Lesen. Hören. Und ein bisschen schreiben.

Schlagwort: rezitation

Rezitieren von Gedichten

Im Cult­mag hat Carl Wil­helm Macke 10 sehr sin­ni­ge Regeln bzw. Gebo­te über das rich­ti­ge, ange­mes­se­ne und zuläs­si­ge Rezi­tie­ren von lyri­schen Tex­ten nie­der­ge­schrie­ben. Sie sei­en jedem Ver­an­stal­ter, Rezi­ta­tor und Lyrik­lieb­ha­ber unbe­dingt ans Herz gelegt. Da heißt es unter ande­rem:

1. Wäh­rend der Lesung eines Gedichts ist aus feu­er­po­li­zei­li­chen und ver­si­che­rungs­recht­li­chen Grün­den das Anzün­den von Ker­zen strengs­tens unter­sagt.
[…] 3. Ob ein Gedicht ste­hend, sit­zend, lie­gend, knie­end oder auf dem Kopf ste­hend, in gebück­ter oder gera­der Hal­tung vor­ge­tra­gen wird, muss dem jewei­li­gen Rezi­ta­tor über­las­sen wer­den.
[…] 4. Ein nütz­li­ches Gedicht ist ein schlech­tes Gedicht und soll­te des­halb mög­lichst nicht vor­ge­tra­gen wer­den. Das Rezi­tie­ren von Pro­pa­gan­da­ge­dich­ten ist nach dem Fall der Ber­li­ner Mau­er, den Twin-Tower-Anschlä­gen vom 11. Sep­tem­ber 2001 strengs­tens unter­sagt.

Auch die ande­ren Gebo­te sind so scharf und tref­fend for­mu­liert. Man soll­te sie eigent­lich vor jeder Rezi­ta­ti­on als Pflicht­teil eben­falls vor­tra­gen …

Lutz Görner macht sich und uns mit Robert Gernhardt einen schönen Abend

Hei­ter soll die Kunst sein. Unbe­dingt hei­ter. Wenn einer das begrif­fen hat, dann Robert Gern­hardt – von ihm stammt die For­de­rung schließ­lich auch. Natür­lich in bes­tens gereim­ter Form. Lutz Gör­ner hat das aber auch sehr gut ver­stan­den. Im Frank­fur­ter Hof lie­fer­te er eine Kost­pro­be davon ab: Von Robert Gern­hardts humo­ris­ti­scher Lyrik und sei­ner komi­schen Dar­bie­tungs­kunst. Und das Publi­kum fraß ihm von der ers­ten Minu­te an aus der Hand. Es folg­te ihm durch sein drei­mi­nü­ti­ges Schwei­gen genau­so wie es ihm bei der „Erin­ne­rung an eine Begeg­nung in Duder­stadt“ durch Geki­cher und Räus­pern die Gele­gen­heit gab, sich nahe­zu zehn Minu­ten mit dem Titel des Gedich­tes her­um­zu­schla­gen, bevor er über­haupt zum ers­ten Vers wei­ter­ge­hen konn­te.

>Gör­ner ist dem Lyri­ker der Neu­en Frank­fur­ter Schu­le seit 1991 zuge­tan. Und das macht er sehr deut­lich. Über­haupt hat er auf der Büh­ne kei­nen Platz und kei­ne Zeit für Andeu­tun­gen oder Zwi­schen­tö­ne. Gern­hardts Gedich­te also. Er spricht sie, dekla­miert, erzählt, schreit, grunzt, stöhnt, knurrt, seufzt, zwit­schert, säu­selt, lis­pelt, knirscht, haucht, stot­tert, lallt und schimpft mit und durch Gern­hardts Wor­te: Kurz, er macht alles, um Robert Gern­hardt noch ein­mal zu ver­ge­gen­wär­ti­gen. Und er macht immer auch noch ein biss­chen mehr. Denn Gör­ner ist inzwi­schen weit mehr als ein Rezi­ta­tor – er ist selbst zum Komi­ker gewor­den. Viel­leicht ist es ja in einer Art Osmo­se durch die lan­ge Beschäf­ti­gung mit Gern­hardt gesche­hen. Jeden­falls sind des Dich­ters Wor­te nicht die ein­zi­gen lus­ti­gen und unter­halt­sa­men in die­sem Pro­gramm.

Das zeich­net sich dadaurch aus, das es sogar zwei rote Fäden hat: Einen gespro­che­nen und einen musi­zier­ten. Denn Gör­ner ist nicht allein auf der Büh­ne. Er lässt sich von Ste­phan Sch­lei­ner am Kla­vier mit Gern­hardt-Varia­tio­nen, einem kun­ter­bun­ten Gang durch die Musik­ge­schich­te, unter­stüt­zen. Und er hat noch einen Tisch vol­ler Requi­si­ten und Ver­klei­dung­ne bereit­ste­hen, mit denen er genau­so schnell zum Sol­da­ten wie zum Clown wird.Aber um zum roten Faden zurück zu kom­men: Gör­ner prä­sen­tiert sei­ne Gedicht-Aus­wahl rund um die und zwi­schen den ein­zel­nen Stro­phen der „Ode an die Spaß­ma­cher und die Ernst­ma­cher“ – wie schon damals bei sei­nem ers­ten Gern­hardt-Pro­gramm. Alt­ba­cken ist das aber nie. Und beschei­den auch nicht. Denn schon Gern­hardt selbst wuss­te zu sagen: „Lie­ber Gott, nimm es hin, dass ich was Besond­res bin.“ Und Lutz Gör­ner und sein Publi­kum sind damit sehr ein­ver­stan­den.

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