Das NewJazz-Meeting des SWR bringt oft spannende Musik hervor. 2011 war so ein guter Jahrgang: Da durfte die sowieso interessante und spannende Saxophonisten Ingrid Laubrock ein Oktett zusammenstellen und mit dem eigene Kompositionen proben und aufführen. Bei Intakt — nicht ohne Grund eines meiner Lieblingslabel … — ist nun der Mitschnitt der Zürcher Aufführung, das “Zürich Concert”, erschienen.
Das ist sozusagen Jazz jenseits des Jazz. Eigentlich ist das nämlich eher Kammermusik mit Musikern, die sich (auch) ausgezeichnet aufs Improvisieren verstehen. Will sagen: Zum größeren Teil ist das komponierte Musik. Und das hört man auch durchaus. Laubrock hat einige faszinierende Stücke entworfen. Ausgefeilte Klänge und vor allem Zusammen-Klänge des ungewöhnlichen Instrumentariums verbinden sich mit langen, im Klang verwobenen Linien. Manchmal — gerade in dem über zehnminütigen “Novemberdoodle” etwas — wirkt das wie ein erstarrtes, versteiftes Bild der Bewegung. Ein Klangbild mit ganz feinen Ziselierungen, mit sehr vorsichtig und ausgesprochen sorgsam austarierten Klangschattierungen. Manchmal wirkt das fast überkultiviert und überdeterminiert, fast zu vorsichtig. Aber dann kommen wieder Abschnitte wie das frei improvisierte “Blue Line & Sinker”, die diesen Eindruck schnell zurechtrücken.
Überhaupt macht die Vielfalt der beteiligten Musiker das ganze sehr spannend und eindrücklich: Neben Laubrock und ihren Triopartnern Liam Noble am Klavier und Tom Rainey am Schlagzeug, der hier allerdings auch als ausgezeichneter Xylophonist auftritt, sind der Trompeter Tom Arthurs, der Cellist Ben Davis, Bassist Drew Gress und die großartig-verschrobene Gitarristin Mary Halvorson sowie der Akkordeonist Ted Reichman beim “Ingrid Laubrock Octet” dabei. Die bestimmt mit ihrem wunderbaren Solo das ganz viertelstündige “Chant” — der Auftakt sozusagen zum lebendigeren Teil der Aufnahme. Denn nach dem sehr herbstlich-novembrigen Beginn nimmt die Musik deutlich an Fahrt auf. Ohne dabei allerdings ihr Geheimnis zu verlieren. Nicht nur Halvorsons Solo bleibt leicht entrückt und verzückt, auch weite Teile der restlichen Komposition und Improvisation frönen der labyrinthischen Klangwelt: Das ist oft nur schwer zu durchschauen, kaum vorherzusehen — und gerade deshalb ja so interessant und faszinierend. Auch wenn manches fast hermetisch wirkt: Diese in sich ruhende Abendmusik hat eine große Anziehungskraft.
Und hier gibt’s noch ein kleines Feature aus den Proben:
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Ingrid Laubrock Octet: Zürich Concert. SWR NewJazz Meeting. Intakt CD 221. 2014.