Lesen. Hören. Und ein bisschen schreiben.

Schlagwort: werke

Ins Netz gegangen (11.2.)

Ins Netz gegan­gen am 11.2.:

  • Lit­er­atur­blogs: Dieses Buch wird Ihr Leben verän­dern! | Zeit — ana maria michel schreibt am mythos der guten, objek­tiv­en lit­er­aturkri­tiken in (zeitungs)feuilletons und der schlecht­en, sub­jek­tiv­en wer­ben­den besprechun­gen in blogs und youtube-kanälen fort. eines der kri­te­rien ihres ziem­lich unzulänglichen textes: in blogs gäbe es nur pos­i­tive, lobende besprechun­gen — als ob das in feuil­leton anders wäre!
  • Stradi­vari: Frau Gen­er­al lässt bit­ten | ZEIT ONLINE — wol­fram goertz kann sich nicht einkriegen vor begeis­terung, dass frank peter zim­mer­mann für drei jahre eine neue geige hat.
  • Der Online-Freud — alle 17 bände der “gesam­melten werke” von freud gibt es hier online: zum lesen im brows­er oder als pdf- bzw. epub-down­load.
  • Open Access zer­stört die Wis­senschaft. Meint Urs Heftrich in der FAZ. | LIBREAS.Library Ideas — ben kaden set­zt der ver­lagspro­pa­gan­da der faz ent­ge­gen

    fak­tisch ist die Bedro­hung des wis­senschaftlichen Ver­lagswe­sens durch Open Access und Zweitveröf­fentlichungsrechte keines­falls so akut, wie sie ihren Lesern glauben machen wollen. Zum Diskurs gehört also auch, darauf hinzuweisen. Ursäch­lich für einen Rück­gang bei den Erwer­bun­gen sind sich­er nicht vor­rangig die Repos­i­to­rien und Open-Access-Ver­lage, son­dern vielmehr die grotesken Preis­steigerung der STEM-Monop­o­lis­ten sowie Kürzun­gen in den Bib­lio­thek­se­tats. Wie sehr würde man sich über regelmäßige, gern auch scharfe Feuil­leton-Beiträge aus Hei­del­berg gegen die Preis­poli­tik von Else­vi­er und für die bessere finanzielle Ausstat­tung von deutschen Hochschul­bib­lio­theken freuen.

  • Deutsch­land: Off Duty | NEO MAGAZIN ROYALE mit Jan Böh­mer­mann — ZDF­neo — YouTube — so bescheuert, dass es schon wieder gut ist: jan böh­mer­manns neuestes video “Deutsch­land: Off Duty”
  • Geschichte der Gegen­wart — “eine Gruppe von Geistes- und Kultur­wis­sen­schaft­le­rInnen” v.a. aus zürich startete ger­ade die “Geschichte der Gegen­wart” als plat­tform, um sich in die öffentliche diskus­sion einzu­mis­chen.

    Texte, in denen die Gegen­wart nicht verneint wird durch das, was man immer schon zu wis­sen glaubt, son­dern zugäng­lich wird durch das, was man erschließen und rekon­stru­ieren, erörtern und analy­sieren, begreifen und ein­schätzen ler­nen kann.

    Gegen­wart liegt nicht ein­fach vor, son­dern sie passiert, wobei sie sich unser­er Aufmerk­sam­keit laufend wieder entzieht… Hal­ten wir sie fest! Dabei gilt: Wie sie passiert und was in ihr passiert, fol­gt aus all ihren Vergan­gen­heiten, die nicht abgeschlossen sind.

