Eine Ursache für diese Verteilung mit einer starken Pkw-Nutzung auch bei geringen Entfernungen liegt in einer häufig anzutreffenden subjektiven Fehlwahrnehmung bei der Bewertung der Schnelligkeit bzw. der Reisezeit.
LTO: Was hat die Aussage von CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt zur “aggressiven Anti-Abschiebe-Industrie” seitens der Anwälte bei Ihnen ausgelöst?
Sonnenberg: Das ist eine saudumme sowie kackfreche Aussage von einem, der keine Ahnung hat. Das ist ein Dummschwätzer der Mann, das können Sie gerne so zitieren.
The Lifespan of a Lie | Medium → das stanford prison experiment ist wohl kaum noch als ernsthaftes experiment zu halten
The appeal of the Stanford prison experiment seems to go deeper than its scientific validity, perhaps because it tells us a story about ourselves that we desperately want to believe: that we, as individuals, cannot really be held accountable for the sometimes reprehensible things we do. As troubling as it might seem to accept Zimbardo’s fallen vision of human nature, it is also profoundly liberating. It means we’re off the hook. Our actions are determined by circumstance. Our fallibility is situational. Just as the Gospel promised to absolve us of our sins if we would only believe, the SPE offered a form of redemption tailor-made for a scientific era, and we embraced it.
Ich habe mir irgendwann gesagt: Okay, es wird also in Zukunft alles in beiden Formaten geben, auf Papier und digital. Aber mit der Zeit musste ich einsehen, dass die alten Bestände, alles was bis zum Ende des zwanzigsten Jahrhunderts erschienen ist, nur sehr begrenzt in die digitale Welt rübergelangen werden. Das ganze Suhrkamp-Universum allein: alles weg, und das wird sich auch nicht mehr ändern. Dann habe ich mir gesagt: Okay, also wird wenigstens alles, was ab dem einundzwanzigsten Jahrhundert erscheint, in beiden Welten vorhanden sein. Aber jetzt lerne ich, dass auch das nicht stimmt.
Sich selbst in diese Tradition stellend, beschwört Kubitschek seit Jahren eben nicht die Debatte, sondern die finale Krise, um endlich zur erlösenden Tat schreiten zu können
Gerhard Falkner: Romeo oder Julia. München: Berlin 2017. 269 Seiten. ISBN 978–3‑8270–1358‑3.
Ich kann nicht sagen, dass ich von Romeo oder Julia wirklich begeistert gewesen wäre. Das liegt vor allem daran, dass ich nicht so recht kapiert habe, was der Text eigentlich (sein) möchte. Dabei hat er unbestreitbar ausgezeichnete Momente und Seiten, neben einigen Längen. Einige der ausgezeichneten Momente finden auf der Ebene der Sprache statt: Es gibt funkelnde einzelne Sätze in einem Meer von stilistischem und gedanklichem Chaos. So habe ich mir das zunächst notiert — aber das stimmt so nicht ganz: chaotisch (also realistisch) erscheint der Text zunächst nur, er entwickelt dann aber schon seine Form. Die zumindest stellenweise hypertrophe Stilistik in der Übersteigerung auf allen Ebenen ist dann auch tatsächlich lustig.
Unermüdlich arbeiteten hinter den Dingen, an denen ich vorbeikam, die Grundmaschinen der Existenz, die seit Jahrtausenden mit Menschenleben gefüttert werden, und die Stadt stützte ihre taube und ornamentale Masse auf dieses unterirdische Magma von Lebensgier, Kampf, Wille, Lust und Bewegung. 227
Was wird in Romeo oder Julia erzählt? Das ist eben die Frage. Irgendwie geht es um einen Schriftsteller, Kurt Prinzhorn (über dessen literarische Werke nichts zu erfahren ist), der bei einem Hotelaufenthalt in Innsbruck von einer benutzten Badewanne und verschwundenen Schlüsseln etwas erschreckt wird. Ratlos bleibt er zurück und denkt immer wieder über die Rätselhaftigkeit des Geschehens nach, während das Autorenleben mit Stationen in Moskau und Madrid weitergeht. Dort nähert sich dann auch die antiklimaktische Auflösung, die in einem Nachspiel in Berlin noch einmal ausgebreitet wird: Der Erzähler wird von einer sehr viel früheren kurzzeitigen Freundin verfolgt und bedroht, die dann beim Versuch, zu ihm zu gelangen (um ihn zu töten), selbst stirbt … Trotz des Plots, der nach Krimi oder Thriller klingt, bleibt Romeo oder Julia bei einer unbeschwerten Rätselhaftigkeit, ein Spiel mit Spannungselementen, sexistischem und völkerpsychologischem Unsinn und anderen Peinlichkeiten. Immerhin sind der knappe Umfang und die eher kurzen Kapitel (übrigens genau 42 — wobei ich bei Falkner in diesem Fall keine Absicht unterstelle) sehr leserfreundlich. Durch die zumindest eingestreuten stilistischen Höhenflüge war das für mich eine durchaus unterhaltsame Lektüre, bei der ich keine Ahnung habe, was das eigentlich sein soll, was der Text eigentlich will. Weder die Krimi-Elemente noch die Popliteraturkomponente oder die massiven Intertextualitätssignale (die ich nicht alle in vernünftige Beziehung zum Text bringe, aber sicherlich habe ich auch eine Menge schlicht übersehen) formen sich bei meiner Lektüre zu einem Konzept: Ein schlüssiges Sinnkonstrukt kann ich nicht so recht erkennen, nicht lesen und leider auch nicht basteln.
