Seltsam und schön: Schön in der Aufmachung, in der Sammlung aller möglicher Materialien rund um Goethes fingierten Tagebuch-Bericht zur Belagerung von Mainz, in der reichhaltigen Annotierung in bester Gelehrtenmanier. Seltsam dann aber wieder manche Texte, zum Beispiel das Lob der Monarchie im Anfang (und die Abwertung der Demokratie):
Eine richtige Idee lag ihr zugrunde, sie war nicht gleichbedeutend mit autoritärem Machtmißbrauch. Die Menschen waren in ihr nicht gleichgestellt, gewiß nicht, sie waren verschieden und hatten abgestufte Rechte. Aber sie sind ja auch heute nur in der Theorie gleich, und Gesetzesgewänder, die verschiedene Rechte für verschiedene Menschen vorsehen, schmiegen sich dem Gesellschaftleib unter Umständen natürlicher an als das schlotternde Einheitskleid der Demokratie. (7f.)
Abgesehen davon aber eine schöne, reich und klug kommentierte Ausgabe des Goethe-Textes, der vor allem mit seinem reichhaltigen (größtenteils zeitgenössischen) Bildmaterial gefällt. Zweifellos ein schönes und schön gemachtes Buch — ideal für den Couchtisch ;-). Aber das Vorwort! — So etwas lässt mich ratlos zurück. Wahrscheinlich bin ich nur wieder mal die falsche Zielgruppe …
Das Geburtstagsgeschenk des Stroemfeld-Verlags für Peter Kurzeck zum 70. Geburtstag — und vor allem für seine Leser, Hörer und Fans: Schöne Fotos von den Schauplätzen seines Lebens und seiner Werke und von ihm, Texte von Manfred Papst, Thomas Meinecke zum Schreiben und Erinnern Kurzecks und ein Gespräch mit ihm und vielem mehr: Wunderschöne Fotografien eines Lebens mit klug und kenntnisreich ausgewählten Zitaten aus dem Werk Kurzecks — ein herrliches Geschenk.
Wie immer bei Ann Cotten zeigt auch das Hauptwerk eine Art wilde Sprache — schon der Untertitel weist ja darauf hin: Eine Sprache, die sich nicht um semantische Konventionen schert, alle Stile, Genres und Register hemmungslos mischt, die Vielfalt der Heterogenität feiert — in Leichtigkeit und Lockerheit. Funken sprüht das vor allem an den Stellen, wo Cotten ihre Mehrsprachigkeit einsetzt, wo sich englische Konstruktionen mit deutschen Wörter füllen oder umgekehrt, wo die Mischungen tanzen — ich weiß nur noch nicht so recht, was die Funken entzüden sollen oder werden …
Das kleine Vorwort bietet dazu noch so etwas wie eine kleine Poetik, die allerdings selbst auch wieder poetisch (und dunkel) ist:
Das Vorwort ist nur dazu da, Freundschaften zu retten. […] Eigentlich müsste man also für jeden Zusammenhang sprachlich sich etwas ganz Neues herausbilden lassen — aber womit denn? Der Eindruck von Singularität verleitet einen ja eher dazu, eine Sache nicht sprachlich zu beschreiben: Wozu sollte man etwas, was nur stimmt, solange es da ist, allgemein erschließen? […] Zum Text zurück: Wenn seine Irrtümer ein Verbrechen darstellen, besteht dieses in meiner selbstverschuldeten Einsamkeit.
Adelbert von Chamissos “Lieder-Cyclus” Frauen-Liebe und Leben von 1830 im Original und in zwei sehr unterschiedlichen Nachdichtungen — einer sehr inspierenden von Sabine Scho und einer fremdelnden von Ulf Stolterfoht, beide auf ihre Weise sehr dicht am Original und trotzdem sehr eigenständig.
Das crowd-finanzierte zweite Buch Dirk von Gehlens über die Veränderungen, die die Digitalisierung für die Kultur, das Kulturerzeugnis und die Gesellschaft (mit ihren Kulturerzeugern und ‑rezipienten) mit sich bringt, hat einen eigenen kleinen Blogbeitrag bekommen: klick.
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