Er wurde, sonst ein gar lebenskräftiger jovialer mann, sehr nachdenklich, und wie ich es gar nicht erwartet hatte, sprach er: “In alter Zeit hatten wir einen frommen schlichten Glauben, wir erkannten das Jenseits, aber auch die Blödigkeit unserer Sinne, dann kam die Aufklärung, die alles so klar machte, dass man vor lauter Klarheit nichts sah, un sich am nächsten Baume im Walde die Nase stieß, jetzt soll das Jenseits erfasst werden mit hinübergestreckten Armen von Fleisch und Bein.”
— E. T. A. Hoffmann, Ein Fragment aus dem Leben dreier Freunde, zitiert nach Harald Neumeyer (Hrsg.), Gespenster. Berlin: Secession 2019 (Handliche Bibliothek der Romantik, 1), S 97f.
Schlagwort: aufklärung
Ins Netz gegangen am 3.8.:
- Should primary schools teach philosophy? | Durham University → philosophieunterricht hilft:
We found that Philosophy for Children has some promising effects in improving children’s social and communication skills, team work, resilience and ability to empathise with others. Interestingly, these positive effects are more profound in children from disadvantaged groups.
- Willst Du quälen? Frage „Wie weit bist Du?“ | Wild Dueck Blog → gunter dueck über die unsitte von managern, immer auskunft über gegenwärtige arbeiten und zukünftige zeitliche entwicklungen zu verlangen:
Wer also eine Delle in den Zahlen hat, wird sofort mit zusätzlicher Arbeit überhäuft, die Delle zu logisch zu erklären. Das gelingt im Prinzip leicht, weil der Nachfragende die Feinheiten ja nicht in den Zahlen stehen hat.
- Ich wünsche mir Mut zur Unterscheidung | FAZ → peter-andré alt (der ja ein augezeichneter biograph ist …) als vorsitzender der hochschulrektorenkonferenz im interview:
Die Tendenz zur Vereinheitlichung, wie wir sie in den letzten fünfzehn Jahren beobachten konnten, ist gefährlich, weil sie Uniformität fördert. Das haben wir in manchen Bereichen der Exzellenzinitiative beobachten können. Ich wünsche mir mehr Mut zur Unterscheidung und auch mehr Unterstützung dabei durch die Politik. […] Ich halte ein einjähriges Studium Generale vor dem Bachelor für ein gutes Mittel. Es zeigt sich immer stärker, dass zahlreiche Abiturienten auf die Universität nicht vorbereitet sind.
- Absurde Elektrifizierung | SZ → sebastian herrmann hat ziemlich recht, wenn er sich über die elektrifizierung der fahrränder sanft lustig macht. mir fehlt ja noch ein weiteres argument: “klassische” fahrradtechnik kann man (mit etwas geschick) weitgehend komplett selbst warten und vor allem reparieren — die neuen elektronischen teile oft überhaupt nicht mehr .…
Dennoch steckt Absurdität im Konzept, Mechanik am Rad durch Elektronik zu ersetzen: Der unschlagbare Vorteil des Fahrrads besteht schließlich darin, dass es seinem Fahrer Freiheit schenkt — die Freiheit, aus eigener Kraft jedes erwünschte Ziel zu erreichen und unabhängig von Ladekabeln oder Updates zu sein.
Aufklärung ist riskantes Denken. Wir, die Erben, wollen dieses Risiko nicht mehr eingehen. Wir wollen eigentlich keine Zukunft, wir wollen nur, dass unsere privilegierte Gegenwart nie aufhört, obwohl sie zusehends um uns herum bröckelt und gespalten wird.
Um das, was kommt, nicht zu erleiden, sondern zu gestalten, bedarf es nicht nur neuer Technologien und Effizienzsteigerungen, keiner hohen Mauern und keiner Abschreckung, sondern einer Transformation des westlichen Lebensmodells, denn erst wenn Menschen wieder einen realistischen Grund zur Hoffnung haben, wird die Angst verschwinden.