Es war Sonntagvormittag, und es gab kaum Leute auf der Straße. Straßen auf den Leuten gab es erst recht nicht. es gab auch keine Busse, die man sich auf der Zunge hätte zergehen lassen können, oder Friseure, die aufgrund einer ungestümen Blümeranz der Ohnmacht nahe gewesen wären. Auch nicht die Heldenfriedhöfe, die in wilden und ausufernden Vorfrühlingsnächten von den Suchmaschinen auf die Bildschirme gezaubert werden, um mit ihren schneeweißen und christuslosen Kreuzen die Surfer in ihre leere Erde zu locken. Es gab nicht einmal die feuchte, warme Hand der katholischen Kirche oder das tröstliche Röcheln des Drachens, dem sein beliebtester Gegner, der heilige Georg, gerade die eiserne Lanze in den Rachen gestoßen hat. Es gab einfach wirklich nur das, was da war, was wir unmittelbar vor Augen hatten, und die Tatsache, dass ich in Kürze losmusste. 78
Alina Herbing: Niemand ist bei den Kälbern. Zürich, Hamburg: Arche 2017. 256 Seiten. ISBN 9783716027622.
Das ist mal ein ziemlich trostloses Buch über eine junge Bäuerin aus Alternativlosigkeit, die auch in den angeblich so festen Werten und sozialen Netzen des Landlebens (der „Heimat“) keinen Halt findet, keinen Sinn für ihr Leben. Stattdessen herrscht überall Gewalt — gegen Dinge, Tiere und Menschen. Einerseits ist da also die Banalität des Landlebens, der Ödnis, der „Normalität“, dem nicht-besonderen, nicht-individuellen Leben. Andererseits brodelt es darunter so stark, dass auch die Oberfläche in Bewegung gerät und Risse bekommt. Natürlich gibt es die Schönheit des Landes, auch in der beschreibenden Sprache (die freilich nicht so recht zur eigentlichen Erzählhaltung passt und mit ihren angedeuteten pseudo-umgangssprachlichen Wendunge („nich“, “glaub ich”) auch viele schwache Seiten hat und nerven kann). Aber genauso natürlich gibt es auch die Verletzungen, die die Menschen sich gegenseitig und der “natürlichen” Umwelt gleichermaßen zufügen.
Die Absicht von Niemand ist bei den Kälbern ist schnell klar (schon mit dem Umschlag, sonst spätestens auf der ersten Seite, wenn das Rehkitz beim Mähen getötet wird): Heimat, v.a. aber das Landleben entzaubern — denn es ist auch nur eine Reihe von Banalitäten und Einsamkeiten (auch & gerade zu zweit) und suche nach Liebe, Nähe, Emotionen. Die Natur bleibt von all dem unbeteiligt und eigentlich unberührt. Mich nerven aber so Hauptfiguren wie diese Christin, die — obwohl vielleicht nicht direkt defätistisch — alles (!) einfach so hinnehmen, ohne Gefühlsregung, ohne Gestaltungswillen, ja fast ohne Willen überhaupt, denen alles nur passiert, die alles mit sich geschehen lassen. Dass da dann kein erfüllter Lebensentwurf herauskommt, ist abzusehen. Mir war das unter anderem deshalb zu einseitig, zu eindimensional.
Manchmal glaub ich, jedes Flugzeug, das ich sehe, existiert überhaupt nur, um mich daran zu erinnern, dass ich einer der unbedeutendsten Menschen der Welt bin. Wieso sollte ich sonst in diesem Moment auf einem halb abgemähten Feld stehen? Nicht mal in einer Nazi-Hochburg, nicht mal an der Ostsee oder auf der Seenplatte, nicht mal auf dem Todesstreifen, sondern kurz davor, daneben, irgendwo zwischen alldem. Genau da, wo es eigentlich nichts gibt außer Gras und Lehmboden und ein paar Plätze, die gut genug sind, um da Windräder hinzustellen. 11
Laurent Binet: Die siebte Sprachfunktion. Reinbek: Rowohlt 2017. 524 Seiten. ISBN 9783498006761.