    Geschichte der Gegen­wart bietet bewusst keine Möglich­keit, Artikel unmit­telbar zu kommen­tieren. Diese heute so verbrei­tete Form der medi­alen Öffent­lich­keit hat u. E. den Nach­weis ihrer publi­zis­ti­schen Unabding­bar­keit und politi­schen Produk­ti­vität bis­lang nicht erbrin­gen kön­nen, son­dern öffnete das Feld nicht zulet­zt dem ungefil­terten Vorur­teil, der Ranküne und der blossen Mutmas­sung, die sich um Argu­mente nicht zu küm­mern braucht.

    kön­nte inter­es­sant wer­den …

  • Stel­lung­nahme zu “Siegerkun­st” | ideen­frei­heit — wolf­gang ull­rich berichtet per­ver­sitäten des urhe­ber­rechts: künstler_innen nutzen das zunehmend, um abbil­dun­gen ihrer (öffentlich aus­gestell­ten) werke in pub­lika­tio­nen, die ihnen nicht gefall­en, zu ver­hin­dern und somit eine wis­senschaftliche auseinan­der­set­zung (fast) unmöglich machen. und das spiel kann man bis zu 70 jahre nach dem tod der urhe­berin­nen weit­er­spie­len …

Ins Netz gegangen (21.1.)

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  • Max Reger: Akko­r­dar­beit­er im gifti­gen Kli­ma der Mod­erne | Der Stan­dard — roland pohl im stan­dard über max reger, seine rezep­tion und warum er so wenig bekan­nt und geschätzt wird — immer­hin ist in diesem jahr sein hun­der­ster todestag zu bege­hen …

    Es fällt nicht leicht, nach den Grün­den zu suchen, warum der deutsche Kom­pon­ist Max Reger (1873–1916) der­art gründlich in Vergessen­heit ger­at­en ist. Den meis­ten sein­er unzäh­li­gen Werke haftet eine gewisse Sprödigkeit an. Reger, im pri­vat­en Umgang ein humoriger Kauz, hat vor allem auf dem Gebi­et der Har­monik Epochales gelei[s]tet.

    Des Meis­ters viel zu früher Tod – er entschlief herzkrank in einem Leipziger Hotelz­im­mer – dürfte auch hun­dert Jahre später kein Reger-Fieber aus­lösen. Die Klas­sik­branche fasst den eigen­bröt­lerischen “Akko­r­dar­beit­er” nicht mit der Kneifzange an. Ein­er größeren Ver­bre­itung ste­ht die Kom­plex­ität der intro­vertierten Reger-Musik im Wege.

  • Sport, über­all nur noch Sport: Die geistige Macht unser­er Epoche | taz — robert redeck­er hat in der taz eine wun­der­bare, ful­mi­nante abrech­nung mit dem sport und unser­er obses­siv­en beschäf­ti­gung damit geschrieben:

    Die heutige Gesellschaft hat eine neue Vari­ante des Total­i­taris­mus erfun­den: den Sport.[…] Diese Sportan­lässe beset­zen scham­los und rück­sicht­s­los den gesamten Platz in den Medi­en.
    Wie ein Nim­m­er­satt mit unstill­barem Hunger vere­in­nahmt der Sport den ganzen Platz für sich. Nie­mand kann dieser erdrück­enden Inva­sion der Sport­berichte ent­ge­hen, die alles andere ver­drängt. Diese Über­do­sis an Sport hat eine zer­störerische Umkehrung der Werte und der Hier­ar­chie der Infor­ma­tion zur Folge. Statt sich auf ein paar Worte am Ende der Fernseh- und Rund­funknachricht­en zu beschränken, was angesichts ihrer Bedeu­tungslosigkeit nor­mal wäre, ver­weist die Sport­berichter­stat­tung alles wirk­lich Wichtige auf die Rand­plätze.

    Was dage­gen für die Zivil­i­sa­tion von Bedeu­tung wäre, woran man sich noch Jahrhun­derte später erin­nern wird – die her­aus­ra­gen­den Per­sön­lichkeit­en der Philoso­phie, der Malerei, Dich­tung, Chore­ografie, Musik oder Architek­tur – find­et dage­gen kaum Beach­tung in den Medi­en.

