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Schlagwort: süddeutsche zeitung

Politik, Macht und Überzeugung: Robert Roßmann über Heiko Maas

ein ganz und gar grot­tiger, grausamer, gräßlich­er text von robert roß­mann zur vertei­di­gung und verehrung von heiko maas ste­ht heute in der süd­deutschen zeitung — völ­lig unange­bracht das alles. denn dahin­ter ste­ht eine posi­tion, die auch in der spd weit ver­bre­it­et zu sein scheint: haupt­sache regieren — was dann gemacht wird/werden kann, ist zweitrangig, macht um der macht willen ist die haupt­sache (und dann wun­dern sie sich, dass sie nie­mand mehr wählt). inter­es­sant ist hier übri­gens auch die wort­wahl im detail: leutheuser-schnar­ren­berg­er hat eine “bru­tal­en Block­ade­poli­tik” der vor­rats­daten­spe­icherung betrieben und ist sog­ar zurück­ge­treten — das jemand in der bun­de­spoli­tik auf höch­ster ebene für seine überzeu­gun­gen ein­tritt, scheint für roß­mann eher ein unfall als ein lobenswert­er (charakter-)zu zu sein: die läh­mung der merkel­jahre schlägt voll durch … manch­mal ist das echt zum verzweifeln …

Undurchschaubarer Überblick

Der “inter­ak­tive Überblick” ist die neue Klick­hureBildga­lerie der Süd­deutschen Zeitung im Netz. Zum Beispiel hier — eine Liste von Buchempfehlun­gen, die “Büch­er des Jahres” (die inhaltlich übri­gens span­nend ist und sich­er viel Ent­deck­enswertes bietet). Aber benutzbar ist sie nicht. Es gibt keine (!) Tas­tatur­nav­i­ga­tion, nicht ein­mal scrollen kann mit den Tas­ten. Dafür ganz viel Gefum­mel mit der Maus, die auch noch ständig zwis­chen links und rechts hin- und her­wech­seln muss. Scroll­balken, die man nicht anklick­en kann, son­dern bei denen man den Mark­er immer direkt ver­schieben muss. Als woll­ten sie in München ver­hin­dern, dass der Leser ein­schläft …

So sieht für die SZ ein "interaktiver Überblick" aus

So sieht für die SZ ein “inter­ak­tiv­er Überblick” aus

Programmierer

Der Pro­gram­mier­er wird auch ver­merkt

Den Text kann man nicht markieren, nicht auswählen, also auch nicht kopieren. Deshalb muss man emp­foh­lene Autoren und Buchti­tel mit der Hand abschreiben — am besten mit dem Füllfeder­hal­ter auf handgeschöpftem Papi­er oder wie? Aber sie sind so stolz auf diesen “inter­ak­tiv­en Überblick”, dass sie sog­ar ver­merken, wer für die Pro­gram­mierung zuständig war. Ich halte das ja nicht für bemerkenswert, zumin­d­est nicht im pos­i­tiv­en Sinne. Denn für den Leser ist dieses For­mat ziem­lich ärg­er­lich, nervig und nicht ger­ade lese­fördernd. Man hat den Ein­druck, dass man länger mit dem Navigieren beschäftigt ist als mit dem Lesen. Zumal das Eigentliche, die emp­fohle­nen Büch­er, dann noch nicht ein­mal irgend­wie typographisch aus­geze­ich­net wer­den, damit man ja nicht so schnell sieht, worum es geht.
Irgend­wann fan­gen sie dann auch noch an, in den Empfehlun­gen die Cov­er zu zeigen. Aber nicht immer, son­dern nur manch­mal — David Van Rey­broucks “Kon­go” beispiel­sweise wird mehrmals emp­fohlen, erhält aber nur bei Chris Der­con ein Cover­bild.
Cover oder nicht Cover, das ist hier die Frage ...

