diese woche im frank­furter hof gehört: die nor­wegis­che sän­gerin kari bremnes — war mir bish­er unbekan­nt. ist aber auf ihre weise ganz schön:

Sie kommt von weit her – aus der nördlich­sten Ecke Nor­we­gens. Da wun­dert es kaum, dass ihre let­zte CD den Titel „Reise“ trägt. Und trotz ihrer fer­nen Herkun­ft hat Kari Bremnes in Deutsch­land einen treuen Fankreis. Auch in Mainz: Der Frank­furter Hof war mehr als ausverkauft.

Und das Pub­likum kann sich vom ersten Moment an gebor­gen fühlen. Denn in ihren aus der Zeit gefal­l­enen Liedern find­et jed­er Halt. Sie erzählen in poet­is­ch­er Manier vom rauen Leben im hohen Nor­den, von Dunkel­heit und Licht, von den kleinen und großen Wun­den des Lebens, von Men­schen und Land­schaften, von Über­leben­den und Opfern. Aber immer, egal worum es ger­ade geht, ob es ein Text von Edvard Munch ist oder eine Eigen­schöp­fung, ob englisch oder nor­wegisch, immer sind es die Gefüh­le, die zählen. Und genau da kommt auch die Musik her: Aus den inner­sten Winkeln der Seele. Und diese Empfind­samkeit macht die Musik Kari Bremnes’ so beein­druck­end ehrlich und wirkungsvoll.

Der kom­pak­te Sound ist ihr Marken­ze­ichen. Genau wie ihre warme Alt­stimme. Im san­ften Auf und Ab gleit­et sie über der Klangfläche der Key­boards, den ver­traut­en Riffs der Gitarre und dem beruhi­gen­den Gewuschel des Schlagzeugs dahin. Ganz ohne Zweifel ist ihre san­ft und unbeir­rt über allem schwebende Stimme die Haupt­sache hier. Die Band bleibt dann auch den Abend über im Halb­dunkel – obwohl die drei Musik­er dur­chaus beachtlich­es bieten und unverzicht­bar für die har­monis­che Stim­mung des Konz­ertes sind.

Im ständi­gen Pen­deln zwis­chen Folk und Pop, Rock und Jazz bewahrt Bremnes in aller Vielfalt immer die Ein­heit – die Har­monie ihre kristalli­nen Stimme, die Übere­in­stim­mung ihrer mitreißen­den vokalen Kraft mit den inten­siv­en Arrange­ments lassen die Welt außer­halb des Konz­ert­saales schnell verblassen.

Natür­lich muss hier auch unbe­d­ingt noch die nordis­che Melan­cholie erwäh­nt wer­den, die Bremnes immer wieder angedichtet wird. Aber das trifft es eigentlich über­haupt nicht. Denn ihre Songs sind alles andere als schw­er­mütig. Sie sind allerd­ings fast alle kleine oder große Träumereien: Ihre Musik ist ein per­ma­nen­ter Kampf der Musik gegen die ein­brechende Real­ität, eine immer wieder erneute Flucht aus der harten Wirk­lichkeit in das wohltuende Land der Phan­tasie.

so weit der „offizielle” text. jet­zt stellt sich natür­lich doch noch die eine oder andere frage. näm­lich zum beispiel, warum die nordis­che musik – ins­beson­dere die sän­gerin­nen – eigentlich so erfol­gre­ich ist? ver­mut­lich ist es ganz ein­fach die kom­bi­na­tion von exotik und ver­trautheit in genau dem richti­gen maße, die das aus­macht: es klingt so fremd, dass es unge­wohnt und span­nend ist. ander­er­seits nicht so fremd, dass es die eige­nen überzeu­gun­gen und erfahrun­gen in frage stellen kön­nte — es ist noch so ver­traut, dass sich jed­er prob­lem­los darin zurecht find­et.

trotz­dem: die musik ist eigentlich gefährlich. näm­lich insofern sie eine befreiung vom ver­ste­hen-müssen (also von der anstren­gung) anbi­etet und sug­geriert, das sei doch ganz in ord­nung so, also sich nicht um ver­ste­hen zu bemühen. übrig bleibt klang – und eine ahnung, eine ver­heißung, dass der unver­ständliche text noch mehr bieten kön­nte. und natür­lich ein gefühl der übere­in­stim­mung: der ständi­ge rekurs auf mehr oder weniger ver­traute gefüh­le, auf ein­samkeit, ver­lassen-sein, ent­täuschte oder gelin­gende liebe, angst (etwa in edvard munchs „der schrei”). das bleibt, weil es immer wieder genau dabei ste­hen bleibt, zwar intellek­tuell zutief­st unbe­friedi­gend. aber dem pub­likum gefällt’s. wahrschein­lich genau deshalb …