  • David Bowie: Schön dick aufge­tra­gen | ZEIT ONLINE — diedrich diederich­sen über das bowie-album, das black­star-video und bowies auftritte

    Hier, bei einem Album, das die run­dum zu begrüßende Devise sein­er Eröff­nung­sop­er, “Mehr ist mehr”, bis zum Schluss beherzigt, hat man bei­des ver­sucht: Jazz-Vir­tu­osität und die dun­kle Ekstase heutiger Dance- und Goth­ic-Kul­turen.

  • Israel ǀ Kib­buz­im: Auf der Suche nach der Iden­tität — der Fre­itag — über die entwick­lung der kib­buz­im von sozial­is­tis­chen gemein­schaften zu mark­tkon­for­men wirtschaft­sun­ternehmen — sehr inter­es­sant …
  • Online-Fort­set­zungsro­man: Lang lebe der Shandy­is­mus! | FAZ — jan wiele in der faz mit ein­er ersten ein­schätzung von tilman ramm­st­edts ger­ade enste­hen­dem “mor­gen mehr” — seine beobach­tun­gen tre­f­fen sich ziem­lich genau mit meinen eige­nen …
  • Train­ingslager in den Golf­s­taat­en : „Der Sport ist ein löchriger Käse“ — taz.de — die taz sprach mit dem “sportethik­er” elk franke:

    Die Poli­tik nimmt den Sport gern für sich in Anspruch. Umgekehrt prof­i­tiert der Sport auch stark davon. Somit wird der Satz „Der Sport ist unpoli­tisch“ zu ein­er ide­ol­o­gis­chen Aus­sage, die in der All­t­agsprax­is keine Gültigkeit hat.
    […] Der Sport ist ein inhalts­freies Dra­ma, das eine Iden­ti­fika­tion mit allen möglichen Inhal­ten erlaubt. Ein Schweiz­er Käse, in dessen Löch­er aller­hand rein­passt, ohne dass der Geschmack ver­loren geht.

  • Als der Kaiser musste: Eine Unter­stre­ichung und die Schuld am Ersten Weltkrieg | Aktenkunde — Als der Kaiser musste: Eine Unter­stre­ichung und die Schuld am Ersten Weltkrieg — hol­ger berwinkel zeigt (mal wieder) sehr schön, wie wichtig his­torische hil­f­swis­senschaft (und genauigkeit) ist, auch für “großhis­torik­er”
  • schleef-bilder — die erbenge­mein­schaft einar schleefs hat einige sein­er bilder online bere­it­gestellt

Ins Netz gegangen (2.1.)

Ins Netz gegan­gen am 2.1.:

Ins Netz gegangen (27.11.)

Ins Netz gegan­gen am 27.11.:

  • Chro­nist seines Lebens und sein­er Epoche: Zum Tod von Peter Kurzeck — Lit­er­atur Nachricht­en — NZZ.ch — Roman Buche­li weist in seinem Peter-Kurzeck-Nachruf in der NZZ sehr richtig darauf hin, dass die Lebenserin­nerungs­beschrei­bung alleine nicht das Entschei­dende für die Größe des Kurzeckschen Werks ist:

    Nicht Prousts gepflegte «mémoire involon­taire» hat ihn umgetrieben, son­dern die panis­che Angst, das Ver­lorene und Ver­gan­gene im Vergessen noch ein­mal preis­geben zu müssen. Er über­liess sich nicht dem Strom der Erin­nerung, son­dern brachte sie, mit Nabokov, noch ein­mal und – so die uner­füll­bare Hoff­nung – lück­en­los zum Sprechen.
    […] Kurzeck hegte noch ein­mal, als hätte es die Bruch­stellen der Mod­erne und die neuen For­men des Erzäh­lens nie gegeben, den Traum von einem Ganzen, das sich im lit­er­arischen Kunst­werk nach­bilden lässt. Er mochte dabei auch nicht etwa auf das rhetorische Mit­tel ver­trauen, dass im Teil das Ganze enthal­ten sein könne, son­dern nahm sein Ver­fahren auf eine ger­adezu brachiale Weise wörtlich: Die Zeit sollte im erzählten Werk gle­ich­sam massstabgerecht noch ein­mal erste­hen. Er stand darum Balzac näher als Proust, und die deutschen Erzäh­ler des 19. Jahrhun­derts waren ihm min­destens eben­so ver­traut wie seine an raf­finierten Erzähltech­niken geschul­ten Zeitgenossen.