Cov­er oder nicht Cov­er, das ist hier die Frage …

Und so geht das immer weit­er. Und nach­dem man sich da fleißig durchgek­lickt hat und viele Anre­gun­gen notiert hat, fragt man sich zum Schluss noch: Was war daran denn jet­zt “inter­ak­tiv”? Dass ich mehr klick­en muss um zu Lesen? Inter­agiert habe ich da doch mit nie­man­dem und nichts. Das Ein­fache kann eben manch­mal ganz schön schwierig sein …

argumentieren oder nicht: soll thielemann in münchen bleiben?

joachim kaiser hat sich in der heuti­gen sz mal wieder zu wort gemeldet. so sehr ich auch seine ver­di­enst schätze — seine schriftlichen ergüsse der let­zten jahre sind meis­tens kaum noch les­bare, ver­schwurbelte selt­samkeit­en, die zwar von einiger bil­dung zeu­gen, in ein­er mod­er­nen zeitung aber eigentlich nichts zu suchen hät­ten (dass die sz sie brav weit­er druckt, ver­ste­he ich — bei allem respekt vor sein­er bedeu­tung für diese zeitung — nicht. und schon gar nicht, dass sie sie so promi­nent platziert.) heute geht es um die ver­tragsver­hand­lun­gen mit dem diri­gen­ten chris­t­ian thiele­mann, dessen orch­ester ihm für eine ver­längerung seines engage­ments als gen­eral­musikdi­rek­tor, also chefdiri­gent, zwei sehr ein­deutige bedin­gun­gen gestellt hat: mehr konz­erte mit den münch­n­er phil­har­monikern, weniger — d.h. keinen — ein­fluss auf die pro­gram­mgestal­tung des gast­diri­gen­ten (das soll die inten­danz regeln). eigentlich scheint das für heutige orch­ester und deren arbeit bei­des nicht völ­lig unsin­nig, wie die redak­teure der sz nach eini­gen anfänglichen irrwe­gen inzwis­chen auch sehen und entsprechend schreiben. für joachim kaiser gilt aber irgend­wie anderes.

denn in seinen heuti­gen aus­führun­gen — trotzig über­titelt “Thiele­mann muss bleiben!” (als hätte kaiser in dieser sache etwas zu sagen …) — und mit dem hochsta­p­lerischen unter­ti­tel “zum stand ein­er trau­ri­gen, blam­ablen diri­gen­ten-debat­te” verse­hen schmeißt er lustig mit pseu­do-argu­menten und ver­leum­dun­gen um sich. schon der unter­ti­tel ist ja beze­ich­nend: die debat­te (die gar nicht so sehr debat­te ist, son­dern in erster lin­ie eine ver­tragsver­hand­lung zwis­chen stadt, d.h. v.a. dem münch­n­er kul­tur­ref­er­enten, und thiele­mann) ist wed­er trau­rig noch blam­a­bel. blam­a­bel ist höch­stens der umgang damit, die ständi­ge evozierung (v.a. durch kaiser selb­st), so ein musik­er wie thiele­mann müsste um jeden preis in münchen gehal­ten wer­den. schlim­mer finde ich aber, was dann in den ersten sätzen zumin­d­est durch­schim­mert: da legt kaiser, immer­hin ein adorno-schüler, doch sehr, sehr nahe, dass dieser orch­ester­vor­stand (das “soge­nan­nte” kon­nte er sich wohl ger­ade noch so verkneifen) gefäl­ligst die klappe hal­ten soll, froh sein soll über den star am pult und gefäl­ligst hinzunehmen habe, wenn dieser sich wie ein autokratis­ch­er orch­ester­herrsch­er des 19. oder frühen 20. jahrhun­derts geriert.