Dafür brauchen wir den Mut, wieder etwas zu riskieren beim Nachdenken über die Welt und über die eigene Position in ihr. Die Aufklärung ist nötiger denn je, aber nicht in ihrer rationalistischen Verengung oder ihrer ökonomischen Parodie.
- Should primary schools teach philosophy? | Durham University → philosophieunterricht hilft:
Ins Netz gegangen am 18.8.:
- Müssen wir Europa ‚anders‘ denken? Eine kulturwissenschaftliche Antwort | Mein Europa → spannende analyse der historischen verknüpfung/verbindung von euopra-idee und geschlechtsidentität und die konsequenzen für die gegenwärtige europa-idee und ‑debatte, z.b.:
Wenn Kultur im gegenwärtigen pluralistischen Gesellschaftsmodell, das in den einzelnen europäischen Ländern unterschiedlich stark oder gering greift, nicht mehr an den Mann als aufgrund einer vermeintlichen Geschlechtsidentität Kulturschaffenden gebunden ist oder gebunden werden kann, ist Europa als Kultur im Singular nicht mehr als Produkt des kulturschaffenden männlichen Geschlechts konzipierbar, sie ist generell nicht mehr im Singular konzipierbar.
„Europa“ nicht im Sinne des essentialistischen Singulars der Aufklärung zu denken, sondern als Vielfalt des Differenten auf der Grundlage von Kohärenz und Kohäsion ist möglich und dies auf eine egalitäre pluralistische Gesellschaft zu beziehen, ist ebenso möglich.
[…]
Konsequent wäre es, EU-Europa von der Gesellschaft und der anti-essentialistischen Perspektive her zu denken. Dabei kann nicht mehr auf das Funktionieren eines kollektiven performativen Sprechakts gesetzt werden. Das Erzeugen inhaltlicher Kohärenz in Bezug auf Europa braucht die Europäerinnen und Europäer als Kommunikationsaktive. Die Frage, wie sich das organisieren lässt, ist ebenso zentral wie sie unbeantwortet geblieben ist. Von „europäischer Öffentlichkeit“ bis „soziale Medien“ gibt es viele Praktiken, aber diese weisen keinerlei Kohäsion auf. Unbeantwortet ist auch die Frage, ob Anti-Essentialismus Dezentriertheit erfordert oder zur Folge hat? Dies würde der bisherigen EU-Europaidee umfassend entgegenstehen. - Europäische Union: Anleitung zum Nationalismus | ZEIT ONLINE → einfach wunderbar sarkastisch …
Erwecken Sie den Eindruck, mit dem Nationalstaat könnte man auch den Lebensstil einer untergegangenen Epoche wieder aufleben lassen.
- „Vom Übersetzen“ – Festspielrede von Carolin Emcke | Ruhrtriiiennale → carolin emcke ist ratlos angesichts des entsetzens der gegenwart und versucht, die aufklärung (als prozess) wieder stark zu machen
Es braucht Übersetzungen der Begriffe und Werte, die ausgehöhlt und verstümmelt worden sind, es braucht eine Übersetzung von Normen in Anwendungen, es müssen Begriffe in Erfahrungen übersetzt werden, damit sie vorstellbar werden in ihrer Substanz, damit wieder deutlich und nachvollziehbar wird, woraus sie bestehen, damit erlebbar wird, wann und warum der Rechtsstaat einen schützt, dass subjektive Rechte nicht nur passiv vorhanden, sondern dass sie auch aktiv einklagbar sind, dass eine Demokratie nicht einfach die Diktatur der Mehrheit bedeutet, wie es sich die AfD oder Ukip oder der Front National wünschen, sondern eben auch den Schutz der Minderheit, es braucht eine Übersetzung der Gesetze und Paragraphen, der Expertensprache in demokratische Wirklichkeiten, es braucht Erzählungen davon, wie die Freiheit schmeckt, wie die Gleichheit sich anfühlt, wie die Brüderlichkeit klingt.