  • Tod im Neben­satz — taz.de — Jan Süsel­becks kluger Nachruf auf Peter Kurzeck in der taz:

    In der Melan­cholie dieser Proust’schen Dauer­med­i­ta­tion, die zu sein­er Marke wurde und ihm einen Platz in der Lit­er­aturgeschichte sicherte, ging es Kurzeck aber gar nicht um konkrete Orte. Er war kein Region­al- oder gar Heimatschrift­steller. Kurzeck träumte sich in einen ganz eige­nen Sound des Denkens und Schreibens hinein, in eine detail­vers­essene, musikalisch vor sich hin kon­tra­punk­tierende Ästhetik der Prov­inz, die tat­säch­lich alles andere als prov­inziell war. Kurzeck war auf der Suche nach utopis­chen Orten, die hät­ten existieren kön­nen

  • Die Wahrheit über die Wahrheit: Architek­turgeschichte (ganz) kurz gefasst — für so etwas muss man das Inter­net doch lieben: Architek­turgeschichte (ganz) kurz gefasst (wirk­lich ganz kurz …)
  • Nachruf Peter Kurzeck: Die ganze Zeit erzählen, immer | ZEIT ONLINE — Ein sehr anrühren­der, inten­siv­er und liebevoller Nachruf von Christoph Schröder:

    Der Tod von Peter Kurzeck ist das Schlimm­ste, was der deutschsprachi­gen Lit­er­atur seit vie­len Jahren passiert ist./

  • Koali­tionsver­trag: Der Kern des Net­zes — Tech­nik & Motor — FAZ — Da hat Michael Spehr wohl recht:

    Net­zneu­tral­ität eignet sich also bestens als Lack­mustest für Netzkompetenz./

    Und lei­der gibt es kaum Poli­tik­er (und Man­ag­er) in entsprechen­den Posi­tio­nen, die den Test beste­hen …

Revolutionär? Die Darmstädter Büchnerausstellung

“Rev­o­lu­tion mit Fed­er und Skalpell” ist die große Ausstel­lung zum 200. Geburt­stag von Georg Büch­n­er unter­titelt. Das ist bemerkenswert (weil momen­tan das Rev­o­lu­tionäre in Leben und Werk Büch­n­ers keine beson­dere Kon­junk­tur hat …) und son­der­bar, weil es die Ausstel­lung nicht wider­spiegelt. Offen­bar war die Lust nach einem grif­fi­gen Slo­gan aber größer als der Wun­sch, dem Besuch­er zu sig­nal­isieren, was ihn erwartet …

Ganz Darm­stadt büch­n­ert dafür, für die Gele­gen­heit “seinen” Dichter zu ehren. Über­all wird für ihn und vor allem die Ausstel­lung gewor­ben. Auch das übri­gens viel bunter, pep­piger und pop­piger als in den Hallen selb­st — da herrscht klas­sis­che Typogra­phie in Schwarz auf Weiß bzw. Weiß auf Schwarz vor. Son­st tun sie das ja eher nicht oder doch zumin­d­est deut­lich zurück­hal­tender. Sei’s drum …

"wir alle haben etwas mut und etwas seelengröße notwendig" - Büchner-Zitat-Installation am Darmstädter Hauptbahnhof

“wir alle haben etwas mut und etwas see­len­größe notwendig” — Büch­n­er-Zitat-Instal­la­tion am Darm­städter Haupt­bahn­hof

