Gustav Seibt hat für das heutige Feuilleton der Süddeutschen Zeitung eine wunderbare kleine Abhandlung geschrieben, in der er Guttenbergs unsägliche Versuche, die konservativen Tugendenden des Lügen, des Anpassen von Regeln und Werten (des Staates vor allem) den eigenem Gutdünken unterzuordnen, auf die Wissenschaft auszudehnen, in eine historische Kontinuität stellt und auf eine Nähe dieses “putschistischen Regelverstoßes” zum verfassungs- und gesetzesverachtenden Verhalten Berlusconis hinweist. Und den Schluss muss ich einfach hier noch einmal zitieren, das ist zu gut und zu treffend:
Und es ist schon toll, dass wir nun, zehn Jahre nach Casimir, Kanther und Kohl, schon wieder ein Virtuosenstück dieser gummiartig beweglichen und zugleich wetterfest tannenhaften aristokratischen Prinzipienstärke anstaunen dürfen. Nach der brutalstmöglichen Aufklärung kam die mühevollste Kleinarbeit elektronisch gestützter Textgenese, mit der mindestens zwei Grundregeln wissenschaftlichen Anstandes verletzt wurden: das Urheberrecht und die ehrenwörtliche Versicherung selbständiger Herstellung einer wissenschaftlichen Qualifikationsschrift. Dazu kommt jener dreiste Mut zur Unwahrheit gegenüber der Öffentlichkeit, der die bald eindeutig belegten Verfehlungen zunächst als “abstrus” und dann als unabsichtlich hinstellt. Möglicherweise kommt durch die Verwendung wissenschaftlicher Zuarbeiten aus dem Bundestag noch Amtsmissbrauch hinzu.
Gekrönt wird das Verhaltensmuster des putschistischen Regelverstoßes dadurch, dass der so überführte Edelmann sich nachträglich zum Herren des Promotionsverfahrens macht und seinen Doktortitel von sich aus ablegt. Der Große steht dabei im Sturm des Beifalls einer Menge, die, wie Professor Baring weiß, beim Wort “Fußnoten” fragt: Ach, werden jetzt auch Füße benotet? Dagegen wirken ein Universitätskanzler und ein in Urlaub gegangener Doktorvater mit ihren tüdeligen Prüfungsverfahren nur bürgerlich-grau und glanzlos. Das Stehende der Institution und ihres Ethos verdampft unter der Sonne ständischen Glanzes. Der Beifallumtoste mag kurz wackeln, aber vorerst steht er fest, weil jede und jeder, der ihm den entscheidenden Stoß versetzen würde, der wütenden Menge um ihn zum Opfer fallen müsste. Vielleicht ist diese geschichtliche Anpassungsfähigkeit an Zeitumstände das eigentliche Geheimnis achthundertjähriger Familiengeschichten.
Aber was unterscheidet solche Durchhaltekraft eigentlich noch von der Zähigkeit eines Silvio Berlusconi?
Der ganze Text mit der Überschrift “Der Herr des Verfahrens” steht sogar online.