Gor­don Sted­man Jones: Das kom­mu­nis­tis­che Man­i­fest von Karl Marx und Friedrich Engels. Ein­führung, Text, Kom­men­tar. München: Beck 2012. 319 Seit­en.

Das Buch von Sted­man Jones ist eine große ideengeschichtliche Kom­men­tierung und Einord­nung, aber auch schon eine Ein­führung in Marx und Engels Denken über­haupt (v.a. Marx). Mit sein­er bre­it­en Anlage trifft es aber mehr den Hin­ter­grund als das Objekt bzw. dessen Fol­gen (also den Text und seine poli­tis­che “Umset­zung”), mehr die gesamte Geistes- und Ideengeschichte, in der die bei­den Autoren lasen, dacht­en und schrieben, als das Kom­mu­nis­tis­che Man­i­fest an sich. Auch wenn Marx & Engels die direk­ten Ver­weise aus dem Man­i­fest alle tilgten: Gor­don Sted­man Jones find­et trotz­dem eine Menge … Und genau das ist das eigentlich Inter­es­sante und Faszinierende an dieser Ein­führung, die immer wieder betont, dass der Kom­mu­nis­mus des Man­i­fests nicht in erster Lin­ie eine im engeren (heuti­gen) Sinne poli­tis­che Idee ist, son­dern eine große Erzäh­lung, die das Nar­ra­tiv des Chris­ten­tums ablösen sollte und entsprechend in Oppo­si­tion zu diesem kon­turi­ert wurde.

Selt­sam aber, dass der Text, um den es eigentlich geht — näm­lich das Man­i­fest — erst ganz zum Schluss abge­druckt wird, qua­si als Anhängsel: Ich weiß nicht, wie ich das ver­ste­hen soll — nimmt Sted­man Jones seinen über­aus pro­fun­den und gelehrten Kom­men­tar wichtiger als den aus­lösenden Text? Ist das der Ver­such, sich von einem ver­meintlich “anstößi­gen” Text zu dis­tanzieren? (Das fängt ja schon beim Titel und auf dem Umschlag an: Sted­man Jones ist wichtiger als es Karl Marx und Friedrich Engels sind (Das gilt allerd­ings nur für die deutsche Aus­gabe, die orig­i­nale englis­che Ver­sion fir­miert als: Karl Marx and Friedrich Engels, The Com­mu­nist Man­i­festo. With an Intro­duc­tion and Notes by Gareth Sted­man Jones). — Ja, sein Text ist länger … Aber ohne das Man­i­fest wäre sein Text eben gar nichts, nicht ein­mal exis­tent. Und sin­nvoll sowieso nicht. Aber vielle­icht lese ich da zu viel in solche Kleinigkeit­en …). Doch genug davon — ist es wenig­stens lesenswert? Auf jeden Fall. Auch wenn ich gle­ich wieder Bedenken anmelden muss: Der Auf­bau des Kom­men­tars ist mir allerd­ings wed­er im Großen noch im Kleinen immer wirk­lich klar oder schlüs­sig gewor­den. Zum Beispiel fängt Sted­man Jones nach dem kur­sorisch-über­greifend­en Vor­wort damit an, die Rezep­tion des Man­i­fests darzule­gen — noch bevor über­haupt klar ist, was drin ste­ht, sozusagen (Eigentlich scheint er aber, damit hängt vielle­icht auch die Ver­ban­nung des Man­i­festes an den Schluss zusam­men, einen Leser vorauszuset­zen, der den Text des Man­i­fests schon ziem­lich gut parat hat). Abge­se­hen davon ist das aber eine vorzügliche, knappe Darstel­lung der his­torischen Sit­u­a­tion in Europa, der Ideen und Reak­tion vor dem Kom­mu­nis­mus und in seinem Umfeld bzw. sein­er Ablehnung.

Ger­hard Polt: Kinder­dres­sur. Geschicht­en. Zürich, Berlin: Kein & Aber 2013. 160 Seit­en.

Alles, was Polt sich zum The­ma Kinder ein­fall­en hat lassen, ver­sam­melt dieses schöne Taschen­buch. Teil­weise sind das schon Klas­sik­er, teil­weise auch (mir) neue Kleinigkeit­en und Fund­stücke. Jeden­falls sind das 160 Seit­en Polt’sche Perlen in der unübertr­e­f­flichen Poltschen Lakonie und Gemein­heit: Ein net­ter Leses­paß, vor allem, wenn man sich das noch mit Polt selb­st vorstellt beim Lesen — was angesichts der Tat­sache, das viele der hier ver­sam­melten (alten und neuen) “Geschicht­en” Dialoge oder kleine Szenen sind, umso leichter fällt und sin­n­fäl­liger ist …

und dies dann zu ein­er unkalkulier­baren Aug­men­ta­tion von Kindern führt

Tru­man Capote: Yacht­en und der­gle­ichen. Erzäh­lun­gen. Zürich: Kein & Aber 2013. 176 Seit­en.

Einige ver­streute Erzäh­lun­gen Capotes, deren titel­gebende Yacht­en und der­gle­ichen — auch die beste in diesem Band, meines Eracht­ens — wurde hier erst­mals veröf­fentlicht. Aber ins­ge­samt bin ich mir immer noch (oder wieder) nicht sich­er, was ich von Capotes Erzäh­lkun­st hal­ten soll: Das ist alles tech­nisch sehr sauber — aber auch so sauber, dass es mir manch­mal ster­il scheint. Das hängt natür­lich mit der absoluten Beschränkung auf das Außen auch der Men­schen zusam­men und hat dur­chaus seine Fasz­i­na­tion. Aber irgend­wie hin­ter­lässt es mich doch immer wieder etwas unbe­friedigt — da fehlt ein­fach etwas, weil der (pho­tographis­che) Real­is­mus der Sprache, des Stils und der Form auf der Ebene der Fig­uren (psy­chol­o­gisch) eben so ger­ade nicht ein­gelöst wer­den kann (und auch nicht soll oder will).

Tru­man Capote: Früh­stück bei Tiffany. Zürich: Kein & Aber 2008. 175 Seit­en.

Und gle­ich noch ein Bänchen von Capote dazu. Wohl eher das Bänd­chen von Capote, sein wohl berühmtester Text — vor allem wegen der Ver­fil­mung. Den Film kenne ich zwar (auch wenn die let­zte Begeg­nung schon lange her ist), das Buch habe ich aber noch nie gele­sen — also ein kleines biss­chen Lück­en­füllerei. Aus der Erin­nerung (des Films) her­aus erschien mir das Buch aber bess­er und span­nen­der als der Kinofilm. Vor allem, weil der Text stilis­tisch und for­mal noch nicht so gemeißelt wirkt wie spätere Capote-Texte, son­dern lebendi­ger, die Sprache atmet hier noch mehr. Das ist ein­fach sehr schön — immer wieder. Auch wenn inzwis­chen (mir) immer klar­er wird, wie alt das ist, d.h., wie weit ent­fer­nt die hier beschriebene und stat­tfind­ende Welt (der amerikanis­chen 1950er Jahre) doch von mir und von heute ist.