Das ist tatsächlich ein ziemlich lustiger Roman über Roland Barthes, die postmoderne Philosophie, Sprachwissenschaft und Psychologie in Frankreich, auch wenn der Text einige Längen hat. Vielleicht ist das aber wirklich nur für Leser lustig, die sich zumindest ein bisschen in der Geschichte der französischen Postmoderne, ihrem Personal und ihren Ideen (und deren Rezeption in den USA und Europa) auskennen. Und es ist auch ein etwas grotesker Humor, der so ziemlich alle Geistesheroen des 20. Jahrhunderts körperlich und seelisch beschädigt zurücklässt.
Ausgangspunkt der mehr als 500 Seiten, die aber schnell gelesen sind, ist der Tod des Strukturalisten und Semiotikers Roland Barthes, der im Februar 1980 bei einen Unfall überfahren wurde. Für die Ermittlungen, die schnell einerseits in das philosophisch geprägte Milieu der Postmoderne führen, andererseits voller Absurditäten und grotesker Geschehnisse sind, verpflichtet der etwas hemdsärmelige Kommissar einen Doktorand, der sich in diesem Gebiet gut auszukennen scheint. Ihre Ermittlungen führt das Duo dann in fünf Stationen von Paris über Bologna nach Ithaca/USA und zurück zu Umberto Eco (der einzige, der einigermaßen unversehrt davonkommt), womit die Reise, die Ermittlung und der Text das Netzwerk europäischen Denkens (mit seinen amerikanischen Satelliten der Ostküste) in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts nachzeichnen. Das ist so etwas wie ein Pop-Philosophie-Thriller, der für mich doch recht zügig seinen Reiz verlor, weil das als Romantext eher banal und konventionell bleibt. Interessant sind höchstens die Metaebenen der Erzählung (die es reichlich gibt) und die Anachronismen (die auch gerne und mit Absicht verwendet werden), zumal die Theorie und ihr Personal immer mehr aus dem Blick geraten
Die im Titel verhießene siebte Sprachfunktion bleibt natürlich Leerstelle und wird nur in Andeutungen — als unwiderstehliche, politisch nutzbare Überzeugungskraft der Rede — konturiert. Dafür gibt es genügend andere Stationen, bei denen Binet sein Wissen der europäischen und amerikanischen Postmoderne großzügig ausbreiten kann.
Während er rückwärtsgeht, überlegt Simon: Angenommen, er wäre wirklich eine Romangestalt (eine Annahme, die weitere Nahrung erhält durch das Setting, die Masken, die mächtigen malerischen Gegenstände: in einem Roman, der sich nicht zu gut dafür wäre, alle Klischees zu bedienen, denkt er), welcher Gefahr wäre er im Ernst ausgesetzt? Ein Roman ist kein Traum: In einem Roman kann man umkommen. Hinwiederum kommt normalerweise die Hauptfigur nicht ums Leben, außer vielleicht gegen Ende der Handlung. / Aber wenn es das Ende der Handlung wäre, wie würde er das erfahren? Wie erfährt man, wann man auf der letzten Seite angekommen ist? / Und wenn er gar nicht die Hauptfigur wäre? Hält sich nicht jeder für den Helden seiner eigenen Existenz? 420
Dieter Grimm: “Ich bin ein Freund der Verfassung”. Wissenschaftsbiographisches Interview von Oliver Lepsius, Christian Waldhoff(span> und Matthias Roßbach mit Dieter Grimm. Tübingen: Mohr Siebeck 2017. 325 Seiten. ISBN 9783161554490.
Ein feines, kleines Büchlein. Mit “Interview” ist es viel zu prosaisch umschrieben, denn einerseits ist das ein vernünftiges Gespräch, andererseits aber auch so etwas wie ein Auskunftsbuch: Dieter Grimm gibt Auskunft über sich, sein Leben und sein Werk. Dabei lernt man auch als Nicht-Jurist eine Menge — zumindest ging es mir so: Viel spannendes zur Entwicklung von recht und Verfassung konnte ich hier lesen — spannend vor allem durch das Interesse Grimms an Nachbardisziplinen des Rechts, insbesondere der Soziologie. Deshalb tauchen dann auch ein paar nette Luhmann-Anekdoten auf. Außerdem gewinnt man als Leser auch ein bisschen Einblick in Verfahren, Organisation und Beratung am Bundesverfassungsgericht, an dem Grimm für 12 Jahre als Richter tätig war. Schön ist schon die nüchterne Schilderung der der nüchternen Wahl zum Richter — ein politischer Auswahlprozess, den Grimm für “erfreulich unprofessionell” (126) hält. Natürlich gewinnt das Buch nicht nur durch Grimms Einblick in grundlegende Wesensmerkmale des Rechts und der Jurisprudenz, sondern auch durch seine durchaus spannende Biographie mit ihren vielen Stationen — von Kassel über Frankfurt und Freiburg nach Paris und Harvard wieder zurück nach Frankfurt und Bielefeld, dann natürlich Karlsruhe und zum Schluss noch Berlin — also quasi die gesamte Geschichte der Bundesrepublik Deutschland — Grimm ist 1937 geboren — in einem Leben kondensiert.