Im Darm­stadtium hat die ver­anstal­tende Mathilden­höhe mit der Ausstel­lung Raum gefun­den, Georg Büch­n­er zu erin­nern und zu verge­gen­wär­ti­gen. Wobei Raum schon schwierig ist — das sind offen­bar ein paar Eck­en, die bish­er ungenutzt waren, ver­winkelt und ver­schachtelt — was der Ausstel­lung nur mäßig gut­tut, Über­sicht oder logis­che Abläufe oder auch bloße Entwick­lun­gen gibt es hier wenig.

Was gibt es aber in der Ausstel­lung zu erfahren und zu sehen? Zuerst mal gibt es unheim­lich viel zu sehen — und viele schöne, span­nende Sachen. Zum Beispiel das nachge­baute Wohnz­im­mer der Büch­n­ers — nicht rekon­stru­iert, aber schön gemacht (schon die Wände haben mir gefall­en). Sehr schön auch die Rekon­struk­tion sein­er let­zten Woh­nung in Zürich (Spiegel­gasse 12 — ganz in der Nähe wird später auch Lenin resi­dieren), seines Ster­bez­im­mers (zwar hin­ter Glas, aber den­noch sehr schön). Auch die Büchner’sche Haar­locke darf natür­lich nicht fehlen.

Büchner auf der Treppe zur Ausstellung (keine Angst, der Rest der Ausstellung ist nicht so wild ...)

Büch­n­er auf der Treppe zur Ausstel­lung (keine Angst, der Rest der Ausstel­lung ist nicht so wild …)

Über­haupt, das kann man nicht oft genug beto­nen: Zu sehen gibt es unendlich viel: Unzäh­lige Stiche, Radierun­gen, Bilder — von Darm­stadt und Straßburg vor allem. Gießen zum Beispiel ist extrem unter­repräsen­tiert. Und natür­lich gibt es Texte über Texte: Schriften, die Büch­n­er gele­sen hat, die er benutzt hat, die er ver­ar­beit­et hat — sie tauchen (fast) alle in den enst­prechen­den Druck­en der Büch­n­erzeit hier auf, von Shake­speare bis zu den medi­zinis­chen Trak­tat­en, von Descartes bis Goethe und Tieck.
Auch Büch­n­er selb­st ist mit seinen Schriften vertreten — naturgemäß weniger mit Druck­en — da ist außer “Danton’s Tod” ja wenig zu machen -, son­dern mit Hand­schriften. Die sind in der Ausstel­lung zwar reich­lich in Orig­i­nalen zu bewun­dern, aber Tran­skrip­tio­nen darf man nicht erwarten. Und lesen, das ist bei Büch­n­ers Sauk­laue oft nicht ger­ade ein­fach. Zumal mir da noch ein ander­er Umstand arg aufgestoßen ist: Die Exponate in der (aus kon­ser­va­torischen Grün­den) sehr dämm­ri­gen Ausstel­lung sind in der Regel von schräg oben beleuchtet — und zwar in einem sehr ungün­sti­gen Winkel: Immer wenn ich mir einen Brief an oder von Büch­n­er genauer betra­cht­en wollte, um ihn zu entz­if­fern, stand ich mir mit mein­er Rübe selb­st im Licht.

