ein recht gewöhnliches programm und auch ein recht durchschnittliches ergebnis: nicht schlecht war das meisterkonzert in der rheingoldhalle, aber auch nicht außergewöhnlich gut, keine überraschungen, nix neues — wie’s bei solchen abonnentenkonzerten halt so ist.…
Die Verwandlung geschah erst am Ende des Konzerts. Irgendetwas muss mit Tamás Vásáry, dem Dirigenten der Koblenzer Staatsphilharmonie, in der Pause passiert sein. Denn in der zweiten Hälfte des Meisterkonzertes in der Rheingoldhalle stand ein ganz anderer Musiker auf dem Podest. Zunächst zeigte er sich aber als versierter Dirigierhandwerker. Die Sinfonie Nr. 22 von Haydn missbrauchte er zwar, entgegen den Konzertgewohnheiten, nicht als bloßes Einspielstück. Vásáry ließ das Orchester in fast stoisch anmutender Gelassenheit beschwingt tänzeln und blieb dabei immer in fließender Bewegung. Dieses Gleichmaß, gepaart mit einer Prise trockenem Humor und den knappen, präzisen Gesten passte einfach. Nach diesem vielversprechenden Auftakt war das Violakonzert von Béla Bartók zu bewältigen. Von Bartók selbst ist hier allerdings nur der kleinste Teil, sein Tod verhinderte die Vollendung. Und das merkt man auch: Irgendwie fehlt genau die Kraft und Eindrücklichkeit, die seine andere Konzerten so sehr prägt. Dementsprechend blieb das Orchester noch einmal auffallend unauffällig, lediglich hier und da etwas zu mächtig. Der Solist Maxim Rysanov schwang sich viel offenherziger hinein: Mit ehrlicher Hingabe widmete er sich den Gefühlsgehalten der Musik und überzeugte mit vielseitiger und ausdrucksstarker Gestaltung – seine mancherorts etwas nachlässige Technik verzieh man ihm da gerne. Aber dann eben, nach der Pause, die eigentlich Hauptsache. Schuberts vierte Symphonie wurde jetzt von einem ganz neuem Dirigenten aufgeführt: Denn Vásáry mutierte ganz unversehens zum Tänzer – nicht nur mit den Händen, sondern mit seinem ganzem Körper zelebrierte er die Musik, formte er jeden Einsatz vor, schrieb er jede Phrase mit allen Fasern seines schmächtigen Körpers in die Luft. Das Orchester reagierte zunächst verhalten und nahm die unbedingte Emphase des Dirigenten nur zögerlich auf. Deshalb bestand der erste Satz eigentlich nur aus schönen Stellen ohne echten Zusammenhang. Das ist bei dieser Sinfonie immer eine Gefahr, denn Schubert pendelt hier noch sehr stark zwischen eigenen Formen und Beethovenschen Modellen. Ab dem zweiten Satz wurde es dann aber spürbar besser. Die Klangreliefs wurden von Takt zu Takt greifbar plastischer und drastischer. Vor allem im ganz stark lakonisch konzentrierten Menuett entwickelte Vásáry immer mehr Drastik. Und im Finale steigerte er das noch ein weiteres Mal zu einer mitreißend dramatischen, in vitaler Kraft geradezu explodiernd Freude an dieser Musik.
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