Das Buch hat immerhin auch seine Seltsamkeiten — in einem solchen Text in zwei Stichwörtern in der Fußnote zu erklären, wer Konrad Adenauer war, hat schon seine komische Seite. Bei so manch anderem Namen war ich aber froh über zumindest die grobe Aufklärung, um wen es sich handelt. Die andere Seltsamkeit betrifft den Satz. Dabei hat jemand nämlich geschlampt, es kommen immer wieder Passagen vor, die ein Schriftgrad kleiner gesetzt wurden, ohne dass das inhaltlich motiviert zu sein scheint — offensichtlich ein unschöner Fehler, der bei einem renommierten und traditionsreichen Verlag wie Mohr Siebeck ziemlich peinlich ist.
Adorno verstand ich nicht. Streckenweise unterhielt ich mich einfach damit zu prüfen, ober er seine Schachtelsätze korrekt zu Ende brachte. Er tat es. 41
Constantijn Huygens: Euphrasia. Augentrost. Übersetzt und herausgegeben von Ard Posthuma. Leipzig: Reinecke & Voß 2016. [ohne Seitenzählung]. ISBN 9783942901222.
Zu diesem schönen, wenn auch recht kurzen Vergnügen habe ich vor einiger Zeit schon etwas gesondert geschrieben: klick.
außerdem gelesen:
Dirk von Petersdorff: In der Bar zum Krokodil. Lieder und Songs als Gedichte. Göttingen: Wallstein 2017 (Kleine Schriften zur literarischen Ästhetik und Hermeneutik, 9). 113 Seiten. ISBN 978–3‑8353–3022‑1.
Hans-Rudolf Vaget: “Wehvolles Erbe”. Richard Wagner in Deutschland. Hitler, Knappertsbusch, Mann. Frankfurt am Main: Fischer 2017. 560 Seiten. ISBN 9783103972443.
Mein Dreivierteljahr mit Luther | Mein Jahr mit Luther → achim landwehr ist von der langweiligen ideenlosigkeit des reformationsjubiläums so gelangweilt, dass er sein blog zum “jahr mit luther” vorzeitig schließt — schade …
ch hatte mich zu Beginn dieses Blogs tatsächlich der Illusion hingegeben, das Reformationsjubiläum 2017 sei eine gute Gelegenheit, um sich der deutschen Geschichtskultur des frühen 21. Jahrhunderts zu widmen. Im Prinzip bin ich immer noch dieser Meinung. Nur hatte ich offenbar unterschätzt, wie dröge und phantasielos diese Geschichtskultur ist. Sie hat gewonnen. Ich gebe auf.
Das Problem: Es werden die immer gleichen Inhalte in die immer gleichen Formen gegossen. Die Einfallslosigkeit ist kaum zu überbieten. Sicherlich, dem hätte ich mit ein wenig mehr Einfallsreichtum meinerseits begegnen können. Aber nach meinen bisher geschriebenen Texten sah ich mich schon selbst in eine ähnliche Wiederholungsschleife einbiegen.
“Die SPD hat den Löffel längst abgegeben” | Freitag → recht interessantes interview mit thomas fischer, der in ruhestand geht — weil er meist sehr direkt antwortet und nur dann, wenn er sich selbst kompetent fühlt, ist das gar nicht so uninteressant …
In den Lyrik-Debatten seit Beginn des 21. Jahrhunderts sind nun einige Tabus geschleift und einige liebgewonnene Gewissheiten und Übereinkünfte aufgekündigt worden. Es gibt keine verlässlichen Ordnungssysteme mehr, keine trennscharfen Unterscheidungen zwischen «herkömmlichem» und «experimentellem» Schreiben, zwischen «Traditionalismus» und «Avantgarde» – und schon gar keine Einteilungen nach «Freund» und «Feind» […]
Dieses Ineinander von Traditionszitat und moderner Überschreibung eines althergebrachten Stoffs manifestierte sich in vielen Gedichten, die im Kloster Steinfeld Gegenstand der Werkstattgespräche waren. Bis hin zu Christoph Wenzels konzisen Erkundungen der Sozialgeschichte des Dorfes: Gedichte, in denen sich – wie in jedem guten Gedicht – der Autor zugleich ausdrückt und auch verbirgt.