Son­st bietet die Ausstel­lung so ziem­lich alles, was mod­erne Ausstel­lungs­plan­er und ‑bauer so in ihrem Reper­toire haben: Pro­jek­tio­nen, Mul­ti­me­di­ain­stal­la­tio­nen, Ani­ma­tio­nen, überblendete Bilder, eine Art Nachrich­t­entick­er (der schw­er zu bedi­enen ist, weil er dazu tendiert, in irrem Tem­po durchzurasen), mit Vorhän­gen abge­tren­nte Sep­a­rées (während das beim Sezieren/der Anatomie unmit­tel­bar Sinn macht, hat mir das ero­tis­che Kabi­nett ins­ge­samt nicht so recht ein­geleuchtet …) und sog­ar einen “Lenz-Tun­nel” (von dem man sich nicht zu viel erwarten darf und sollte). Der let­zte Raum, der sich der Rezep­tion der let­zten Jahrzehnte wid­met, hat das übliche Prob­lem: So ganz mag man die Rezep­tion nicht weglassen, eine verün­ftige Idee dafür hat­te man aber auch nicht. Da er auch deut­lich vom Rest der Ausstel­lung getren­nt ist und qua­si schon im Foy­er liegt, ver­liert er zusät­zlich. Viel span­nen­des gibt es da aber eh’ nicht zu sehen, so dass man dur­chaus mit Recht hin­durcheilen darf (wie ich es getan hab — Wern­er Her­zog kenne ich, Alban Berg kenne ich, Tom Waits auch, die Her­bert-Gröne­mey­er-Bear­beitung von “Leonce und Lena” sollte man sowieso mei­den …).

Bei manchen Wer­tun­gen bin ich naturgemäß zumin­d­est unsich­er, ob das der Wahrheit let­zter Schluss ist — etwa bei der Beto­nung der Freude und des Engage­ments, das Büch­n­er für die ver­gle­ichende Anatomie entwick­elt haben soll — was übri­gens in der Ausstel­lung selb­st schon durch entsprechende Zitate kon­terkari­ert wird und in mein­er Erin­nerung in Hauschilds großer Büch­n­er-Biografie nicht von unge­fähr deut­lich anders dargestellt wird. Unter den Experten und Büch­n­er-Biografen schon immer umstrit­ten war die Rolle des Vaters — hier taucht er über­raschend wenig auf. Über­haupt bleibt die Fam­i­lie sehr im Hin­ter­grund: Sie bietet nur am Anfang ein wenig den Rah­men, in dem Georg aufwächst — mehr Wert als auf die Fam­i­lie und per­sön­liche Beziehun­gen über­haupt legt die Ausstel­lung aber auf Erfahrun­gen und Rezep­tio­nen von Kun­st (Lit­er­atur, The­ater, Gemälde und andere mehr oder weniger muse­ale Gegen­ständlichkeit­en) und geo-/to­pographis­chem Umfeld.

Nicht zu vergessen sind bei den Exponat­en aber die kür­zlich ent­deck­te Zeich­nung August Hoff­mann, die wahrschein­lich Büch­n­er zeigt. Auch wenn ich mir dabei wiederum nicht so sich­er bin, dass sie das Büch­n­er-Bild wirk­lich so radikal verän­dert, wie etwa Ded­ner meint (in der Ausstel­lung wird sie nicht weit­er kom­men­tiert). Und die erste “echte” Guil­lo­tine, die ich gese­hen habe, auch wenn es “nur” eine deutsche ist.

Gestört hat mich ins­ge­samt vor allem die Fix­ierung auf den Audio­gu­ide — ich hätte gerne mehr Text an der Wand gehabt (zum Beispiel, wie erwäh­nt, die Tran­skrip­tio­nen der Hand­schriften — die muss man mir nicht vor­lesen, da gibt es wesentlich ele­gan­tere Lösun­gen, die ein­er Ausstel­lung über einen Schrift­steller auch angemessen­er sind). Zumal die Sprech­er manch­mal arg gekün­stelt wirken.

