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Gedenken und Helden II

Selbst Absur­di­tä­ten kann man noch ad absur­dum füh­ren – zumin­dest in Hes­sen. Vor eini­gen Tagen habe ich mich hier über den Plan des hr-fern­se­hens, die neue Frank­fur­ter-Tat­ort­kom­mis­sa­rin nach einem jüdi­schen Opfer des Natio­nal­so­zia­lis­mus zu benen­nen echauf­fiert. Vor allem die gegen­über der Pres­se geäu­ßer­ten Moti­ve und Begrün­dun­gen für die­se Namens­wahl haben, um es vor­sich­tig zu sagen, mein Miss­fal­len erregt. Aber das war lei­der noch nicht das Ende: Weil die zustän­di­ge „Fern­seh­che­fin“ beim Hes­si­chen Rund­funk bedau­ert, „die Gefüh­le ein­zel­ner ver­letzt zu haben“, neh­men sie in Frank­furt jetzt doch von der Benen­nung Abstand. Allein die­se Begrün­dung ist ja schon wie­der genau­so frech und eigent­lich dumm wie das ursprüng­li­che Vor­ha­ben: Ers­tens wer­den die Geg­ner damit klein gemacht – es sind ja nur „ein­zel­ne“. Zwei­tens wer­den sie noch für nicht voll genom­men, weil es ja nur um ihre „Gefüh­le“ geht. Dass die Idee ein­fach Unsinn und unsen­si­bel war, scheint Lia­ne Jes­sen immer noch nicht zu ver­ste­hen und ein­zu­se­hen.

Aber damit ist lei­der immer noch nicht Schluss. Denn gegen­über der FAZ sag­te Jes­sen außer­dem noch:

Die Rol­le wäre immer mit dem Holo­caust-Opfer Sel­ma Jaco­bi in Ver­bin­dung gebracht wor­den. Eine freie Wei­ter­ent­wick­lung der Figur wäre unter die­sem Aspekt nicht mehr mög­lich.

- und des­halb sei die Umben­nung auch aus „künst­le­ri­schen Grün­den“ (als hät­te der „Tat­ort“ was mit Kunst zu tun, aber das ist eine ande­re Bau­stel­le …) not­wen­dig gewor­den. Wir fas­sen also zusam­men: Die Schau­spie­le­rin woll­te ihre Figur nach einer his­to­ri­schen Per­son benen­nen, um sie als Opfer und Per­son zu erin­nern und ehren und wur­de dabei durch die lei­ten­de Redak­teu­rin unter­stützt und bekräf­tig. Die­se unsen­sei­b­le Hal­tung miss­fällt nicht weni­gen Men­schen, wes­we­gen die Inan­spruch­n­nah­me des his­to­ri­schen Namens nun fal­len gelas­sen wird – mit der Begrün­dung, die Erin­ne­rung an eine his­to­ri­sche Per­son ste­he einer „freie[n] Wei­ter­ent­wick­lung der Figur“ im Wege. Da stellt sich mir dann doch die Fra­ge: Wie wird man eigent­lich „Lei­te­rin Fern­seh­spiel und Spiel­film“ beim hr-fern­se­hen? Wel­che Qua­li­fi­ka­tio­nen sind dafür not­wen­dig? Die Fähig­keit, den­ken zu kön­nen gehört offen­bar nicht zum Anfor­de­rungs­pro­fil. Von his­to­ri­scher Sen­si­bi­li­tät ganz zu schwei­gen.

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