Wenn Deutschland kolonialisiert worden wäre | FR → aram ziai entwirft eine kontrafaktische szenerie, in der deutschland von chinesischen eroberern kolonalisiert worden wäre — um für eine postkoloniale alternative der zusammenarbeit statt der entwicklungshilfe/-politik zu werben
Diese Augen lügen | Zeit → kai biermann über die (systembedingte) unsicherheit und unsinnigkeit, biometrische daten als zugangsschlüssel zu verwenden
Weltweit werden biometrische Daten eingesetzt, um Dinge zu sichern – obwohl Biometrie dazu nicht geeignet ist.
Der Staatsrechtler, Politologe und Historiker Wolfgang Abendroth (1906 – 1985) gilt als einer der prägendsten politischen Intellektuellen der frühen Bundesrepublik. […] Von Abendroth sind zahlreiche Schriften überliefert, die derzeit vom Offizin Verlag in einer wissenschaftlichen Ausgabe herausgegeben werden. […] In einer Kooperation von Rosa-Luxemburg-Stiftung, Offizin Verlag und Distel Verlag werden auf dieser Website erstmalig auch digitalisierte Tonaufnahmen von Wolfgang Abendroth veröffentlicht. Diese Aufnahmen geben nur Facetten der Themen Abendroths wieder. Erkennbar wird aber der politische Lehrer Wolfgang Abendroth, der es verstand, gesellschaftliche Grundlagen zu vermitteln und tausende Zuhörer in den Bann zu ziehen.
Trojaner marsch?| LTO → ulf buermeyer über die idiotische idee der bundesregierung, die staatliche überwachung in deutschland noch massiver auszuweiten — per trojaner
Wie kein anderes Ermittlungsvorgehen erlaubt es die Online-Durchsuchung, Menschen zum Objekt der Ausspähung zu machen. Gegen keine andere Methode ist man so wehrlos, denn der direkte Zugriff auf das System dient gerade dem Zweck, Verschlüsselungsverfahren zu umgehen, also den informationellen Selbstschutz ins Leere laufen zu lassen. Keine andere Ermittlungsvariante bietet insgesamt ein vergleichbares totalitäres Potential. […] Ein derart laxer Umgang mit den ohnehin weiten Spielräumen, die der Erste Senat für die Quellen-TKÜ gelassen hat, kann nur als bewusste Provokation des BVerfG interpretiert werden. […] Software-Sicherheitslücken sind das Senfgas des Informations-Zeitalters, ihr Einsatz zum Hacken von IT-Systemen muss international geächtet werden.
Ihr Kriterium ist der Erregungspegel, den es zu halten gilt. Ist es Absicht oder ist es Ungeschick, dass diese Art von sogenannter Diskussion eine der besten Wahlkampfhilfen für unsere neue, auf Erregungspegel spezialisierte Rechtspartei ist? Abgesehen davon, dass Migrationsthemen sowieso ihr Spielfeld sind.
Ganz sicher werden Terror und Sicherheit die Wahlkampfthemen des Jahres werden. Wirtschafts- oder sozialpolitische Themen dagegen – wie unterbezahlte Jobs, sieben Millionen Empfänger von Transferleistungen, Armut bei jedem sechsten Kind, die absurd ungerechte Vermögensverteilung, die permanente Euro-Krise oder der unglaubliche Abgasbetrug – sind offenbar nicht erregend genug.
Seit der Wiedervereinigung orientiert sich die Berliner Politik nicht an der Substanz dieser Stadt — an deren Energie und Kreativität -, sondern an den alten und staubigen preußischen Zeiten mit deren Mentor Karl Friedrich Schinkel.
Stop Problematizing Academic Jargon | Slate → rebecca schuman schreibt gegen die verachtung, die akademischem jargon (eigentlich ja: fachsprache) besonders der geisteswissenschaften entgegenschlägt. keine besonders originelle argumentation, aber nett zu lesen und schließlich nie falsch …
Perhaps the answer moving forward, then, is not to join in the mockery of jargon, but to double down on it. Scholars of Yiddish studies are happy to tell you the thousand-year-old language developed as a kind of secret code so that its speakers could talk freely under the noses of their oppressors (and, yes, sometimes mock them). Perhaps academic jargon could serve a similar purpose. Yes, perhaps the last hope to problematize fascistoid nonprogressive edges, so to speak, is to reterritorialize the oppositional vernaculars. But perhaps that was the point all along, and jargon has been lying patiently and usefully in wait for all this time, a secret code in search of a foolish tyrant.
Kommentar: Adblocker| Kuketz IT-Security Blog → mike kuketz nennt adblocker nicht ohne grund “digitale selbstverteidigung” — die sind nämlich der beste weg, die verbreitung von malware einzudämmen.