Ins Netz gegangen am 31.8.:
- Juli Zeh: Das war meine Rettung | ZEITmagazin — wunderbares motto von juli zeh:
Man tut, was man will, und achtet darauf, dem anderen so wenig wie möglich auf die Nerven zu gehen.
— denn: Rücksichtnahme ist die “Grundlage aller Freiheit”
- Gibt es den Buchstaben ÿ, ein Ypsilon mit zwei Punkten? | GfdS — der »Heavy-Metal-Umlaut« — die GfdS über das “ÿ”
- Ausgabe 0915: Nach dem #Landesverrat: Was Netzpolitik.org jetzt plant | WIRED Germany — sonja peteranderl hat für die “wired” mit markus beckedahl über das projekt “netzpolitik.org” und natürlich die landesverrats-ermittlungen gesprochen
- Flüchtlingspolitik: Denker an der Grenze | ZEIT ONLINE — sehr gut gemacht.
Ihr kommt hier nicht rein! Was passiert, wenn die Philosophen Kant, Adorno und Derrida über Asylpolitik reden? Mit Seehofer und Heidegger? Es wird ein Drama.
- Fanfiction: “Hey, ich bin Anne” | ZEIT ONLINE — clemens setz liest anne-frank-fanfiction und macht sich dabei & danach gedanken über die seltsamkeiten der welt …
Vielleicht ist das Konzept ewiger Qualen im Jenseits synonym mit einer millionenfachen Leserschaft, die ein Einzelwerk und das darin noch immer wie ein windgeschütztes Flämmchen weiterlebende Bewusstsein eintauchen lässt in die geballte Deutungswucht der Menschheit.
- KONTEXT:Wochenzeitung — Ausgabe 228 — “Das Bekenntnis zum Auto ist falsch” — interview mit der bund-landesvorsitzenden brigitte dahlbender über die verkehrspolitik baden-württembergs — das gesagte lässt sich aber problemlos auf den rest deutschlands übertragen
Damit Menschen ihr Auto stehen lassen, ist ein funktionierendes vernetztes Angebot nötig.
- Pack, Vertriebene und die verunsicherte Mitte – Sprachlog — Pack, Vertriebene und die verunsicherte Mitte — anatol stefanowitsch im sprachlog über die “neuen” begriffe und ihre wirksamkeiten
- https://transkribus.eu/Transkribus/#download — OCR für Handschriften — auch für alte wie Kurrent. Ich wusste gar nicht, dass es so etwas (schon) gibt …
Ins Netz gegangen am 13.11.:
- Rabenschwarze Mordgeschichten — Wiener Zeitung Online — anton tantner kann ein paar mosaiksteinchen zur bislang ungeschriebenen geschichte der wiener “schwarzen zeitung” beitragen:
Die Hintermänner dieses Blatts voller Selbstmörder- und Raubersgeschichten — von dem allerdings kein Exemplar erhalten ist — blieben bislang im Verborgenen; dank eines Zufallstreffers im Niederösterreichischen Landesarchiv kann ich nun ein Mosaiksteinchen zu ihrer Geschichte hinzufügen
- Christoph Pallaske on Twitter: “Martin Lücke hat ein Bild vom #HisTag 1976 in #Mannheim aufgespürt: KE Jeismann verkündet das Geschichtsbewusstsein http://t.co/EPZIPiWGeM” — Martin Lücke hat ein Bild vom #HisTag 1976 in #Mannheim aufgespürt: KE Jeismann verkündet das Geschichtsbewusstsein
- Model Lina Scheynius: Jung und schön. Und ganz schön unglücklich — Mit 16 bekommt Lina Scheynius einen Modelvertrag. Sie denkt, ein Traum gehe in Erfüllung. Aber ein Albtraum beginnt.
- Wolf Biermann im Bundestag: Zentrum für politische Hässlichkeit — taz.de -
Es ist natürlich richtig, zum 25. Jahrestag des Mauerfalls die schlimmen Seiten der DDR noch einmal in Erinnerung zu rufen. Aber gleich Wolf Biermann?
