Das Buch von Stedman Jones ist eine große ideengeschichtliche Kommentierung und Einordnung, aber auch schon eine Einführung in Marx und Engels Denken überhaupt (v.a. Marx). Mit seiner breiten Anlage trifft es aber mehr den Hintergrund als das Objekt bzw. dessen Folgen (also den Text und seine politische “Umsetzung”), mehr die gesamte Geistes- und Ideengeschichte, in der die beiden Autoren lasen, dachten und schrieben, als das Kommunistische Manifest an sich. Auch wenn Marx & Engels die direkten Verweise aus dem Manifest alle tilgten: Gordon Stedman Jones findet trotzdem eine Menge … Und genau das ist das eigentlich Interessante und Faszinierende an dieser Einführung, die immer wieder betont, dass der Kommunismus des Manifests nicht in erster Linie eine im engeren (heutigen) Sinne politische Idee ist, sondern eine große Erzählung, die das Narrativ des Christentums ablösen sollte und entsprechend in Opposition zu diesem konturiert wurde.
Seltsam aber, dass der Text, um den es eigentlich geht — nämlich das Manifest — erst ganz zum Schluss abgedruckt wird, quasi als Anhängsel: Ich weiß nicht, wie ich das verstehen soll — nimmt Stedman Jones seinen überaus profunden und gelehrten Kommentar wichtiger als den auslösenden Text? Ist das der Versuch, sich von einem vermeintlich “anstößigen” Text zu distanzieren? (Das fängt ja schon beim Titel und auf dem Umschlag an: Stedman Jones ist wichtiger als es Karl Marx und Friedrich Engels sind (Das gilt allerdings nur für die deutsche Ausgabe, die originale englische Version firmiert als: Karl Marx and Friedrich Engels, The Communist Manifesto. With an Introduction and Notes by Gareth Stedman Jones). — Ja, sein Text ist länger … Aber ohne das Manifest wäre sein Text eben gar nichts, nicht einmal existent. Und sinnvoll sowieso nicht. Aber vielleicht lese ich da zu viel in solche Kleinigkeiten …). Doch genug davon — ist es wenigstens lesenswert? Auf jeden Fall. Auch wenn ich gleich wieder Bedenken anmelden muss: Der Aufbau des Kommentars ist mir allerdings weder im Großen noch im Kleinen immer wirklich klar oder schlüssig geworden. Zum Beispiel fängt Stedman Jones nach dem kursorisch-übergreifenden Vorwort damit an, die Rezeption des Manifests darzulegen — noch bevor überhaupt klar ist, was drin steht, sozusagen (Eigentlich scheint er aber, damit hängt vielleicht auch die Verbannung des Manifestes an den Schluss zusammen, einen Leser vorauszusetzen, der den Text des Manifests schon ziemlich gut parat hat). Abgesehen davon ist das aber eine vorzügliche, knappe Darstellung der historischen Situation in Europa, der Ideen und Reaktion vor dem Kommunismus und in seinem Umfeld bzw. seiner Ablehnung.
Alles, was Polt sich zum Thema Kinder einfallen hat lassen, versammelt dieses schöne Taschenbuch. Teilweise sind das schon Klassiker, teilweise auch (mir) neue Kleinigkeiten und Fundstücke. Jedenfalls sind das 160 Seiten Polt’sche Perlen in der unübertrefflichen Poltschen Lakonie und Gemeinheit: Ein netter Lesespaß, vor allem, wenn man sich das noch mit Polt selbst vorstellt beim Lesen — was angesichts der Tatsache, das viele der hier versammelten (alten und neuen) “Geschichten” Dialoge oder kleine Szenen sind, umso leichter fällt und sinnfälliger ist …
und dies dann zu einer unkalkulierbaren Augmentation von Kindern führt
Einige verstreute Erzählungen Capotes, deren titelgebende Yachten und dergleichen — auch die beste in diesem Band, meines Erachtens — wurde hier erstmals veröffentlicht. Aber insgesamt bin ich mir immer noch (oder wieder) nicht sicher, was ich von Capotes Erzählkunst halten soll: Das ist alles technisch sehr sauber — aber auch so sauber, dass es mir manchmal steril scheint. Das hängt natürlich mit der absoluten Beschränkung auf das Außen auch der Menschen zusammen und hat durchaus seine Faszination. Aber irgendwie hinterlässt es mich doch immer wieder etwas unbefriedigt — da fehlt einfach etwas, weil der (photographische) Realismus der Sprache, des Stils und der Form auf der Ebene der Figuren (psychologisch) eben so gerade nicht eingelöst werden kann (und auch nicht soll oder will).
Und gleich noch ein Bänchen von Capote dazu. Wohl eher das Bändchen von Capote, sein wohl berühmtester Text — vor allem wegen der Verfilmung. Den Film kenne ich zwar (auch wenn die letzte Begegnung schon lange her ist), das Buch habe ich aber noch nie gelesen — also ein kleines bisschen Lückenfüllerei. Aus der Erinnerung (des Films) heraus erschien mir das Buch aber besser und spannender als der Kinofilm. Vor allem, weil der Text stilistisch und formal noch nicht so gemeißelt wirkt wie spätere Capote-Texte, sondern lebendiger, die Sprache atmet hier noch mehr. Das ist einfach sehr schön — immer wieder. Auch wenn inzwischen (mir) immer klarer wird, wie alt das ist, d.h., wie weit entfernt die hier beschriebene und stattfindende Welt (der amerikanischen 1950er Jahre) doch von mir und von heute ist.
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