Frankreich: Wenn der Notstand zur Normalität wird | Netzpolitik → seit über einem jahr herrscht nun schon in frankreich der ausnahmezustand, der wichtige rechtsstaatliche garantien außer kraft setzt — und ein ende ist nicht abzusehen. und von außen ist das schon lange nicht mehr grenzwertig, sondern eben eines demokratischen rechtsstaates ausgesprochen unwürdig …
Der Begriff neue Musik sagt nichts. Denn gleich, wie man zu den Produktionen stilistisch, ideologisch oder geschmacklich steht, ein gerade komponiertes, aufgeführtes improvisiertes, installierstes „Werk“ ist immer neu, per definitionem. Der Begriff neue Musik ist irreführend, denn er unterstellt, dass etwas, was kürzlich aus der Taufe gehoben wurde, auch etwas Neues bringe. Das ist meistens nicht der Fall. Und dass dieses Neue auch die Wichtigkeit begründe. Das ist ebenfalls meistens nicht der Fall. Die Neuheit kommt sozusagen frei Haus, garantiert, ohne Anstrengung und – schlimmer noch – ohne Hinterfragung. Der Begriff neue Musik ist ein Armutszeugnis. […]
Die (im weitesten Sinne) komponierte Musik von heute, die in der GEMA als E‑Musik gehandelt wird, ist somit Kunstmusik, die aus der Gegenwart kommt. Sie müsste somit Gegenwartskunstmusik heißen. Oder abgekürzt: Gegenwartsmusik. Das ist der Begriff, der mir noch am geeignetsten erscheint.
Die Digitalcharta – und was wir stattdessen brauchen | irights.info → der anwalt marc pütz-poulalion mit meines erachtens guten argumenten gegen die digitalcharta und vorschläge, was stattdessen nötig wäre (im grunde: durchsetzung und weiterentwicklung des einfachen rechtes anstatt nebulöser grundrechte …)
Frage zum Schluss: Ob es auch Dinge auf dem Schlagzeug gebe, die er explizit anders habe machen wollen als all die anderen Schlagzeuger, die er als Kind in Stavanger gehört habe? Nein, das könne man so nicht sagen. Er habe eher alles in sich aufgesaugt und seine eigene Sache daraus gemacht. Musik geht eben durch den ganzen Körper. Besonders die des Schlagzeugs.
Bingen dringt auf Beseitigung der politischen Parole auf Rüdesheimer Seite → eigentlich eine lokalposse, aber eine sehr bezeichnende und typische: als gegenaktion zum afd-parteitag in bingen hat jemand auf der gegenüberliegenden rheinseite in rüdesheim weinbergmauern mit der schönen parole “nationalismus ist keine lösung” beschriftet. die bingener hätten das jetzt gerne weg — weil es angeblich dem tourismus (!) schadet …
Jan Robert von Renesse: Richter Mundtot | Zeit → die “zeit” berichtet von sehr unschönen vorgängen — man muss das eigentlich mauscheleien nennen — in der justiz, wenn es um wiedergutmachung von nationalsozialistischem unrecht — hier: renten für ghetto-arbeit — geht
Landwirtschaft: Sie duzen sich, sie streiten sich | Zeit → die “zeit” hat den grünen landwirtschaftsminister von schleswig-holsteing, robert habeck, mit dem dortigen bauernverbands-präsidenten klaus-peter lucht treffen und reden lassen. eine interessante sache, ein sachlicher, harter streit
Diese Zeilen zeigen auf, dass Ludwig II. geistig in der Lage war, die ihm drohende Gefahr zu sehen. Das bestätigt auch Gerhard Immler, Leitender Archivdirektor am Bayerischen Hauptstaatsarchiv, einer der besten Kenner des Ludwig II.-Nachlasses.
Allerdings habe der König seltsam reagiert, sagt Immler. Es gelang ihm nicht, die für ihn richtigen Schritte einzuleiten. Er hat die Lage, in der er sich befand, missgedeutet. “Er bewertete die Vorgänge nicht vor dem Hintergrund der Verfassung, sondern wohl als Akt eines Königsdramas à la Shakespeare”, sagt Immler.
und den wortlaut des briefes gibt es dort auch zu lesen.
Porträt ǀ Musiker mit Botschaft — der Freitag → ein interessantes porträt über markus rindt, den intendanten der dresdner sinfoniker, der mit seinem durchaus politischen (und zeitgenössischem) programm manchmal gehörig aneckt
Aber man muss im Auge haben, dass Ängste politisch mobilisierbar sind. Das ist die eigentliche Katastrophe. Eine Politik der Angst führt immer zur Polarisierung der Gesellschaft und damit zu dem, was die Terroristen beabsichtigen.
