merkt wor­den wäre.

Das ist schon eine ganz schöne Schlam­perei — auch wenn Tilmann Lahme in der FAZ sicher­lich zu recht darauf hin­weist, dass das TMA sich mehr als Forschungsstätte denn als klas­sis­ches Archiv ver­stand:

Demge­genüber sind Erfas­sung, Erschließung und Sicherung der Archiva­lien nicht auf dem Stand eines mod­er­nen Archivs.

Immer­hin scheint sich nun etwas zu tun:

Die Leitung der Hochschule hat nun, nach der Eingliederung des TMA und unter dem Ein­druck des Auf­tauchens der dre­itausend Katia-Mann-Briefe, kurzfristig ein größeres Pro­jekt bewil­ligt. Mehr als eine halbe Mil­lion Schweiz­er Franken ste­hen von sofort an für Erschließung und Dig­i­tal­isierung der Archivbestände zur Ver­fü­gung. Bis zum Ende des kom­menden Jahres sollen die Bestände kom­plett in einem mod­er­nen, online abruf­baren Sys­tem erfasst und dig­i­tal­isiert sein

Ander­er­seits gehen die Merk­würdigkeit­en aber gle­ich weit­er: Fri­do Mann, Enkel Thomas’, hat — offen­bar als eine Art “Entschädi­gung” für das lange währende Ver­säum­nis des Archivs, “etwa fün­fzig Briefe seines Vaters Michael an Katia Mann” aus­ge­händigt bekom­men. Die sind also aus dem Archiv gle­ich wieder ver­schwun­den …

Das Archiv selb­st scheint auch son­st eher nach­läs­sig geführt zu wer­den, der FAZ-Artikel lässt da einiges anklin­gen (und macht darauf aufmerk­sam, dass das nicht unbe­d­ingt die Schuld der beteiligten Per­so­n­en sein muss, son­dern auch in sein­er Kon­struk­tion und der man­gel­nden Wertschätzung durch die Hochschul-Leitung geschuldet sein kann). Die Inter­net­seite des Archivs jeden­falls gibt keinen Hin­weis auf den Fund der Manuskripte …

Zurück

Taglied 29.8.2013

Nächster Beitrag

Lieblingstweets August 2013

  1. @viertelnachvier

    RT @matthias_mader: Vergessen: 3000 unbekan­nte Briefe im Thomas-Mann-Archiv | “Näch­stens mehr.” http://t.co/ZvaCqDKSC4

  2. Thomas Weiner (@viertelnachvier)

    RT @matthias_mader: Vergessen: 3000 unbekan­nte Briefe im Thomas-Mann-Archiv | “Näch­stens mehr.” http://t.co/ZvaCqDKSC4

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Präsentiert von WordPress & Theme erstellt von Anders Norén