Jetzt auch noch die “Zeit” (nach der FAZ). Wieder werden falsche Gegensätze aufgebaut, falsche Positionen behauptet — kurz: PR wird unhinterfragt übernommen. Ist das wirklich nötig?
Christoph Schröder schreibt unter dem unsinnigen Titel “Die Debatte, die keiner versteht” (natürlich wird die verstanden!) zum Beispiel:
Eine neue Generation von Verbrauchern betrachtet den freien weltweiten Zugang zu Daten als Selbstverständlichkeit und jede Einschränkung als unzulässigen Eingriff in die Informationsfreiheit. Dem gegenüber steht ein Verleger vom alten Schlag wie Börsenvereins-Vorsteher Gottfried Honnefelder, der unermüdlich für die Urheberrechte von Autoren eintritt. Hinter den konträren Positionen von Open-Access-Befürwortern und Schutzrechtbewahrern stehen unvereinbare Weltbilder und inkompatible Begriffe von Kultur.
Da stecken eine Menge Probleme dahinter. Die “neue Generation von Verbrauchern” (was ja auch wieder Unsinn ist, das Lesen eines Buches ist doch kein “Verbrauch”, das Buch ist doch danach immer noch da!) will also, so Schröder offensichtlich, immer und überall alle Daten umsonst haben. Sicher mag es solche Positionen geben, aber das ist erstens nicht der Punkt und zweitens wohl nur eine Minderheit. Worum es geht ist ein vernünftiger, angemessen bepreister Zugang zu Daten. Und dazu gehört, das ist doch im Moment das Hauptproblem, dass zum Beispiel Kunstwerke nicht so enorm lange monopolisiert vermarktet werden dürfen, sondern früher als momentan gemeinfrei werden sollten.
Dann kommt wieder der schöne Gegensatz: Bisher — die Verbraucher — ging es um “Daten”, also irgendetwas einfaches, minderwertiges. Jetzt kommt, als Gegenposition, der “Verleger vom alten Schlag”. Das impliziert natürlich, dass es Honnefelder nicht primär um Gewinne geht, sondern darum, die Kunst, die Literatur zu verbreiten, zugänglich zu machen (warum er sich dann im Gegensatz zu den angeblichen Jüngern des freien Zugangs positionieren muss — das ist ein Paradox dieser hier implizit aufgeauten Gegensätze, das schon darauf hinweist, dass diese Schilderung nicht der Realität enspricht). Nun aber kommt der größte Witz, der eigentlich eine Unverschämtheit ist: Honnefelder setze sich als Vorsitzender des Börsenvereins “unermüdlich” für das “Urheberrecht der Autoren” ein. Das ist ja wohl bloße Verhöhnung! Erstens geht es ja gar nicht um das Urhberrecht der Autoren, das möchte (außer extremen Vertretern) kaum jemand ihnen abstreiten oder “abnehmen”. Es geht doch vor allem darum, was dem ganzen folgt: Die Monopolisierung der Vermarktung des Urheberrechts durch Verlage durch überlange Schutzfristen. Dafür setzt Honnefelder sich ein, deswegen lügt er sich Positionen etwa der Piratenpartei zurecht.
Nun der nächste Schlag: Schröder vermischt das jetzt auch noch mit der Open-Access-Bewegung — einer Bewegung, die vorwiegend aus dem Bereich wissenschaftlicher Veröffentlichungen kommt und dort sehr, sehr viel Sinn hat. Die werden jetzt gleich auch noch zu den Gegnern der Schutzfristen gemacht (was so auch wieder überhaupt nicht stimmt!). Und dann noch die absolute Keule: “unvereinbare Weltbilder” und “inkompatible Begriffe von Kultur”. Damit ist dann ja eigentlich die Diskussion für überflüssig, für unmöglich erklärt worden. Aber das stimmt auch wieder nicht: Die unterschiedlichen Begriffe für Kultur — was soll das denn bitte schön sein? Das erklärt Schröder wohlweislich nicht. Und warum sie inkompatibel sind, verschweigt er ebenfalls. Muss er ja, es gibt sie schließlich gar nicht.
Mit welchen unsauberen journalistischen Mitteln die “Zeit” bzw. Schröder arbeitet, sieht man auch einige Absätze später. Dort heißt es:
Marina Weisband, die politische Geschäftsführerin der Piratenpartei, macht hingegen auch auf der Messe noch einmal deutlich: “Der Kopierschutz muss weg.” Den Namen Gottfried Honnefelder kennt sie übrigens gar nicht.
Die Intention ist klar: Die Piraten (hier noch ) sind Kulturbanausen, die nicht einmal so wichtige, ganz unbedingt notwendig zu kennende Persönlichkeiten wie den Herren Honnefelder kennen. Das ist natürlich gemeiner Schwachsinn — und sagt über inhaltliche Auseinandersetzungen überhaupt nichts aus. Ich würde außerdem wetten, dass Honnefelder den Namen Marina Weisband ebenfalls “übrigens gar nicht” kennt. Doch was sagt uns das? Die Zeit macht Kampagnenjournalismus, lässt sich von der PR des Börsenvereins vereinnahmen. Und betrügt ihre Leser.