Das Konzert, und da kommen wir wieder zurück auf die Religiosität, auf die Spiritualität, hat die Aufgabe, transformierend zu wirken. Das heißt: Das Publikum betritt den Saal. Und wenn das Publikum den Saal verlässt, ist es verändert.
Was prägt also diese Zeit und ihre Literatur: Die Angst vor Epigonalität, die Angst vor Meinungen, die Angst vor Entscheidungen, die Angst vor dem unergründbaren Fremden, vor Träumen, Leidenschaft und Naivität, denn all dies bedeutet Ausschluss, gefährliche Eindimensionalität. Leidenschaft für das eine schlösse Leidenschaft für all das andere aus, das Fremde ist nie in seiner Gänze zu begreifen, die ganze Wahrheit bleibt immer unausgesprochen und das Bewusstsein darüber ist unser Drama. Am Ende kann ich mich nie für eines entscheiden. Am Ende bleibt nur die Resignation und das Verlangen, über meine Not zu schreiben, zu reflektieren und diese Reflexion wiederum zu reflektieren und immer so weiter. Die Konzentration auf ein anderes Thema als das Ich, das Zentrum unendlicher Möglichkeiten, scheint unmöglich. Egozentrismus ist keine Entscheidung.
Es wäre natürlich besser gewesen, wenn das Orchester erhalten geblieben wäre, aber diese Entscheidung nehme ich nicht persönlich. Es geht nicht um mich. Aber ich habe viel gelernt darüber, in welcher Zeit wir leben. Dass sich die Tendenzen in Deutschland gerade gegen die Kunst richten. Diese Fusion war ein erstes Kapitel – und ich hoffe, es war auch das letzte. Diese Entscheidung hat sehr viel zu tun mit Populismus. Ich bin sehr enttäuscht darüber, dass sich Vertreter der Rundfunkorchester Deutschlands nicht an einem runden Tisch getroffen haben. Nach unserer Geschichte, die wir erleben mussten, wäre dies wirklich absolut notwendig. Rundfunkorchester sind unglaubliche Maschinen für die Musik, für die Zukunft. Aber man muss dies herausstreichen in der öffentlichen Diskussion. Man muss sehr laut und kreativ sein.
Was lesen Buchblogger: Eine neue Analyse mit Visualisierungen und Statistiken | lesestunden.de → tobi hat versucht zu analysieren (und visualisieren), was buchbloggerinnen (er hat ein fast ausschließlich weibliches sample) eigentlich lesen. die datengrundlage ist aber zumindest in teilen schwierig, die genre-einteilung zum beispiel nahe an der grenze zum absurden (wie er selbst auch anmerkt)
Unsere Ziele sind einfach und klar. Zuerst werden wir messen, dann analysieren, dann optimieren. Und man wird uns dankbar sein.
Aber die reale Welt ist eigensinnig. Sie ist so komplex, dass sie Abstraktion und Modellierung widersteht. Sie erkennt unsere Versuche sie zu beeinflussen und reagiert darauf. Genauso wenig, wie wir aus unserer eigenen Haut können, können wir hoffen, die Welt von außen objektiv zu erfassen.
Die vernetzte Welt, die wir erschaffen, mag Computersystemen ähneln, aber es bleibt dennoch die gleiche alte Welt wie vorher, nur mit ein paar Mikrofonen und Tastaturen und Flatscreens, die hier und dort herausragen. Und sie hat immer noch die gleichen alten Probleme.
Einfach nur „ich“ sagen, einfach nur privatistisch Intimitäten ausplaudern, kann nicht zielführend sein. Die subjektive Form, das Reflektieren auf eigene Erfahrungen oder Wahrnehmungen braucht, meiner Ansicht nach, immer einen Grund, warum sie in einem bestimmten argumentativen, diskursiven Kontext eingesetzt wird.
Als Publizistin fühle ich mich verpflichtet, mit sprachlichen Mitteln jene ideologisch aufgeladenen Bilder und Begriffe, jene Assoziationsketten und Vorstellungen aufzubrechen, die Ressentiments gegenüber Frauen oder Homosexuellen, Gehörlosen oder Jüdinnen, Linkshändern oder Schalke-Fans transportieren. Und dazu gehört dann, dass wir normative Begriffe in Erfahrungen übersetzen, dass wir das, was uns wütend oder verzweifelt zurück lässt, verstehbar machen für diejenigen, die diese Erfahrungen nicht teilen.
Fetisch Effizienz | Marcel Hänggi → markus hänggi hat für “zeit wissen” die geschichte und theorie der energieeffizienz schön aufgeschrieben.
Die unter dem Gesichtspunkt der Energieeffizienz bemerkenswerteste Erfindung der Moderne war das Fahrrad
Es gibt keinen Grund, Energieträger, deren Nutzung die menschliche Zivilisation bedrohen, überhaupt auf den Markt zu lassen.
