Da ist es also end­lich, das „Hand­buch Ultralauf“—dann soll­ten jetzt ja end­lich mal alle Fra­gen geklärt sein. Sie sind es natür­lich nicht, ganz im Gegen­teil. Und das ulti­ma­ti­ve Hand­buch erscheint auch noch in der Runner’s‑World-Reihe—ist Ultra­l­auf jetzt end­gül­tig Main­stream gewor­den? Nein, auch das nicht—das Hand­buch weist selbst auf die tlw. sta­gnie­ren­den, tlw. mini­mal stei­gen­den Zah­len der Läu­fer und Läu­fe­rin­nen hin.

Wolf­gang Olbrich, Sport­wart der DUV, ver­sucht sich hier also am Rund­um­schlag: Von der Geschich­te des Ultra­ma­ra­thon­laufs bis zu spe­zi­fi­schen Trai­nings­plä­nen ist über Trai­nings­grund­la­gen, Aus­rüs­tung, men­ta­les Trai­ning, Ernäh­rungs– und ortho­pä­di­sche Fra­gen so ziem­lich zu jedem „Pro­blem“ des Ultras hier etwas zu fin­den. So rich­tig begeis­tern konn­te mich das Buch aber trotz­dem nicht.

Das fängt schon am Anfang an: Die ers­ten 36 Sei­ten (kein unbe­trächt­li­cher Teil des Umfangs also) sind eigent­lich ver­schenkt. Da wird aus­führ­lich die Situa­ti­on der Ver­bän­de (inklu­si­ve ihrer Komit­tees und deren Vor­sit­zen­den) und der Meis­ter­schaf­ten auf natio­na­ler und inter­na­tio­na­ler Ebe­ne referiert—ist das wirk­lich nötig? Die DUV wird (natür­lich) sehr pro­mi­nent dar­ge­stellt (inklu­si­ve der „inter­nen Strei­tig­kei­ten“ …—den VFUM hät­te man, bei aller Anti­pa­thie, hier durch­aus auch mal erwäh­nen kön­nen). Auch die rest­li­chen Ver­bän­de wie DLV und IAU bekom­men viel Raum. Und das gleich am Anfang, direkt nach eini­gen kur­so­ri­schen Bemer­kun­gen zur Geschich­te des Ultra­l­aufs.1

Das Fazit nach dem ers­ten Fünf­tel also: Wenig hilf­reich bis­her. Doch dann geht’s los: Kapi­tel 6–8 zei­gen die Trai­nings­grund­la­gen für den Ultra­l­auf. Hier beschreibt Olbrich dann doch wie­der erst ein­mal die übli­chen Trainingsformen—extensive und inten­si­ve Dau­er­läu­fe, Inter­val­le, Fahrt­spie­le … -, aber wenigs­tens schön knapp, obwohl er mehr­mals dar­auf hin­weist, dass er genau das eigent­lich vor­aus­setzt (zusam­men mit mehr­jäh­ri­ger Mara­thon­erfah­rung). Vor allem tut er es aber mit spe­zi­el­ler Berück­sich­ti­gung der lan­gen Distan­zen und geht auch auf Aus­gleichs­trai­nings (Deh­nen, Kräf­ti­gungs­übun­gen) und Lauf-ABC jeweils knapp ein.

Dem fol­gen kur­ze (wirk­lich aus­führ­lich ist in dem Hand­buch eben nichts) Kapi­tel zur Ernäh­rung (Olaf Hüls­mann), zu Pro­ble­men des Magen-Darm-Trakts beim lan­gen Lau­fen (Ste­fan Hin­ze), zu ortho­pä­di­schen Aspek­te der lan­gen Belas­tung (Diet­mar Göbel), zu men­ta­len Aspek­ten des Ultras und schließ­lich noch 25 Sei­ten Trai­nings­plä­ne (50km, 100km, 24h, Etappenläufe).

Die abschlie­ßen­den 12 Sei­ten zur „Aus­rüs­tung“ waren wohl Pflicht für die Spon­so­ren,2 sind für den Läu­fer aber eher unnötig—schließlich ist das Hand­buch laut Ein­lei­tung doch aus­drück­lich für Ath­le­ten gedacht, die „bereits seit meh­re­ren Jah­ren im Lauf­be­reich trai­nie­ren“ (11)—was ja auch sinn­voll ist, bevor man den ers­ten Ultra angeht. Genau die­se Sport­ler wis­sen aber doch schon, was man beim Lau­fen anziehn soll­te, das es Puls­mes­ser und GPS-Uhren gibt …

Ganz zum Schluss kommt noch ein kur­zer Lite­ra­tur-Anhang mit sehr aus­g­wähl­ten Titeln: (Basis-)Literatur zum Lau­fen all­ge­mein und zur Trai­nings­leh­re fehlt kom­plett (obwohl z.B. beim Noa­kes doch auch was zum Ultra­l­auf drin steht), die Lis­te führt fast aus­schließ­lich medi­zi­ni­sche (gas­tro-ente­ro­lo­gi­sche und ortho­pä­di­sche, auch psy­cho­lo­gi­sche) Untersuchungen/​Artikel an.3

Also: Den Titel „Hand­buch“ hal­te ich für etwas über­trie­ben, sowohl hin­sicht­lich des Inhalts als auch des Umfangs von 192 sei­ten (inkl. ver­schie­de­ner Lauf­be­rich­te, die mir teil­wei­se schon bekannt vor­ka­men, aus der UM oder den ent­spre­chen­den Inter­net­quel­len?, und kur­zen Läu­fer­por­träts, die aber sehr sche­ma­tisch gera­ten sind und die Per­so­nen kaum vor­stel­len. Es blei­ben dabei 180 Sei­ten eigent­li­cher Text der Kapi­tel 1–18 (mit vie­len, nicht immer aus­sa­ge­kräf­ti­gen Fotos). Wenn man die Ver­an­stal­tungs­be­rich­te und Por­träts raus­nimmt, sind es noch 136 Sei­ten, davon aber auch 25 Sei­ten Defin­in­ti­on, Ultra-Geschich­te, die Dar­stel­lung der Ver­bän­de, Meis­ter­schaf­ten und gro­ßer Ver­an­stal­tun­gen (kurz beschrie­ben wer­den: Com­ra­des, Biel, Bad­wa­ter, Spar­t­ath­lon, Rod­gau, Kien­baum und Renn­steig)—letzt­lich blei­ben also nur noch gut 100 Sei­ten für den eigent­li­chen Inhalt übrig—kein Wun­der, dass mir vie­les etwas ober­fläch­lich dar­ge­stellt schien.

