Johann Wolf­gang von Goethe: Unter­gang ein­er Reichshaupt­stadt. Johann Wolf­gang von Goethe. Belagerung von Mainz. Ein Bilder­bo­gen. Her­aus­gegeben von Her­mann Kurzke und Oliv­er Kem­mann. 2. Auflage. Frank­furt: Soci­etäts-Ver­lag. 176 Seit­en.

Selt­sam und schön: Schön in der Auf­machung, in der Samm­lung aller möglich­er Mate­ri­alien rund um Goethes fin­gierten Tage­buch-Bericht zur Belagerung von Mainz, in der reich­halti­gen Annotierung in bester Gelehrten­manier. Selt­sam dann aber wieder manche Texte, zum Beispiel das Lob der Monar­chie im Anfang (und die Abw­er­tung der Demokratie):

Eine richtige Idee lag ihr zugrunde, sie war nicht gle­ichbe­deu­tend mit autoritärem Macht­mißbrauch. Die Men­schen waren in ihr nicht gle­ichgestellt, gewiß nicht, sie waren ver­schieden und hat­ten abgestufte Rechte. Aber sie sind ja auch heute nur in der The­o­rie gle­ich, und Geset­zes­gewän­der, die ver­schiedene Rechte für ver­schiedene Men­schen vorse­hen, schmiegen sich dem Gesellschaftleib unter Umstän­den natür­lich­er an als das schlot­ternde Ein­heit­skleid der Demokratie. (7f.)

Abge­se­hen davon aber eine schöne, reich und klug kom­men­tierte Aus­gabe des Goethe-Textes, der vor allem mit seinem reich­halti­gen (größ­ten­teils zeit­genös­sis­chen) Bild­ma­te­r­i­al gefällt. Zweifel­los ein schönes und schön gemacht­es Buch — ide­al für den Couchtisch ;-). Aber das Vor­wort! — So etwas lässt mich rat­los zurück. Wahrschein­lich bin ich nur wieder mal die falsche Ziel­gruppe …

Peter Kurzeck: Der radikale Bio­graph. Her­aus­gegeben von Eri­ka Schmied. Frank­furt am Main: Stroem­feld 2013. 179 Seit­en.

Das Geburt­stags­geschenk des Stroem­feld-Ver­lags für Peter Kurzeck zum 70. Geburt­stag — und vor allem für seine Leser, Hör­er und Fans: Schöne Fotos von den Schau­plätzen seines Lebens und sein­er Werke und von ihm, Texte von Man­fred Papst, Thomas Mei­necke zum Schreiben und Erin­nern Kurzecks und ein Gespräch mit ihm und vielem mehr: Wun­der­schöne Fotografien eines Lebens mit klug und ken­nt­nis­re­ich aus­gewählten Zitat­en aus dem Werk Kurzecks — ein her­rlich­es Geschenk.

Ann Cot­ten: Hauptwerk. Soft­soft­porn. Mit Zeich­nun­gen von Mareile Fel­lien, Ostheim/Rhön: Peter Engstler 2013. 70 Seit­en.

Wie immer bei Ann Cot­ten zeigt auch das Hauptwerk eine Art wilde Sprache — schon der Unter­ti­tel weist ja darauf hin: Eine Sprache, die sich nicht um seman­tis­che Kon­ven­tio­nen schert, alle Stile, Gen­res und Reg­is­ter hem­mungs­los mis­cht, die Vielfalt der Het­ero­gen­ität feiert — in Leichtigkeit und Lock­er­heit. Funken sprüht das vor allem an den Stellen, wo Cot­ten ihre Mehrsprachigkeit ein­set­zt, wo sich englis­che Kon­struk­tio­nen mit deutschen Wörter füllen oder umgekehrt, wo die Mis­chun­gen tanzen — ich weiß nur noch nicht so recht, was die Funken entzü­den sollen oder wer­den …
Das kleine Vor­wort bietet dazu noch so etwas wie eine kleine Poet­ik, die allerd­ings selb­st auch wieder poet­isch (und dunkel) ist:

Das Vor­wort ist nur dazu da, Fre­und­schaften zu ret­ten. […] Eigentlich müsste man also für jeden Zusam­men­hang sprach­lich sich etwas ganz Neues her­aus­bilden lassen — aber wom­it denn? Der Ein­druck von Sin­gu­lar­ität ver­leit­et einen ja eher dazu, eine Sache nicht sprach­lich zu beschreiben: Wozu sollte man etwas, was nur stimmt, solange es da ist, all­ge­mein erschließen? […] Zum Text zurück: Wenn seine Irrtümer ein Ver­brechen darstellen, beste­ht dieses in mein­er selb­stver­schulde­ten Ein­samkeit.

Chamis­so / Scho / Stolter­fo­ht: Frauen-Liebe und Leben. Per­leberg Berlin: hochroth 2010. 46 Seit­en.

Adel­bert von Chamis­sos “Lieder-Cyclus” Frauen-Liebe und Leben von 1830 im Orig­i­nal und in zwei sehr unter­schiedlichen Nachdich­tun­gen — ein­er sehr inspieren­den von Sabine Scho und ein­er fremdel­nden von Ulf Stolter­fo­ht, bei­de auf ihre Weise sehr dicht am Orig­i­nal und trotz­dem sehr eigen­ständig.

Dirk von Gehlen: Eine neue Ver­sion ist ver­füg­bar. Exk­lu­sive Erstau­flage, indi­vid­u­al­isierte Pre­mi­um-Edi­tion. München 2013. 224 Seit­en.

Das crowd-finanzierte zweite Buch Dirk von Gehlens über die Verän­derun­gen, die die Dig­i­tal­isierung für die Kul­tur, das Kul­tur­erzeug­nis und die Gesellschaft (mit ihren Kul­tur­erzeugern und ‑rezip­i­en­ten) mit sich bringt, hat einen eige­nen kleinen Blog­beitrag bekom­men: klick.