Und wieder ist mir aufge­fall­en: Büch­n­er selb­st ist fast so etwas wie das leere Zen­trum der Ausstel­lung (auch wenn das jet­zt etwas über­spitzt ist). Es gibt hier unheim­lich viel Mate­r­i­al aus seinem näheren und weit­eren Umkreis, zu sein­er Zeit­geschichte und sein­er Geo­gra­phie — aber zu ihm selb­st gar nicht so viel. Das ist natür­lich kein Zufall, son­dern hängt eben mit der Über­liefer­ungs- und Rezep­tion­s­geschichte zusam­men. Aber als Panora­ma des Vor­märz im Großher­zog­tum Hes­sen (und Straßburg) ist die Ausstel­lung dur­chaus tauglich. Jet­zt, wo ich darüber nach­denke, fällt mir allerd­ings auf: Wed­er “Vor­märz” noch “Junges Deutsch­land” sind mir in der Ausstel­lung begeg­net. Von der Ein­bet­tung sollte man sich auch über­haupt wed­er in lit­er­aturgeschichtlich­er noch in all­ge­mein­his­torisch­er Hin­sicht zu viel erwarten: Das ist nur auf Büch­n­er selb­st bezo­gen, nachträgliche Erken­nt­nisse der Forschung oder nicht von Büch­n­er selb­st explizierte Zusam­men­hänge ver­schwinden da etwas.

Und noch etwas: eines der über­raschend­sten Ausstel­lungsstücke ist übri­gens Rudi Dutschkes Han­dex­em­plar der Enzens­berg­er-Aus­gabe des “Hes­sis­chen Land­boten”, mit sehr inten­siv­en Lek­türe­spuren und Anmerkun­gen …

Hoch geht's zu Büchner

Hoch geht’s zu Büch­n­er

Aber dass der Kat­a­log — ein gewaltiger Schinken — die Abbil­dun­gen aus irgend ein­er ver­sponnenen Design-Idee alle auf den Kopf gestellt hat, halte ich gelinde gesagt für eine Frech­heit. Ein Kat­a­log ist meines Eracht­ens nicht der Platz für solche Spiel­ereien (denen ich son­st ja über­haupt nicht abgeneigt bein), weil er dadurch fast unbe­nutzbar wird — so einen Brock­en mag ich eigentlich nicht ständig hin und her drehen, so kann man ihn nicht vernün­ftig lesen.

Aber trotz­dem bietet die Ausstel­lung eine schöne Möglichkeit, in das frühe 19. Jahrhun­dert einzu­tauchen: Sel­ten gibt es so viel Aura auf ein­mal. Die Ausstrahlung der Orig­i­nale aus Büch­n­ers Hand und der (Druck-)Erzeugnisse sein­er Gegen­wart, von denen es hier ja eine fast über­mäßige Zahl gibt, ist immer wieder beein­druck­end — und irgend­wie auch erhebend. Fast so ein­drück­lich übri­gens wie die Lek­türe der Texte Büch­n­ers selb­st — dadrüber kommt die Ausstel­lung auch mit ihrer Masse an Exponat­en nicht.

“wie es wirklich war”

unter dieser über­schrift (eigentlich wäre ja der präsens noch tre­f­fend­er gewe­sen) ste­ht ein ganz net­ter text von hilmar klute in der sz am woch­enende (natür­lich nicht online ;-) …) über und mit ror wolf. und er fängt auch ganz tre­f­fend an:

wenn wir ehrlich sind, brauchen wir heutzu­tage drin­gend geschicht­en, die uns etwas von unser­er vielfach gebroch­enen wirk­lichkeit erzählen.

- lei­der hält er das niveau nicht ganz durch, gegen ende wird es doch etwas viel klatsch und seicht­es düm­peln im biographis­chen … aber trotz­dem: es ist immer gut, etwas über ror wolf zu lesen — er ist doch arg in vergessen­heit ger­at­en inzwis­chen. obwohl er es nun wirk­lich nicht ver­di­ent. und da hil­ft die (neue) werkaus­gabe ver­mut­lich auch nicht so sehr viel (selb­st die rührige, seinem werk gewid­mete wirk­lichkeits­fab­rik kann da ja kaum etwas aus­richt­en), obwohl die bei­den ersten bish­er erschienen bände ja auch aus­ge­sprochen schöne büch­er sind.

http://de.wikipedia.org/wiki/Ror_Wolf

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