Ohne Zwei­fel wer­den alle wich­ti­gen Aspek­te abge­han­delt, aber zum Teil eben nur beschrei­bend, ohne ver­nünf­ti­ge, d.h. wirk­lich hel­fen­de Hand­lungs­emp­feh­lun­gen (ins­be­son­de­re im Bereicht der Ernäh­rung und Ver­dau­ung, zum Teil auch ein­fach nur seh abs­trakt und wenig konkret.

Das Pro­blem, wes­we­gen das Hand­buch mir so unbe­frie­di­gend scheint, ist wohl fol­gen­des: Ers­tens ist Vie­les, gera­de das grund­le­gen­de Wis­sen, in den gro­ßen Büchern zum (Marathon-)Laufen auch schon in den ver­schie­dens­ten Aus­prä­gung aus­rei­chend erklärt und beschrie­ben. Und zwei­tens gibt es zum Ultra­l­auf kei­ne bzw. nur weni­ge wirk­lich all­ge­mein gel­ten­den Ver­fah­rens­wei­sen, was die Aus­ge­stal­tung des Trai­nings im Detail z.B. betrifft, oder was die Ernäh­rung wäh­rend des Wett­kamp­fes angeht—und das muss Olbrich, der ja ohne Zwei­fel Ahnung und aus­rei­chen­de Erfah­rung hat und auch vie­le Läu­fer und Ver­an­stal­tun­gen gut kennt, eben immer wie­der kon­sta­tie­ren. Mich hat das ein wenig unbe­frie­digt hin­ter­las­sen, bei der Lektüre.

Dazu kommt noch (wie­der ein­mal) ein unzu­rei­chen­des Lektorat—sprachlich mit­tel­mä­ßig, wech­selt der Text z.B. zwi­schen Duzen und Sie­zen, Satz­feh­ler etc.—das ärgert mich immer ein biss­chen. Das geht schon damit los, dass Umschlag und Titel sich nicht einig sind, wie das Buch über­haupt heißt. Und das setzt sich im Text eben fort­wäh­rend fort. Das ist für Hob­by­pu­bli­ka­tio­nen o.k., ent­spricht aber nicht mei­nem Anspruch an offi­zi­el­le Verlagsveröffentlichtungen.

Viel Geme­cker also hier. Trotz­dem für den Ein­stei­ger sicher­lich nett und hilf­reich. Es geht aber eben auch besser—behaupte (und den­ke) ich. Ich ver­mu­te, es war den Autoren ein­fach nicht klar genug, was das werden/​sein soll: Ein Hand­buch für Ultra­l­äu­fer? Für am Ultra­ma­ra­thon Inter­es­sier­te? Soll es den Ultra­l­auf populär(er) machen oder dem Ultra­l­äu­fer, ob Anfän­ger oder Fort­ge­schrit­te­ner, als Nach­schla­ge­werk zur Sei­te ste­hen? Es will dann irgen­de­wie alles—und schafft dann nichts rich­tig befriedigend.

Wolf­gang Olbrich: Hand­buch Ultra­l­auf [Mehr als Mara­thon! Trai­nings­plä­ne für 50 Km und mehr, Men­tal­trai­ning, Ernäh­rungs­tipps]. Aachen: Mey­er & Mey­er 2011 (Runner’s World). 192 Sei­ten. ISBN 978–3–89899–657–0. 19,95 Euro.

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  1. Die­se Geschich­te müss­te man wohl eigent­lich noch/​mal schrei­ben, aus Sicht des His­to­ri­kers ist das alles sehr unbe­frie­di­gend. Denn in der Geschichts­wis­sen­schaft pas­siert da ja durch­aus eini­ges, v.a. im Bereich der Kör­per­ge­schich­te und der Kul­tur­ge­schich­te über­haupt, was hier hin­pas­sen könn­te. Aber das nur so neben­bei.
  2. Das ist ja eine ech­te Unsit­te der Sport­bü­cher, gera­de im Bereich Aus­rüs­tung, so etwas immer wie­der heranzuziehen—das ärgert mich immer wie­der. Das „Hand­buch Ultra­l­auf“ ist, wie vie­le ande­re solch Bücher, trotz­dem nicht bil­lig, zudem auch noch mit „Runner’s World“-Kooperation (die sind ja auch kein Fach­blatt für Ultra­di­stan­zen …)—muss die­se Wer­bung für Polar (die angeb­lich das bes­te Com­pu­ter­pro­gramm zur Aus­wer­tung haben—SportTracks als Alter­na­ti­ve wird nicht ein­mal erwähnt) und Gore wirk­lich sein?
  3. Und den kurio­sen Ein­trag „Wiki­pe­dia“ fin­det man noch: Unge­nau­er geht es ja eigent­lich nicht mehr—Was und Wann war das denn, in wel­cher Sprach­ver­si­on?, da fehlt wirk­lich nur noch die Quel­len­an­ga­be „Inter­net“.