statt sich aber wirk­lich damit auseinan­der zu set­zen, was das denn heißt, wenn ein orch­ester­vor­stand den einge­s­tanden dur­chaus radikalen weg geht, eine weit­erbeschäf­ti­gung thiele­manns von bes­timmten bedin­gun­gen abhängig zu machen, und was es ander­er­seits bedeutet, wenn sich thiele­mann — wie es momen­tan scheint — stand­haft weigert, darauf einzuge­hen, lässt sich kaiser die restlichen zwei drit­tel seines (wie immer über­lan­gen) textes (der übri­gens selb­st nicht weiß, ob er kom­men­tar, nachricht oder kri­tis­che würdi­gung sein soll — ein in sein­er per­fidiz­ität typ­is­ches instru­ment kaisers), lässt sich kaiser also mehr als reich­lich aus über den vor­wurf des eingeschränk­ten reper­toires thiele­manns aus. das geschieht aber wieder in sehr beze­ich­nen­der weise: erstens ist der vor­wurf, den kaiser hier find­et, so gar nicht vorge­wor­fen wor­den. das prob­lem ist nicht so sehr thiele­manns beschränkung in reper­toire-fra­gen (auch wenn ich per­sön­lich das für arg eng halte), son­dern wie er damit umge­ht und sein orch­ester damit umge­hen lässt. dann behauptet kaiser aber, diesem “vor­wurf”  (den er übri­gens, wieder so eine per­fide masche, auf “lieblingsstücke” bezieht …) könne man einiges ent­geg­nen. genau das tut er dann aber nicht, son­dern behauptet es nur. er führt dann erst ein­mal aus, dass andere große inter­pre­ten, v.a. arthur rubin­stein, auch nur wenig gespielt hät­ten. na und? er hätte sich bess­er ein­mal die diri­gen­ten der let­zten 30–50 jahre angeschaut. dort ist solche ein­schränkung näm­lich eher sel­ten gewor­den, scheint mir (und auch bei den instru­men­tal­is­ten inzwis­chen dur­chaus nicht mehr so prä­gend — bren­del ist da in seinen späten jahren schon eher eine aus­nahme). so, das war die erste hälfte des textes. statt aber noch mehr des “einiges” anzuführen, zeigt kaiser lieber, dass er thiele­mann schon öfters gehört hat und dass der ganz toll dirigieren kann — geschenkt, das bestre­it­et ja nie­mand. strit­tig ist ja nur die frage, ob daraus, näm­lich der begabung für die inter­pre­ta­tion einiger ästhetis­ch­er werke, schon die berech­ti­gung abzuleit­en ist, dass man als autoritär­er sach­wal­ter über ein orch­ester, d.h. andere men­schen, ver­fü­gen und bes­tim­men darf. dazu schweigt kaiser aber aus­dauernd.

er kommt statt dessen zu einem ziem­lich weichen faz­it: “Solche Ereignisse [Thiele­manns bessere, d.h. gelun­gene Inter­pre­ta­tio­nen] aber sind es, die eigentlich erst begrün­den, warum es einen hochsub­ven­tion­ierten, in jed­er Weise ‘teueren’ Musik­be­trieb über­haupt geben sollte.” — da hätte er bess­er noch ein­mal drüber nachgedacht: denn erstens bestre­it­et das (in dieser debat­te) ja nie­mand, dass es den musik­be­trieb geben sollte (die offen­bar nicht unbe­trächtlichen hon­o­rar­forderun­gen thiele­manns sind ja gar nicht gegen­stand der kon­tro­verse — obwohl man da, in zeit­en der ver­suche, vergü­tun­gen der freien wirtschaft leg­isla­tiv zu regeln, auch mal drüber nach­denken kön­nte …). zweit­ens wäre ja, wenn kaisers faz­it so ein faz­it wäre, noch über­haupt nichts dazu gesagt, ob man — und auch ob Thiele­mann — solche momente höch­ster erfül­lung (die gewiss einiges an pein aufwiegen) nur erre­icht, wenn man weit­er das ego eines autokratis­chen diri­gen­ten päp­pelt oder ob es nicht auch andere, kom­mu­nika­ti­vere wege dazu gibt. die empirie, z.b. in berlin, zeigt, dass der “neue” weg, die abkehr vom diri­gen­ten­herrsch­er, keineswegs dem ästhetis­chen glück ent­ge­gen ste­hen muss.

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