Interview: „Ich bin kein Fotoroboter“ | der Freitag → interessantes interview mit dem fotografen christoph bangert (der mit “war porn” ein hervorragendes fotobuch über den krieg veröffentlichte) über krieg, gewalt, absurdität, verstehen und verarbeiten
Bei „bereiften Mördern“ – so werden hier in der Region scherzhaft Autofahrer mit einem BM-Kennzeichen aus Bergheim genannt – packt die Politik die Samthandschuhe aus. Autofahrer sind halt Wähler und nicht mal wenige. Da werden selbst die in der sonst für ihre Politik so heiß geliebten Schweiz geltenden Regeln nicht eingeführt.
Leben = Schreiben: Mir fiele niemand ein, für den diese Gleichung so wenig antastbar, so produktiv, schlicht unumstößlich wahr wäre wie für Friederike Mayröcker. Eine Gleichung von mathematischer Eleganz.
Mit der sogenannten PC kam der Ärger auf einer ungewohnten Ebene zurück, als Debatte um Sprache. Letztlich war der dann folgende Aufschrei in der konservativen bis reaktionären Mitte vor allem ein Symptom der Enttäuschung. Man hatte gehofft, ganz demarkiert Politik und Geschäfte machen zu können, und wollte mit inhaltlichen Auseinandersetzungen, die dann auch noch auf politischen oder ethischen Grundüberzeugungen – Bezeichnungen wie Rassismus waren ja wichtig, wir wollten Rassismus Rassismus nennen, die anderen Fremdenfeindlichkeit – nichts mehr zu tun haben.
Das ist eine schlimme Entwicklung, die die strategisch berechtigte Idee, Orte zu schaffen, in denen man zum Beispiel vor trans- und homophober Verfolgung sicher ist, in eine völlig bescheuerte Richtung verschoben haben. Safe Spaces sind jetzt Seminare, die als so eine Art erweitertes Kinderzimmer mit Kuschelkultur nur über Dinge sprechen, die die behüteten Mittelschichtskinder nicht erschrecken. »Trigger Warnings« sollen helfen, dass man das Böse gar nicht erst zur Kenntnis nimmt. Von Vergewaltigung und Rassismus darf man dann gar nicht mehr sprechen.
I think there are two important possibilities and then we have to see if they become reality or not. One has to do with the archive. The great advantage of quantification is that all of a sudden millions of texts that had, for all practical purposes, disappeared, become available for research. But you have to have a good question to ask these archives. A text always speaks to us; an archive doesn’t. Everything is there, but do we have good research questions? […]
The second reason for possible optimism in digital humanities has to do with the algorithms that process the archives. The algorithms can organize data in ways that are often very surprising. […] There is something that we otherwise would have called intuition, which is not explicitly formulated in words, but it’s explicitly formulated through the operations of the algorithms. This I find the most promising aspect of digital humanities: the way of bringing new concepts into existence, even though very often in a messy or camouflaged way.
Das Reenactment, jener reißerisch inszenierte Kurzschluss zwischen den Ereignissen von gestern und den Gefühlen von heute. […]
Was hier verstimmt und gleichzeitig die Wahrnehmung einschnürt, ist eine mehr oder weniger durchscheinende Absicht: Geschichte wird verfügbar gemacht in einem ästhetisierenden Akt, in der Distanzen von jetzt zu damals eingeschmolzen werden und letztlich alle Katzen grau erscheinen. In Filmen wie Ben Hur mochte das immerhin ein illusionistisches langes Epos ergeben, das auch der späteren Erinnerung dienlich sein konnte : in den heute so zahlreich gesendeten Historien-Dokus hingegen wird eine Verquirlung und Vermatschung von Gegenwart und Vergangenheit vollzogen, aus der keine wirkliche Erinnerung erwachsen kann. Vielmehr nähert sich diese Form der clipartigen Zurichtung von Geschichte und Geschichten dem Pornofilm an.
Pforzheim: Schuld oder selbst schuld? | Zeit → valerie schönian in der “zeit” über die evangelische dekanin von pforzheim, die sich als christin erlaubt, politisch zu sein — und auch an die “schattenseiten” der stadtgeschichte zu erinnern
Wer höher als im achten Stock wohnt, der lebt nicht mehr in einer Stadt, sondern in einem Wolken-Kuckucks-Heim. In meiner Idealstadt muss die Kommunikation unter den Menschen sehr intensiv sein, ebenso die Kooperation – und alles muss nah sein, spannend und vielfältig
This is why none of us can stand by when a state enters the business of legislating identity and insists that a person pretend to be something they are not, or invents a problem that doesn’t exist as a pretext for discrimination and harassment.