2020 war ein gro­ßes Beethoven-​Jahr, zumin­dest irgend­wie – so rich­tig hat der 250. Geburts­tag nicht gezün­det, scheint mir. Und das lag ver­mut­lich nicht nur an den Ein­schrän­kun­gen der Kon­zert­tä­tig­kei­ten durch Coro­na, son­dern mei­nes Erach­tens auch dar­an, dass Beet­ho­ven sowie­so immer mehr als genug da und prä­sent ist. 

Rinck, Orgelwerke (Cover)

Das ist ist bei Johann Chris­ti­an Hein­rich Rinck ganz anders. Der ist aus dem öffent­li­chen (Musik)Leben weit­ge­hend kom­plett ver­schwun­den. Organist*innen soll­ten ihn aller­dings noch ken­nen. Ich zumin­dest spie­le sogar ab und an klei­ne­re Sachen von ihm. Den 250. Geburts­tag des Darm­städ­ter Kom­po­nis­ten und Kir­chen­mu­si­kers habe ich im letz­ten Jahr aber auch über­haupt nicht regis­tiert. Mit etwas Ver­spä­tung konn­te die Hoch­schu­le für Musik der Johannes-​Gutenberg-​Universität Mainz mir da jetzt auf die Sprün­ge hel­fen. Deren Orgel­klas­se von Ger­hard Gnann hat näm­lich im Jubi­lä­ums­jahr eine sehr gelun­ge­ne Doppel-​CD als eine Art Hom­mage an Rinck pro­du­ziert. Zusam­men mit der Rinck-​Gesellschaft haben die jun­gen Organist*innen und ihr Leh­rer eine wirk­lich schö­ne Zusam­men­stel­lung auf­ge­nom­men, die einen guten Ein­blick in das kom­po­si­to­ri­sche Schaf­fen Rincks bie­tet: Von den durch­aus zeit­ge­nös­sisch belieb­ten Orgel­kon­zer­ten über grö­ße­re Varia­ti­ons­zy­klen zu klei­nen, eher gebrauchs­mu­si­ka­lisch isn­pi­rier­ten Ton­stü­cken bil­det die Pro­duk­ti­on eine gro­ße Band­brei­te ab.

Ein wesent­li­ches Ele­ment des Gelin­gens ist die genutz­te Orgel: Die Dreymann-​Orgel von 1837 in St. Ignaz in der Main­zer Alt­stadt. In mei­ner Main­zer Zeit habe ich die nicht ken­nen­ge­lernt oder zumin­dest nicht bewusst wahr­ge­nom­men – wenn ich mich rich­tig erin­ne­re, war das grö­ße­ren Arbei­ten an und in der Kir­che geschul­det. Inzwi­schen wur­de die Orgel auch umfas­send restau­riert. Und für mich zufäl­li­ger­wei­se zeit­lich genau pas­send auch in der aktu­el­len Aus­ga­be der Ars Orga­ni (Jg. 69, Heft 1, S. 46–50) beschrie­ben. Das Instru­ment, das von Rinck selbst als Neu­bau abge­nom­men und sehr geschätzt wur­de, kommt auf der Auf­nah­me gut zur Gel­tung: Die kla­ren, prä­gnan­ten Bäs­se vor allem des Posau­nen­bas­ses sind wun­der­bar prä­gnant und sau­ber, aber auch die war­men – und teil­wei­se sehr lei­se und sanf­ten Grund­stim­men klin­gen auf der Auf­nah­me sehr authen­tisch. Und die fie­nen Ober­stim­men und glän­zen­den Mix­tu­ren krö­nen das sehr schön, ohne zu dominieren. 

Die ein­ge­spiel­ten Wer­ke – teil­wei­se aus Auto­gra­phen bzw. eigens ange­fer­tig­ten Abschrif­ten – bie­ten, wie gesagt, eine schö­ne Gele­gen­heit, Rincks Kom­po­si­ti­ons­stil genau­so ken­nen­zu­ler­nen wie die­se fas­zi­nie­ren­de Orgel. Rinck hat ja eine ganz eige­ne Ver­bin­dung von (spät-)barocken Tech­ni­ken, die gera­de auf den Orgeln ja durch­aus noch lan­ge fort­le­ben, mit eigent­lich eher klas­si­schen Ele­men­ten (und zeit­wei­se früh­ro­man­ti­schen Anklän­gen) geschaf­fen. Das erreicht sicher nicht immer Beet­ho­vens Tie­fe (aber das machen Beet­ho­vens Wer­ke ja auch nicht immer), ist aber mehr als nur gefäl­li­ge Gele­gen­heits­mu­sik: Dem genaue­ren Hören eröff­nen sich da durch­aus immer wie­der span­nen­de Ideen, neue Kom­bi­na­tio­nen und vor allem gelun­ge­ne Ein­fäl­le. Und das alles zuam­men macht ein­fach Freude!

Johann Chris­ti­an Hein­rich Rinck: Orgel­wer­ke. Stu­die­ren­de der Abtei­lung Kirchenmusik/​Orgel der Hoch­schu­le für Musik an der Johan­nes Gutenberg-​Universität Mainz spie­len an der Dreymann-​Orgel (1837) in St. Ignaz, Mainz. Coviel­lo Clas­sics COV 92101, 2020. 114:02 Minuten.