- Vor Donaueschingen: Ein Gespräch mit Armin Köhler | nmz — neue musikzeitung — Was denkt der Macher der Donaueschinger Musiktage über sein Programm, über Vorheriges. die Gegenwart und über die Zukunft: Das Wort “und” war dieses Jahr ein Verbindendes — und ein Klärendes: Armin Köhler im Gespräch mit nmz-Herausgeber Theo Geißler.
- “Wetten, dass..?”: Sex und Eierbecher im Show-Krankenhaus — KURIER.at — “wetten, dass…” braucht man ja eigentlich auch nur deshalb, damit so schöne wetten-dass-texte entstehen können:
- 113 Flüchtlinge stranden in der Sahara — Multimedia-Reportage — SPIEGEL ONLINE — hauke goos hat eine eindrückliche reportage über die ausgelagerte grenze europas geschrieben
- Einstürzende Neubauten: Blixa Bargeld und die Harfe aus Stacheldraht | Musik — Berliner Zeitung — jens balzer spricht mit blixa bargeld über das erste-weltkrieg-projekt der einstürzenden neubauten:
Ja, wir sind eine Super-Jazzband! Wir swingen wie die Hölle!
- Kolumne Der Rote Faden: Die große Ordnung des Dürfens — taz.de — robert misik:
Ein Journalist darf nicht nur parteiisch, sondern sogar Aktivist sein. Letzteres darf nur nicht dazu führen, dass er Qualitätsgrundsätze über Bord wirft oder gar die „eigenen“ Leute schont. Dann wird aus Parteilichkeit dumpfer „Parteijournalismus“.
- Norbert Blüm: “Vom Recht verstehe ich wenig bis nichts” | ZEIT ONLINE — thomas fischer, vorsitzender richter am bundesgerichtshof, rechnet mit norbert blüms abrechnung ab. wunderbar (nur wieder schade, dass so etwas überhaupt notwendig ist …)
- Polizei Niedersachsen kurz vor Wechsel zu Windows – aus intransparenten “Wirtschaftlichkeitsgründen” | netzpolitik.org — crazy. da wundert einen dann gar nichts mehr …
Auf den offiziellen Linuxrechnern werden derzeit Funktionalitäten aus Sicherheitsgründen beschnitten, zum Beispiel sind USB-Ports und CD-Laufwerke deaktiviert. Das bringt Frustration, laut unseren Informationen führt das unter anderem dazu, dass man auf den Wachen nicht ohne Weiteres Überwachungsvideos auswerten kann. Die Lösung lag aber keineswegs darin, die Prozesse umzugestalten, nein: Es wurden Windows-PCs aufgestellt, die derartige Sicherheitsbeschränkungen nicht aufweisen. Es scheint gekonnt ignoriert zu werden, dass man hier ein Problem nicht löst, sondern auf fahrlässige Weise wegignoriert. Und das bequeme Anschauen von Überwachungsvideos wird offensichtlich über den verantwortungsvollen Umgang mit den Systemen gestellt.
… und die sind dann für “cyberkriminalität” zuständig …
- Globetrotter: Die Draußenseiter | ZEIT ONLINE — “Lange gelang dem Outdoor-Ausrüster Globetrotter die Verbindung von klassischem Einzelhandel und Onlineversand” >
… hat geschehen können, so sprechen man nur nicht davon, daß wir besser und klüger geworden sind, als unsere Vorfahren. Manche träumen sogar, alle Völker würden nach und nach veredelt, und das ganze Menschenwesen menschlicher.” — Ludwig Tieck, Der Hexen-Sabbat, 232
… wenn viele glauben, daß die Menschen vernünftiger und besser werden, und daß die Welt sich immer mehr in Zukunft auslichten soll.” — Ludwig Tieck, Der Hexen-Sabbat, 175
… und Klügeren nicht mehr zusammen halten wollen, so werden von dem erst neu aufgeführten Gebäude die Stützen hinweg geschlagen, und woran sollen sich die Vernünftigen in Zukunft anders erkennen, als an der Vernunft?” —Ludwig Tieck, Der Hexen-Sabbat, 109